Gallhammer - Ill Innocence

Review

HELLHAMMERs „Apocalyptic Raids“ bewegte für eine welthistorische Sekunde alle Gemüter, um dann nahezu der Vergessenheit anheim zu fallen. Doch sollten sie mit dieser EP ein kreatives Strohfeuer entfachen, dass noch bis heute glimmt und schwelt. Dieses kleine Stück Musik war in dieser heroischen Initiationsphase mehr als nur Freizeittapete oder zu Tode gehypte Bandware, vielmehr hielt es eine aufkeimende Szene fest im Würgegriff. Neue Ausstiegsluken und Notfalltreppen aus der Unität wurden geöffnet, es fand mit seiner pessimistischen und lichtlosen Klangfarbe zahlreiche Nachahmer, die sich folgenschwer ins Geschehen einbringen und Erfolgsgeschichte schreiben konnten. Auch Jahrzehnte später schimmert mit „Ill Innocence“ diese rohe Gewalt der schwarzmetallischen, noch tief im Punk verwurzelten Frühwerke durch.

Allein schon der sehnig zähe Einstieg „At The Onset Of The Age Of Despair“ lässt die Glut HELLHAMMERs, die die aus Tokio stammenden GALLHAMMER liebevoll brüten und hegen, wieder auflodern, um jede Mikroparzelle des rezipierenden Bewusstseins unmittelbar in Brand zu stecken. Der puristisch gehaltene Sound schwingt räudig und stößt ein Tor in die Vergangenheit auf, er ist eine Retrospektive an Bands wie AMEBIX, CELTIC FROST und DISCHARGE. Mürbe und schmutzig, satt und simpel, mit zähneknirschenden Gitarrenriffs und rumpelnden Drums, wummernde Bässe und ein angewidert ausgespienes Geschrei, dass einem die Nackenhärchen zu Berge stehen lässt. „Delirious Daydreamer“ und „Song Of Fall“, die auch vermeintlich etwas von BORIS und den MELVINS haben, ergreifen einen mit ihren blühenden und dornigen Ranken und geben einen nicht mehr frei, so sehr man auch Anstrengungen macht sich loszureißen, bevor einen die schmissig schnellen „Ripper The Gloom“, „Killed By The Queen“ und „Slog“ einholen. Ein souveränes Gestrüpp der unendlichen Perfidität, in dem es fortwährend knistert und brodelt. Ein undurchdringbares Dickicht, aus dem plötzlich ein wildes Tier hervorsprengt und einen angstäugig nieder reißt. Gerade in den Augenblicken, in denen sich der doomige Schleier lichtet und im Uptempo geholzt wird, ist das Trio großartig.

GALLHAMMER sind immun gegen die seelenräuberischen Einflüsse unserer Zeit und konnten sich rechtzeitig vor der Überschwemmung nichtswürdiger Gegenwartsmelodien in Sicherheit bringen. „Ill Innocence“ ist die Negation dessen, was heute als konventionell gilt und folgt bewusst einem entgegensetzten Zeitpfeil. Oder ist es vielmehr ein fortschrittsloser Zustand? Mit Bestimmtheit lässt sich sagen, dass dies kein serviler Versuch ist, arschkriecherisch populären Strömungen hinterher zu hecheln und es allen und jedem recht zu machen. Es ist daher ein gewöhnungsbedürftiger, umso mehr reizvoller Akt, ein stetiges Wechselspiel zwischen Anziehung und Abkehr, der nur allzu vorschnell als dilettantischer Versuch, den knarzigen Appeal dieses angestaubten Ursounds einzufangen, abgestempelt wird. Für meinen Geschmack jedoch ist den Japanerinnen ein spannendes Album gelungen, das sowohl den Punk als auch den Black Metal sehr eigen miteinander vereint.

19.09.2007
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