Ghost - Impera

Review

GHOST sind eine DER Metal-Bands unserer Zeit. Die Gründe dafür reichen von dem beinahe schon als Sampling durchgehenden musikalischen Fußnotenapparat ihrer Musik bis hin zum dauerhaften performativen Spiel mit Rollen und „Layern“, das mit seiner feinen selbstironischen Note gängige Social-Media-Kulturen abbildet bis persifliert. Darüber hinaus haben GHOST etwas, das man im Marketing ein gut durchdachtes Corporate Design nennt und eine ästhetisch anschlussfähige und durchprofessionalisierte Markenidentität, die von den Artworks über eine gewaltige Merch-Palette bis zu den Live-Choreographien der mittlerweile zur Stadion-Band gereiften Schweden alles vereinheitlicht. GHOST sind hip und GHOST sind eine Firma, die sich, wie mittlerweile kein Geheimnis mehr ist, um einen einzigen CEO gruppiert, dessen „Nameless Ghouls“ genau das sind. Wie könnte eine von konservativen familiären Underdog-Werten zusammengehaltene Szene eine solche Band nicht hassen?

Give love a chance

Es gibt ein einziges und ziemlich naheliegendes Einfallstor: unwiderstehlich gute Musik. Fast vier Jahre nach dem heiß diskutierten „Prequelle“ machen GHOST es ihren Hatern mit „Impera“ weiter schwer.

Wo der Vorgänger den Tod und das Verderben so tanzbar wie selten thematisierte, geht es in „Impera“ um aufsteigende und auseinanderbrechende Großreiche, die Tragik der Weltgeschichte und die menschliche Hybris im Allgemeinen. Und die großen Bögen enden nicht bei den Lyrics. Auf „Impera“ gibt es einiges zu entdecken.

Spätestes beim Refrain haben GHOST einen wieder

Auf das epische wie einigermaßen konventionellen Intro-Instrumental „Imperium“ folgt mitnichten ein okkulter Stampfer, sondern ein Uptempo-Hard-Rocker vor dem Herrn (oder eher dem Gehörnten), der nicht nur mit flirrenden Lead-Gitarren und einem Power-Metal-Intro-Schrei seitens Papa Emeritus (oder Cardinal Copia?) aufhorchen lässt, sondern allem voran durch seine wenig düstere Melodieführung. Überraschung geglückt!

Dann, „Spillways“: Was soll das sein? THE DISCO BOYS? Egal, spätestens beim Refrain haben sie dich wieder. Und über diese Unverfrorenheit kann man nur schmunzeln bis breit grinsen. „Call Me Little Sunshine“ schien zunächst eine etwas vorhersehbare Single-Entscheidung zu sein, erweist sich aber immer mehr als kompromissloser Grower. „Hunter’s Moon“ an fünfter Stelle bleibt ein Hit, der anders als „Halloween Kills“, dessen Soundtrack er veredeln durfte, die Zeit überdauern wird.

Noch lange nicht am Ende

Bereits hier lässt sich konstatieren, dass Tobias Forge mit seinen Ideen und Melodien noch lange nicht am Ende ist. Und das ist, neben der eingangs erwähnten perfekten Positionierung in einem umkämpften Aufmerksamkeitsmarkt, der zweite zentrale Grund dafür, warum GHOST gekommen sind um zu bleiben.

„Impera“ hat, wie schon „Prequelle“, nicht besonders viele vollwertige Songs. Aber man merkt jedem einzelnen an, das hier jemand komponieren kann, Spannungsbögen zu halten vermag, Leerstellen nicht einfach bedeutungslos auffüllen will. Da ist es letztlich egal, ob die Zeichen auf Disco stehen, auf Walpurgisnacht („Twenties“) oder auf cheesy Fingerschnipp-Ballade („Darkness At The Heart Of My Love“ – was für ein kitschiges Stück Glückseligkeit, bitte?!). Natürlich ist das kalkuliert, nur eben verdammt gut. Und bei aller Eingängigkeit bleiben GHOST in ihren Song-Strukturen dennoch verhältnismäßig interessant – gerade nach hinten heraus wird hier beileibe nicht auf drei Minuten Gesamtlänge geschrieben.

„Impera“ ist rein formal betrachtet wieder etwas gitarrenlastiger und „härter“ als „Prequelle“, ohne dass die Experimente an den Rändern der hymnischen Hard-Rock-Komfortzone zu kurz kommen würden. Wer aber GHOST verstanden und sich auf das Projekt eingelassen hat, dem sollten derlei Feinverortungen jedoch ohnehin ziemlich egal sein. Am Ende haben GHOST mit „Impera“ einmal mehr ein ziemlich gutes Rock-Album mit ziemlich guten Songs vorgelegt, die einmal mehr eine gewisse Zeitlosigkeit schwitzen. Abseits von Maskeraden und Gimmick-Overkill ist das ein großes Verdienst, von dem auch die Metal-Szene profitiert.

11.03.2022
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