Gernotshagen - Ode Naturae

Review

Längere Zeit war es recht ruhig in den Thüringer Wäldern. Doch nun zerreißt nach der starken neuen Scheibe von XIV DARK CENTURIES gleich der nächste Donnerschlag die Stille der Natur. GERNOTSHAGEN sind nach neun Jahren zurück und beehren uns mit ihrem neuen Werk „Ode Naturae“.

Was sich mit „Weltenbrand“ bereits angedeutet hatte, wird nun Gewissheit. GERNOTSHAGEN sind dem doch recht engen Genre Pagan Metal mit „Ode Naturae“ endgültig entwachsen, zumindest in der Form, wie es gewöhnlich interpretiert und dargeboten wird. Die Einstufung Pagan Black hingegen trifft es im Großen und Ganzen eigentlich ziemlich gut, ist aber dennoch an manchen Stellen dann doch ein zu enges Korsett für diese Scheibe. Aber egal, man muss ja schließlich auch nicht alles haarklein kategorisieren.

Die Produktion ist um einiges besser gelungen als bei „Weltenbrand“, diesmal hat wirklich alles den richtigen Platz und Raum im Zusammenspiel der Akteure und Instrumente. Die komplette Rhythmus-Sektion steht wie eine Eins und „Neu“-Gitarrist Roman bereichert die Scheibe mit seinem markanten Spiel. Das Keyboard ist zwar wieder oft präsent, aber nicht aufdringlich, das stellt einen weiteren großen Fortschritt dar. Askans Klargesang wird nur da eingesetzt, wo er auch wirklich passt, ebenso wie die dezenten Chöre. Beides sorgt durchaus für den einen oder anderen Gänsehaut-Moment. Generell kann der Gesang in jeder der unterschiedlichen Stimmlagen absolut überzeugen und fügt sich nahtlos wie ein weiteres Instrument in das komplette Gefüge ein. (Wer entdeckt den Kehlkopfgesang?) Es wurde also insgesamt an vielen kleinen Schräubchen erfolgreich gedreht, genau das macht diese Scheibe so stark.

GERNOTSHAGEN mit dem Sprung nach vorne

Und so sind es auf „Ode Naturae“ auch nicht wie auf früheren Veröffentlichungen einzelne Songs („Dem Skirnir zu Ehren“, „Freyas Schoß“ oder „Sturmbringer“), die besonders herausstechen. Diesmal liefern GERNOTSHAGEN ein komplexes und kompaktes Gesamtkunstwerk ab, bei dem man sich auf gleichbleibend sehr hohem Niveau bewegt.

Auf diesem Album sind es eher die unterschiedlichen Klangfarben und Facetten, die die einzelnen Songs zu etwas Besonderem machen. So ist „Eibengang“ nach dem die Spannung langsam aufbauenden und passend betitelten Intro „Erwachen“ ein hymnisch-epischer Auftakt, der ganz gekonnt auf den Wechsel von harschen metallischen und ruhigeren atmosphärischen Parts setzt. „Eisenwald“ kommt um einiges direkter daher und erinnert eher an ältere Werke. In „Blut Für Die Meute“ findet man neben genialen epischen Passagen auch Blasts. „Fahle Wege“ werden von GERNOTSHAGEN hart, direkt und angenehm schwarz beschritten. Den „Zyklus Tod“ zeichnet seine angemessene morbide Atmosphäre aus. In die „Wildnis“ geht es finster und majestätisch mit feinem MOONSORROW-Einschlag. Und das ausladende und opulente „Transzendenz“ schließlich ist nochmal atmosphärisch sehr dicht und getragen. Dieser auch vom Text her sehr nachdenkliche Song beendet eine sehr emotionale Reise.

Man kann und muss in diese Mucke einfach tiefer eintauchen. Diese Scheibe mal eben so nebenbei nach zehn Bier auf einer Party auflegen und dann hoffen, dass alle ausrastend im Kreis springen, dafür ist „Ode Naturae“ ganz sicher nicht geeignet. GERNOTSHAGEN präsentieren vielmehr ein reifes und erwachsenes Werk, nachdenklich, dunkel und erhaben, dem Albumtitel und leider auch dem Zustand unserer Natur angemessen.

Wer also Trallala-Pagan-Sauf-Hymnen sucht, sollte „Ode Naturae“ ganz einfach meiden, für solche Ergüsse sind andere zuständig. Und wer bei Pagan Metal aus Thüringen immer noch ausschließlich an MENHIR denkt bzw. denen (sicher auch völlig zu Recht) hinterher trauert, sollte spätestens jetzt Abbitte leisten.

„Ode Naturae“ ist einerseits laut schreiend, andererseits nachdenklich sinnierend

GERNOTSHAGEN hetzen nicht, sondern lassen jeden Part in jedem Song voll zur Entfaltung kommen. Vor allem auch dadurch hat die komplette Scheibe eine ganz eigene fesselnde Atmosphäre. Die wechselnde Dynamik verleiht dem Ganzen eine besondere Note und lässt „Ode Naturae“ natürlich atmen und wachsen. Jede Stimmung bekommt ihren Raum zum Gedeihen, jeder Teil hat seinen passenden Platz.

Das ganze Package mit Cover, Bandfotos und Booklet ist ein in sich stimmiges und wertiges Gesamtkunstwerk geworden, das kommt wirklich richtig edel rüber. Da ist eine Band spürbar gereift und (zumindest musikalisch) erwachsen geworden, und das zeigen GERNOTSHAGEN eindrucksvoll auf diesem dunkel glänzenden Silberling.

Mal laut schreiend, mal nachdenklich sinnierend, „Ode Naturae“ hat ganz einfach Tiefgang und jede Menge interessante Facetten. Das Intro startet, du tauchst in die Reise ein, immer tiefer. Und plötzlich ist über eine Stunde rum und du hast das gar nicht realisiert. Man muss sich schon voll auf die Musik von GERNOTSHAGEN einlassen und konzentrieren, doch dann wird sie ihre ganze Pracht entfalten.

15.07.2020
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