Four Stroke Baron - Classics

Review

FOUR STROKE BARON gehören zweifelsohne zu jenen Bands, die es schaffen, altbekannte Stile zu etwas ganz neuem und eigenem zu verweben. Und dabei gelingt es ihnen zudem noch, große Unterhaltung zu liefern. Denn das Duo FOUR STROKE BARON aus Nevada kombiniert modernen Progressive Metal mit Stilelementen der 80er New-Wave-Ära. Das klingt erstmal ungewöhnlich, ist es auch – und das ist gut so.

Mit FOUR STROKE BARON zurück in die Zukunft

Mit diesem ungewöhnlichen Genremix konnten sie den Untergrund bisher schon gut aufmischen und haben es sogar zu einem Platten-Deal mit dem Kult-Label Prosthetic geschafft, welches schon Künstler wie GOJIRA oder LAMB OF GOD  beheimatet hat. Auf ihren bisherigen Alben „King Radio“ und „Planet Silver Screen“ klangen FOUR STROKE BARON noch in so, als hätten sich die DEFTONES mit ihrer Vision schon irgendwann in den tiefen 80ern gegründet, nachdem sie eine Show von THE CURE besucht haben. Auf ihrem neuen Album „Classics“, welches kein Best of darstellt, gehen sie noch ein paar Schritte weiter. Hier ergänzen sie ihren Stil um Elemente aus Elektro (aber den guten im Sinne von KRAFTWERK und Co.) und Post-Rock.

Die FOUR STROKEs von BARON DEVIN TOWNSEND

Doch damit nicht genug. Sie haben sich auch einen ordentlichen Schuss DEVIN TOWNSEND gegönnt. Besser gesagt, haben sie sich wohl von dessen Album „Transcendence“ inspirieren lassen. Der Opener „Radium“ beginnt mit leicht verträumtem 80er-Jahre-Elektro, welcher eher NINE INCH NAILS-typische Industrial-Schwünge annimmt, nur um in deftigen Progressive-Gitarrenwänden aufzugehen, die den Großmeister aus Kanada stolz machen würden. Auf dieses moderne Prog-Gewitter prallt dann die im Kontrast dazu schon fast surreal wirkende Stimme von Sänger Kirk Witt. Doch die ungewöhnliche Mischung geht gut auf, man muss sich nur darauf einlassen.

„Classics“ mit sperrigem Start

Lassen FOUR STROKE BARON ihr Album „Classics“ noch sperrig beginnen, setzen sie es mit „Rolling Gloom 1999“ eingängiger fort. So eingängig Progressive Metal eben sein kann. Auch hier kommen die elektronischen Einschübe nicht zu kurz. Nur dass die Band Synthesizer-Klänge verwendet, die man eher aus alten Horrorfilmen kennt. „Stranger Things“ lässt grüßen.

„Khera“ hingegeben beginnt wie ein typischer Song von ANATHEMA, der dann aber wieder vom DEVIN TOWNSEND PROJECT übernommen wird. Bisher noch der stärkste Song. Schonungsloser und direkter geht es in „Prostitute Part II: Pretty Woman (Makes Money)“ und „G.O!“ zu, die mit mehr Headbang-Faktor aufwarten. Den ultimativen Prog liefern FOUR STROKE BARON aber mit „13 Steps to Stockton“ ab. Hier paaren sich Gitarrengewitter mit Dub-Step- und Synthie-Elementen, sodass man kaum weiß, wo oben und unten ist.

FOUR STROKE BARON ohne roten Faden

Die kunterbunte Mischung, die uns FOUR STROKE BARON auf „Classics“ präsentieren, liest sich auf dem Papier zwar nach einem guten Konzept. Ein roter Faden, der sich durch das gesamte Album und die Songs zieht, ist aber nicht immer erkennbar. Das mag am Ende Teil des Konzepts sein und Fans der vorangegangenen Alben hinsichtlich der Experimentierfreudigkeit zufrieden stimmen. Für einen Kaltstart von Neulingen in Sachen FOUR STROKE BARON ist „Classics“ vielleicht ein bis zwei Schippen zu viel des Guten. Auch die stilistische Nähe der Gitarrenfront zum DEVIN TOWNSEND PROJECT lässt manchen Progressive-Metal-Veteranen vielleicht kalt zurück.

Mit „Classics“ zum Klassiker?

Wenn man FOUR STROKES BARON und den wilden Ritt auf „Classics“ zusammenfassen will, klingt es in etwa wie ein Album, bei dem sich Devin Townsend und Robert Smith von THE CURE zu einem Bowie-esquen Zusammenspiel getroffen hätten. Diese Mischung ist gewiss nichts für jeden Fan von progressivem Schwermetall. Gerade der Gesang könnte für einige abschreckend wirken. Wer aber nach der neuen Post Punk Retro-Welle rund um SOFT KILL und Co. nach mehr Härte und neuen Ideen lechzt, wird sich mit Sicherheit ganz gut mit FOUR STROKES BARON anfreunden.

Allerdings sollte man sich vielleicht erst das Vorgängeralbum „Planet Silver Screen“ anhören, bevor man bei „Classics“ einsteigt. Eine wirkliche Hitdichte wie bei „Planet Silver Screen“ ist auf „Classics“ leider auch nicht gegeben. Dafür haben sich FOUR STROKES BARON zu viel den Experimenten hingegeben. Etwas weniger elektronische Einspieler und mehr Riffs hätten ebenfalls für gute Abwechslung gesorgt. Klare Anspieltipps sind dennoch „Khera“, „Sundowner“ (vor allem in Verbindung mit dem genialen Video) und „Prostitute Part II: Pretty Woman (Makes Money)“. Dennoch ist „Classics“ ein solides Progressive-Metal-Album geworden. Es zeigt auch, welches Potential diese junge Band besitzt und lässt auf sehr viel Großes hoffen.

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11.10.2021

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