Fortnight Circus - Artificial Memories

Review

Das „Progressive Crossover“-Prädikat, das sich die Münchner FORTNIGHT CIRCUS selbst verpasst haben, wird auf ihrem Full-Length-Debüt „Artificial Memories“ eigentlich ziemlich überzeugend untermauert. Tatsächlich ist das mal eine Band, die zeitgemäß klingt und doch nicht wie gefühlt jede andere Modern-Metal-Kapelle, die sich für progressiv hält, maximal mittelmäßige Riffs aus der Djent-Grabbelkiste herunter nudelt, am besten noch dazu die abgenutzte Core-Keule schwingt. Allein dafür gebührt dem Vierer Respekt. Das, was die Band rein vom musikalischen Konzept her wagt, wirkt auf dem Papier wahnsinnig, klingt in der Praxis dank kompetenter instrumentaler Umsetzung jedoch gar nicht mal so abwegig.

Progressive Crossover – und FORTNIGHT CIRCUS meinen das ernst

Im wesentlichen – wir berichteten bereits – kombinieren die Münchner den Prog Metal der Spät-Neunziger und Früh-Nuller mit Alternative/Nu Metal der Marke LIMP BIZKIT und Konsorten. Hier treffen mitunter krumme Takte, klassische Keyboard-Läufe und an die Großen des Prog Metal gemahnende Riffs auf all das, was der Metal so sehr zu hassen liebt: Rap-Parts, Synths, Beats aus der digitalen Konserve, Chiptune-Samples und diverse andere Metal-fremde Elemente, die in der metallischen Meute üblicherweise nicht gern gesehen bzw. gehört sind. Das ganze findet in einen organischen Sound zusammen, dem die Absurdität dieser Mischung kaum anzumerken ist.

Doch leider haben sich FORTNIGHT CIRCUS mit „Artificial Memories“ im Speziellen zu viel auf einmal vorgenommen. Das ganze ist als durch eine Story getriebenes Konzeptalbum aufgezogen und scheitert dabei. Das emotionale Dilemma des Protagonisten mit den überzogenen LIMP BIZKIT-Manierismen rüberbringen zu wollen funktioniert beim besten Willen nicht. Und leider nimmt sich die Band auch viel zu ernst, als dass man ihr das wenigstens im übertragenen Sinne abkaufen könnte, sodass man den bitteren Beigeschmack von „Edgy Angsty“-Gepose nie loswird. Besser wäre es in dieser Hinsicht, die Story als bissige Satire oder Groteske zu schreiben, denn das würde zu so einem abgefahrenen Sound besser passen.

„Artificial Memories“ möchte zu viel auf einmal

Eine weitere, größere Baustelle, an der die Band ansetzen sollte, ist der klare Gesang. Der ist nur minimal expressiver als der eines Ed Sheeran, in Sachen Melodien nicht immer ganz zielsicher und gelegentlich – und das geht gar nicht! – mit Autotune versehen. Dazu fehlt es den Gesangsmelodien an Lebhaftigkeit: Sie spiegeln kaum die Peppigkeit der wilden Mixtur wider und grenzen in den schmalzigeren Momenten an Unhörbarkeit. Hinzu kommen akzentuiert dargebotene Passagen, besonders schmerzhaft im Mittelteil von „Devil Inside“ zu hören.

Und nicht zuletzt kommen die Songs nicht immer so auf den Punkt, wie sie könnten. Da spielt sicher auch wieder der Gesang eine Rolle, der seinen Teil zur Langatmigkeit des Albums beiträgt. Kondensation hätte hier Wunder gewirkt. Gerade bei balladesken Momenten wie in „Song Of Broken Words“ schlafen einem schon mal ob der Bleichheit die Füße ein. Der Gesang zieht auch das an sich großartige „Lucid Nightmare“ herunter, das eigentlich ein schickes, quirliges Modern-Metal-Riff sowie eine angenehm weitläufige Melodieführung sein eigen nennt. Weniger wäre an so vielen Stellen einfach mehr gewesen. Der letzte Sargnagel in Sachen Songwriting sind die zum Teil furchtbar banal geschriebenen Texte, mit denen die Münchner bei den neueren, ebenso schwer erträglichen Ergüssen der Kollegen SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR in bester Gesellschaft sind.

Stärken und Schwächen im gleichen Maße

Dafür sitzen die instrumentalen Leistungen, besonders was die Prog-Komponente angeht, wie angegossen. Und auch die Produktion befindet sich angesichts einer Band, die noch mehr oder weniger am Anfang steht und nicht unter den Fittichen eines Major-Labels agiert, auf erfreulich professionellem Niveau. Letzten Endes sollte „Artificial Memories“ also vor allem als Appetizer dienen für alle, die ihre Scheuklappen abzulegen gewillt sind. Sein Ziel, den Mix als Konzeptalbum kompetent zu verpacken, verfehlt das Album natürlich. Doch der Sound ist teilweise schon richtig gut in Szene gesetzt und lässt einen frischen Wind erahnen.

Hoffen wir, dass FORTNIGHT CIRCUS in absehbarer Zeit ein passendes Album zu ihren technischen Qualitäten veröffentlichen, das auch seine Intensität dem Fortschritt der Story anpasst – eine weitere Sache, die „Artificial Memories“ abgeht – und dem Mix der Band gerecht wird. Das darf dann gerne auch kürzer knackiger ausfallen, denn eine Stunde hiervon ist schon happig. Anders ausgedrückt: Das hier vorliegende Scheibchen lässt gelinde gesagt noch reichlich Luft nach oben. Und so dürfen sich FORTNIGHT CIRCUS an das viel zitierte Zeichenbrett zurück beordert fühlen, um die Möglichkeiten ihres Sounds noch weiter zu erforschen…

17.07.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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