Die Londoner Schwarzwurzler FORMICARIUS haben 2017 ihr erstes Album „Black Mass Ritual“ herausgebracht und konnten der ehemaligen Kollegin Frau Kleinertz doch durchaus Lob entrücken. Zwei Jahre später steht mit „Rending the Veil of Flesh“ das Zweitwerk pünktlich zum dunklen Herbst ins Haus. Man bewegt sich im 90-er Black Metal mit Keyboardverzierung im Schlage von CRADLE OF FILTH oder DIMMU BORGIR. Es wird zugegebenermaßen nicht ganz so kitschig, aber man bemüht sich auch um Abwechslung, nicht zuletzt in Form von Gastauftritten von Sakis Tolis (ROTTING CHRIST), Violine und Frauengesang von Morath hinter dem Keyboard , was das ganze dann aus „reinem“ Black Metal dann doch schon heraus holt und deshalb FORMICARIUS in die Ecke eben genannter Künstler stellt.
FORMICARIUS sind routiniert und technisch vorne mit dabei
Die Mitglieder, allen voran Gitarrist Paul Nazarkardeh (u.a. DE PROFUNDIS) haben vorher in diversen Kombos gespielt und somit sicherlich schon einiges unter der Haube an Erfahrung. Das hört man dem Album auch jederzeit an. Es wird ordentlicher und technisch sauberer Black Metal gezockt, wobei Gastschlagzeuger Kevin Paradis (BENIGHTED) ordentlich anfeuert und für die nötige Aggression sorgt. Stimmlich ist Sänger Lord Saunders zwischen den typischen Screams und ABBATH-artigem Froschquaken. Das Songwriting wird routiniert und abwechslungsreich angegangen, hier musizieren definitiv Leute, die über drei Akkorde hinaus sind und viele verschiedene Einflüsse einweben, beeindruckenden Soli, Tempo- und Stimmungswechsel, duale Harmonien, alles vorhanden.
Die Frage die sich dann leider stellt ist, wie die ohne Zweifel talentierten Musiker es nicht schaffen, ihr Schaffen in spannende Songs umzusetzen. Das klappt hier leider nämlich nicht so ganz. Zwar ist man solide im Black Metal verwurzelt und widmet sich schamlos allen Klischees, egal ob bei dem Albumthema (Eine historische Betrachtung der christlichen Fehltritte durch die Jahrhunderte), den Pseudonymen und Songtiteln, macht aber eher den Eindruck von erwartbarem Jahrmarktgrusel, woran die Orgeleinschübe und Synthies nicht ganz unschuldig sind. Aggressive Riffs die sich anbahnen werden davon dann regelrecht zugekleistert und erstickt – so etwa in „Inherit Our Sickness“ oder auch „The Fourth Horseman“.
Erwartbarer Jahrmarktgrusel – „Rending the Veil of Flesh“ ist technisch eindrucksvoll, nimmt aber nicht 100% mit
Diese Orgel liegt einem nicht durch gutes Songwriting auf dem Gemüt, sondern eher weil sie einen an den ähnlich spannenden sonntäglichen Kirchenbesuch als kleiner Bub oder Madel erinnert. Aber auch sonst hat man das alles bei der oben genannten Konkurrenz schon mal und auch durchaus spannender gehört. „Dieu Et Mon Droit“ kann mit dem ruhigen und gefühlvollen Einstieg sowie dem Duett im Chorus zwischen Screams und den von Keyboarderin Morath dabei gesteuerten weiblichen Vocals sich schon fast demnächst bei CRADLE OF FILTH oder NIGHTWISH bewerben und funktioniert vielleicht gerade deshalb fast noch besser als die „traditionelleren“ Songs. Opener und Closer sind immerhin schön flott unterwegs, abwechslungsreich und nicht zu ertränkt in Keyboardkitsch.
Bedrückung oder Spannung kommt musikalisch in der Dreiviertelstunde nicht wirklich durch, obwohl das scheinbar der Anspruch ans Album laut Promotext gewesen ist. Trotz durchaus gutem Songwriting nimmt das Album insgesamt eher weniger mit und rauscht mehr durch, ohne dass auch nach mehreren Durchgängen Highlights hängen bleiben. Auch die Gastmusiker können daran nicht mehr viel reißen. Zu austauschbar, zu beliebig wirkt das Songmaterial. Potential attestiert, Talent auch, allein das Händchen für feine Songs fehlt. Allen aufgeschlossenen Black Metallern, die nicht sofort beim Nennen von heutigen DIMMU BORGIR Reißaus nehmen, zum Reinhören angeraten. Der Kauf bleibt dann die persönliche Entscheidung, ob man noch eine Symphonic-Black-Metal-Platte im Regal neben den Norwegern braucht.
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