Folterkammer - Weibermacht

Review

Was hat uns die Katze denn da vor die Füße gelegt? Klar, ein Deal mit Century Media kommt nicht von ungefähr – doch wer die Herrschaften und die Dame von FOLTERKAMMER unter die Lupe nimmt, reibt sich verwundert Augen und Ohren: Ein paar Männer, die als diabolische Inquisitoren verkleidet sind. Musik, die sich an Black Metal orientiert. Eine junge Frau, deren Oberweite schon fast das Korsett zum Platzen bringt. Ihr pseudo-operettenhafter Gesang, welcher auf Deutsch daherkommt. Texte, die sich um Sadomasochismus drehen. Gelegentliches Gekeife. Hui. Wer sensibel ist, sollte definitiv einen großen Bogen um FOLTERKAMMER machen.

FOLTERKAMMER – Germanophilie aus Übersee

Warum kann Frontfrau Andromeda Anarchia eigentlich so gut Deutsch? Ihre vehementen Forderungen nach „Unterwerfung“ und danach, „ihr die Füße zu küssen“, zeigen ein gutes grammatikalisches Verständnis unserer Sprache – und ähm.. Spezielle sexuelle Vorlieben. Lediglich die eigenwillige Aussprache von „R“ und „U“ verraten ihre amerikanische Herkunft. Wann immer sie keift, klingt sie wie eine Art weiblicher Dani Filth. Wann immer sie trällert, so wie seine diversen weiblichen Gesangspartnerinnen. Fans von CRADLE OF FILTH sind bei FOLTERKAMMER also genau richtig aufgehoben.

Doch es sind beispielsweise diese kleinen pseudo-barocken Passagen in „Anno Domina“ oder dem Intro von „Die Unterwerfung“, welche dem Album das nötige Augenzwinkern verpassen. Ohne genug Humor und ironische Distanz ist der Genuss von „Weibermacht“ nämlich kaum zu ertragen. Der Zuhörer wird von Blastbeats, schnellen Alternate Picking und in übertriebener Stimme vorgetragenen sadomasochistischen Fantasien bombardiert. Das ist zwar alles andere als langweilig, aber auf Dauer zu viel.

Zwischen Raserei und Theatralik

Der Markt für Black Metal ist komplett übersättigt. Auf jeden Fan kommen gefühlt 100 Bands, welche identisch klingen und aussehen. Man muss FOLTERKAMMER anrechnen, dass sie sich audiovisuell von der Masse abheben und ein eigenes Gimmick haben. Natürlich ist man dann eher Dark als Black Metal, aber das ist eben der Preis, wenn man der Sache etwas Frisches hinzufügen möchte. „Orthodoxie“ ist out. Zwar wirkt der überdrehte Gesang etwas aufgesetzt, aber das macht „Weibermacht“ eben noch unterhaltsamer.

Als Zweitlingswerk, stellt dieses Album eine deutliche Steigerung zum Debut „Die Lederpredigt“ dar. Der Deal mit Century Media scheint die Damen und Herren also ganz schön beflügelt zu haben. Die Produktion ist klar, aber nicht zu dick aufgetragen. Der Spagat zwischen Rohheit und Thetralik gelingt so volkommen. Pure Raserei wie „Algolagnia“ gelingt genau so, wie das Album-Highlight „Das Peitschengedicht“.

Folter oder Genuss?

Der Begriff „One Trick Pony“ bezeichnet im englischen Sprachgebrauch einen Künstler, der einem dressierten Pony gleicht, welches nur einen Trick beherrscht. Bei FOLTERKAMMER ist man sich nicht sicher, ob die Band mehr als das darstellt. Obwohl der Silberling nur 8 Songs bietet, hätte er locker 10 Minuten weniger gebraucht, um seine Wirkung besser zu entfalten. Die immer gleichen SM-Klischees und inflationär verwendeten Blastbeats wiederholen sich ad nauseam. Was bleibt, ist ein okaye Scheibe und eine Band, bei der sich erst beim nächsten Mal entscheiden wird, ob sie die nötige Substanz für dauerhafte Relevanz hat.

 

 

 

 

 

09.05.2024

Werbetexter und Metalhead aus NRW.

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