Mit „Escape“ läßt GERM, das aktuelle Hauptbetätigungsfeld von Tim Yatras (Ex- WOODS OF DESOLATION, AUSTERE u.a.), sein viertes Album auf die Menschheit los. Nachdem die bisherigen Veröffentlichungen „Wish“, „Loss“ (beide 2012) und „Grief“ (2013) einiges an Staub aufwirbeln konnten, war es seitdem erstmal ruhig um das Projekt.
Nun folgt also „Escape“, ein stark autobiographisch geprägtes Werk des Masterminds Yatras: Das Album behandelt thematisch das Gefühl des Gefangenseins im Inneren wie Äußeren, unter dessen starkem Einfluss Yatras selbst in der Zeit der Albumentstehung stand, begründet zum einen in einer psychischen Erkrankung, zum anderen in der Lebensweise in einer Großstadt und der kalten, entfremdeten Gesellschaft – „Escape“ fußt damit auf dem Wunsch Yatras‘ der Gesellschaft und dem städtischen Leben zu entfliehen. Die musikalische Grundlage, genau diese Geisteshaltung auch glaubwürdig zu vertonen, hat GERM mit seinem selbst als „Experimental Depressive Black Music“ bezeichneten Stil längst gefunden: Ob man nun ALCEST, LIFELOVER oder AMESOEURS als Koordinaten auf der musikalischen Landkarte heranzieht – in der Schnittstelle dieser Bands landen GERM auch auf „Escape“ noch immer.
Was GERM seid „Grief“ ebenfalls nicht verlernt hat, ist der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer dichten und düsteren, ja teilweise verzweifelt anmutenden Atmosphäre. Diese Grundstimmung fußt auf einer gehörigen Portion Depressive Black Metal, setzt aber durch die Anreicherung mit elektronischen Elementen und leichten Melodien einen eigenen Schwerpunkt. Dieser Schwerpunkt ist hier das eigentlich Besondere: Immer dann, wenn er durch beinahe poppige Melodien schön gesetzt wird, dem grundlegenden Black Metal geradezu entkommt, dringen GERM am stärksten durch. So beschreitet „Under Crimson Skies“, durch seine Verbindung des sachte angetippten Gaspedals mit verträumten Melodien, am konsequentesten, was man eigentlich von GERM hören möchte. Und auch das wohlige, zurückgenommene Interludium „V“ transportiert deutlich die Eingangs thematisch beschriebene „Flucht“ in bester musikalischer Form. Dass der Titeltrack zudem selbst in einer ganz besonderen Liga spielt, mit seinem schleppenden Schlagzeug, dem heulenden Gesang und der wirklich zauberhaften, einprägsamen Melodie, sei an dieser Stelle nochmal besonders hervorgehoben – denn genau DAS ist GERM, mitreißend und auf den Punkt gebracht.
Immer dann jedoch, wenn die undurchdringlichen Gitarrenwände im Hintergrund sich zu dominant entwickeln und allzu schwarzmetallisch agiert wird (beispielsweise bei „With The Death Of A Blossoming Flower“) verlieren GERM ihren besonderen Status – Meckern auf hohem Niveaus ist das natürlich, zugegeben. Aber nach einem so überragenden Werk wie „Grief“, dessen Klasse „Escape“ leider nicht ganz erreicht, fallen derartige, kleinere Schwachstellen besonders ins Auge.
GERM ist mit „Escape“ dennoch ein wirklich bewegendes Album gelungen – ein experimenteller Trip zu den dunklen Ecken der Seele.
Könnte der Soundtrack eines (guten) Silent Hills sein, besonders „I’ll Give Myself To The Wind“. Nach den ersten Stichproben gefällt es schonmal.