Vor Jahren, als ich mich in „Rebellion In Dreamland“ und einige andere Songs vom Album „Land Of The Free“ verliebte, wünschte ich mir, dass GAMMA RAY solche Offenbarungen noch häufiger auf die Menschheit loslassen würden. Wie wir alle wissen, geschah das auch tatsächlich. Doch einige Jahre später veröffentlichten GAMMA RAY einen Longplayer, der weit unter meinen und auch unter den Erwartungen der Allgemeinheit lag: „Majestic“. Gerade in diesem Moment, als meine Hoffnungen auf ein besseres Album am Tiefpunkt angelangt sind, überrascht die Band mit „Land Of The Free II“.
So wie sich „Land Of The Free“ als ein konzeptionelles Album mit dem Gefühl von Freiheit versteht, hat sich „Land Of The Free II“ auf gewisse Weise dem selben zentralen Thema verschrieben. Wo „Land Of The Free“ noch beschaulich nach Freiheit verlangte, wirkt „Land Of The Free II“ schon eher wie eine Befreiung im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wo sich Teil Eins noch mit verschiedenen Ansichten zum Thema beschäftigt, ist Teil Zwei bereits das Ergebnis und die Wirkung. Und während ich zu „Land Of The Free“ eher über vergangene Zeiten nachdenken muss (vielleicht habe ich aufgrund des Videos zu „Rebellion In Dreamland“ dieses Bild in meinem Kopf), ist „Land Of The Free II“ ganz eindeutig eher im Hier und Jetzt verankert, in einer Zeit, in der wir alle gemeinsam leben. Daraus resultierend gibt es auf diesem Longplayer wohl auch weniger poetische Songtitel und Lyrics als auf dem ersten Album. Aber die Band greift wieder verstärkt auf harte Drums und schnelle Gitarrensolos zurück, eben auf die Trademarks, die GAMMA RAY im Vergleich zu ähnlichen Metal-Bands ganz klar herausstechen lassen – ebenfalls ganz im Gegensatz zum Vorgängeralbum „Majestic“. Auf „Land Of The Free II“ gibt es wieder öfters diese unverkennbar melodischen Schreie zu hören – nur ein Beispiel: „Insurrection“. Gut, bei so einem Titel erwartet wohl auch niemand wirklich süsse Melodien. Längere Songs, die weder langweilig noch monoton sind und ebenfalls mit längeren Solos glänzen können, charakterisieren dieses Werk. Langsamere Songparts lassen ein wenig zu Atem kommen bevor eine neue Soundlawine den Zuhörer förmlich überrollt – schön anzuhören für jeden, den durchweg schnell gespielte Songs eher langweilen, aber das ist hier nicht der Fall. Ein gutes Beispiel hierfür ist auch der Song „Empress“. Ebenfalls gibt es auf „Land Of The Free II“ verstärkt akustische Songanfänge, wie ich sie von vielen RUNNING WILD-Songs her kenne („Into The Storm“). Ein weiterer Song, der mit einem Solo beginnt, das ich ebenfalls bereits im Zusammenhang mit Rock’n’Rolf kenne, ist der letzte Track auf diesem Album („Insurrection“).
Die Gitarrensolos vermischen eindrucksvoll Energie mit Melodie, was ich als „positive Aggressivität“ bezeichnen würde. „Easy-Listening-Parts“ bilden eine Balance auf diesem Album, wie in „Leaving Hell“ – welcher kein typischer GAMMA RAY-Song ist, um ehrlich zu sein, und sehr viel langsamer als das, was man als bandspezifisch kennt. Hier finden sowohl Keyboardsounds als auch kurze akustische Passagen geeignete Stellen. Wie auch im ersten „Land Of The Free“ Album gibt es auch hier einen Chor, der sich der Harmonie des Songs bestens anpasst. Wie auch immer, die kraftvollsten und wirklich majestätisch anmutenden Chöre gibt es mit „When The World“ auf die Ohren, die den Lyrics mehr Glaubwürdigkeit verleihen, wobei die Melodie und der Gesang zumindest stellenweise von IRON MAIDENs „Flash Of The Blade“ entliehen ist. Ein weitaus aggressiverer Chor ist der in „Insurrection“ und klingt wie ein moderner Feldzug gegen das alltägliche Böse – einer meiner absoluten Lieblingsfilme kam mir beim Hören dieses Songs in den Sinn: „V wie Vendetta“. Wie gut das zusammengepasst hätte, dieser Song und der Film! Hier wird unglaubliche Energie freigesetzt und verbindet sich mit spontanen, lauten und rauen Forderungen nach Freiheit… Auch „Heading For Tomorrow“ kam mir hierzu in den Sinn, ein weiterer langer, komplexer und unvergesslicher Song. „Opportunity“ fällt ebenfalls in diese Kategorie, wobei sich Kai zur Hälfte des Songs ziemlich frech und ganz offensichtlich an IRON MAIDENs „Rhyme Of The Ancient Mariner“ bedient hat.
Drums, Drums, Drums – sie definieren den GAMMA RAY-Stil insbesondere auf diesem Album nachhaltig. Daniel Zimmerman zeigt anhand vieler unterschiedlicher Spielarten, dass er es einfach drauf hat, und „When The World“ beweist dies ganz besonders eindrucksvoll. Auch „Insurrection“ ist hierzu noch ein weiteres gutes Beispiel. „Rain“ erzeugte bei mir spontan den Gedanken an ein schnelles Fahrzeug und eine Fahrt während einem heftigen Platzregen; vielleicht war das auch eine mögliche Ausgangsidee zu diesem Song, jedenfalls empfinde ich hier eine stimmige Atmosphäre und kann darin problemlos eintauchen. Beim letzten Song („Insurrection“) sind es wieder einmal die Gitarren, die sehr melodisch klingen, ohne ihre spezifische Aggressivität zu verlieren. Auch die Drums ziehen erneut besondere Aufmerksamkeit auf sich, da sie schwer „einschätzbar“ klingen. Tatsächlich sind es bei diesem Song beide Instrumente, sowohl die Gitarre als auch die Drums, die „unberechenbar“ sind. Und wenn man sich insbesondere diesen Song mal etwas genauer anhört, fallen einem auch die unterschiedlichen Gitarrensounds auf. Wunderbar!
Fazit: Wenn GAMMA RAY beabsichtigt haben den Erfolg, den sie mit „Land Of The Free“ hatten, zu wiederholen, stehen ihnen mit diesem Album gute Chancen offen. Wer auf kraftvollen, an heutige Produktionen angepassten Metal-Sound der Achtziger und Neunziger steht, sollte dieses abwechslungsreiche Album auf keinen Fall verpassen. „Majestic“ mag gelangweilt haben, aber auf „Land Of The Free II“ trifft das nicht zu. Allerdings sind acht Punkte objektiv gesehen zu viel, weil mich ein paar Dinge einfach stören. Zum Einen sind es die Akustikintros, die zu sehr an RUNNING WILD erinnern, und zum Anderen die offensichtlichen, unüberhörbaren Anleihen einiger IRON MAIDEN-Klassiker oder auch das Intro („Rising Again“), das nicht wirklich zum Album passt – es ist zu gewöhnlich und löst in mir schlichtweg keinerlei Emotionen aus. Es wirkt fehl am Platz, wie aus einer anderen Geschichte bzw. einem anderen Album entliehen und passt vielleicht eher zu einem Werk über Wikinger. Da der Gesamteindruck jedoch positiv ausfällt, gibt es knappe gute sieben Punkte.
Insbesondere die Sache mit den Maiden-Songs (auch frühe Helloween höre ich noch teilweise raus!) ist schon ziemlich herb (dabei hatte Kai doch bisher ziemlich interessante Ideen), aber insgesamt ist LOTF2 – für ein Album einer Band, auf die ich eigentlich gar nicht wirklich kann – tatsächlich gut. Vor allem aber ist das Album sehr abwechslungsreich, und das lässt mich über die o.g. Sache ein wenig hinwegsehen.
Mich hat dieses Album schlichtweg begeistert. Deshalb: 9 Punkte.
Das neue Album ist ein Knaller in jeder Hinsicht. Ich stimme mit dem Autor überein, wenn es um die Überleitung (Rising Again) zu "To Mother Earth" geht. Der einzige schwache Song (in meinen Augen) ist dann auch gleich "To Mother Earth", mit einem Chorus, der einem nach den ersten beiden Durchläufen einen Schauer über den Rücken jagt => Daraus hätte man mehr machen können. Ansonsten knallt das Album ohne Ende und bin der Meinung, dass es auf gleicher Ebene mit "Powerplant", "Land Of The Free" und "Somewhere Out In Space" zu stellen ist. Die Vorgängerscheibe ist nun vergessen und man kann sich endlich wieder an Gamma Ray erfreuen. Zudem ist es genial mit anzuhören wie druckvoll, rauh und dennoch melodisch sich die Songs ins Hirn fräsen und niemals kitschig wirken (ausser Track Nr.4). Deshalb 9/10 Punkte! Anspieltipps: Into The Storm, Rain, From The Ashes