FJØRT - nichts

Review

Nachdem FJØRT im Sommer überraschend ihre Social-Media-Abstinenz beendet und ihr bisheriges musikalisches Werk in Gänze an zwei schweißtreibenden Tagen an den Standorten Hamburg und Köln performt hatten, war irgendwie schon klar, dass da noch etwas kommen würde. Album Nummer vier wurde dann auch unter dem Titel „nichts“ angekündigt, was den einen oder anderen Promo-Kalauer erlaubte, irgendwie aber auch ganz gut in die gefühlte Endzeit der vielbeschworenen neuen Zwanziger passt.

Wut, Verzweiflung und Ermächtigung

Mit „D’accord“, „Kontakt“ und „Couleur“ hatten FJØRT sich zuvor innerhalb weniger Jahre zu einer Konsensband im bestmöglichen Sinne gemausert. Post-Metal, Sludge, Hardcore und viel Energie gekoppelt mit zwar explizit politischer aber oft bemerkenswert eleganter und metaphorischer deutscher Lyrik boten ausreichend Anknüpfungspunkte sowohl für die hiesige Metalszene als auch für die AZ-Crowds der Republik. „nichts“ warf naturgemäß die Frage auf, was die erzwungene Entschleunigung der vergangene Jahre und die damit verknüpften Reorganisations- und Reflexionsprozesse mit der Urgewalt des Aachener Trios gemacht hatten.

Erster Durchlauf, erste Beobachtung: FJØRT sind nicht weniger wütend, dabei aber noch eine Spur verzweifelter. Doch so düster und pointiert sie unser gesättigtes Nichtstun im kapitalistischen System in Songs wie „kolt“ und „lakk“ auch skizzieren, am Ende steht immer eine Botschaft der Selbstermächtigung, die das Ganze dann doch irgendwie erträglich macht: „Ich will dich laufen sehen | gekappte Leinen | Faust und Luft | deinen Namen schreien | nichts beherrscht dich“ und „Wenn es kein Morgen gäb |wo wären wir jetzt?“

Zudem sorgen FJØRT auch musikalisch dafür, dass hier niemand paralysiert den Zuständen verfällt. Ob Uptempo-Hardcore wie in „sfspc“ oder „salz“ oder Sludge wie in „lod“ – tonnenschwere Riffs und Beats finden hier mit mitreißenden aber niemals aufdringlichen Melodien zusammen und es ist keineswegs trivial, was die Band hier zu dritt knüpft. Die Live-Dates für 2023 stehen schon, und das ist auch gut so.

FJØRT machen weiter ganz vorne mit

„nichts“ klingt insgesamt ausdifferenzierter und glänzt durch durchgängig starkes Songwriting auf höchstem Niveau. Wer noch mehr Weiterentwicklung™ sucht, findet auch ein paar ganz neue Elemente wie die Kopfstimme im Opener und Titeltrack oder die schon sprechgesangsartige Rhythmik in „kolt“.

Natürlich kann man den Gesang stellenweise zu eindimensional und manches Wortspiel („Crème de la Scheißdrauf“) blöd finden. Das ändert nichts daran, dass FJØRT ein absoluter Szene-Lichtblick hierzulande sind – und bleiben. Das haben sie mit ihrem (in der Vinyl-Variante übrigens auch ziemlich liebevoll gestalteten) Comeback-Album bewiesen. „nichts“ leichter als das.

12.12.2022
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