Fit For An Autopsy - Oh What The Future Holds

Review

Deathcore ist auch so ein Genre, was aufgrund unzähliger Klonbands in den letzten Jahren mehr wie eine Parodie auf sich selbst wirkte und oft totgesagt wurde, es aber alle Nase lang ebenso schafft, mit neuen, spannenden Bands, die fortschrittlich im Songwriting denken wie SHADOW OF INTENT oder LORNA SHORE, erneut hinter dem Ofen hervorzulocken. Auch FIT FOR AN AUTOPSY konnten schon bei Leuten für Begeisterung sorgen, die sonst eher nur marginal etwas mit diesem Genre zu tun haben (etwa „The Sea Of Tragic Beasts“ bei unserem Black-Metal-Redaktions-Veteranen Stephan Möller).

Die Art und Weise von FIT FOR AN AUTOPSY, neue musikalische Einflüsse gekonnt mit den genretypischen Stilmitteln wie harten Breakdowns und „crunchigen“ Riffs zu kombinieren, scheiterte oftmals bei ähnlich gelagerten Bands. Aber die Jungs aus New Jersey sind über die Jahre wie ein guter Wein gereift: Ständiges Arbeiten an sich selbst und das Entwickeln von nachvollziehbarem, aber ständig interessant bleibendem Songwriting machen da den Unterschied zwischen aufgesetzter Deko und wirklich guten Songs.

FIT FOR AN AUTOPSY drehen nur an kleinen Stellschrauben, mit großer Wirkung

Auch das Gespür für feine Melodien (das emotionale Finale von „Collateral Damage“  bleibt tagelang im Kopf) und Verständnis für spannendes Songwriting bringen FIT FOR AN AUTOPSY eine ganze Menge weiterer qualitativer Alleinstellungsmerkmale, eigentlich schon seit „Absolute Heaven Absolute Hell„, auch wenn der Rezensent persönlich erst mit dem Beitrag zu den „The Depression Sessions“ 2016 eingestiegen ist. „Oh What The Future Holds“ ist vielleicht von der Entwicklung der Band her betrachtet nicht so „experimentell“ oder vorwärts denkend in dem Rahmen geraten wie die Vorgänger anno dazumal (etwa die neu gefundene Experimentierfreude auf „The Great Collapse„), es wird sich gefühlt hingegen mehr um gute und abwechslungsreiche Songs im kompakten Format bemüht.

Aber das berühmte Stellen an den kleinen Stellschrauben macht dann doch schon eine ganze Menge aus. Während der Deathcore-Anteil im Sound ordentlich ist, aber ein um das andere Mal in Riffs, wie auch Gesang von Joe Badolato teils verdächtig nach einem gewissen CJ Mahon und den Australiern THY ART IS MURDER klingt, sind eben die unerwarteten Ausfahrten, welche die Songs oft stattdessen nehmen, das eigentlich Interessante an FIT FOR AN AUTOPSY.

Steigt nach dem Titeltrack als überlanges Intro gleich darauf „Pandora“ wie gewohnt mit fetten Riffs und auch schmeichelnden Melodien ein, ist das schon einmal gute Ware im Körbchen des Hörers. Doch gerade ungewöhnliche Songtexturen, wie die an moderne GOJIRA erinnernden Riffs (genauer sogar deren „poppige“ Songs wie „Another World“)  in „Far From Heaven“ lassen besonders aufhorchen. Kleine, aber feine Experimente wie dieses kombiniert mit gewohnten Songs, wie dem flotten und rabiaten aber auch eingängigem „In Shadows“, das mit einem massiven Schlag in die Magengrube brutal ausklingt, sorgen für die nötige Würze und halten das Hörerlebnis spannend anstatt erwart- und somit austauschbar.

Auch die Rhythmus-Gruppe rund um Bassist Peter Spinazola (der erneut einen massiven Sound beschert bekommen hat) und Schlagzeuger Josean Orta muss unbedingt lobend erwähnt werden: Viele nette kleine Spielereien und ungewöhnliche Entscheidungen (das tribalartige, an SEPULTURA zu „Roots“-Zeiten erinnernde Pattern in „A Higher Level Of Hate“ als nur ein Beispiel von vielen) in der dazugehörenden Rhythmik als Pulsgeber für die Songs erheben noch einmal über das Genre-typische Geblaste und mittlerweile echt totgespielte Half-Time-Schema, welches hier nichtsdestotrotz ebenso teils vorhanden ist, heraus.

„Oh What The Future Holds“: Für FFAA wahrlich nur gutes, wenn sie diesem Pfad weiter folgen

Ein „Savages“ täuscht mit sirrenden ARCH ENEMY-Leads am Anfang an, um nur darauf dann gewohnte Deathcore-Breitseite auszupacken, im Chorus aber eingängige, Faust-pumpende Mitsing-Parts auf Stadion-Level dazu zu nehmen. Auch „Two Towers“ als bedächtig und zerbrechlich beginnender und sich im Verlauf mächtig aufbauender Song mit einer Prise Epik zeigt mittlerweile ein Songschreiber-Niveau, nach dem sich 90% der heutigen Deathcore-Bands die Finger lecken sollten. Will Putney hat über die Karriere der Band als hauptverantwortliche Person fürs Songwriting und Mixing wie auch Produktion der Alben eine gewaltige Entwicklung durchlaufen und das macht sich durchaus hörbar bezahlt.

Eine neue gewonnene Verletzlichkeit und Emotionalität der un-cheesigen Art (hat da wer Metalcore oder auch „Teehee“ gesagt?), wie sie etwa auch auf dem aktuellen WHITECHAPEL-Album „Kin“ zu finden ist, hat sich ebenfalls über die Jahre bei FFAA eingeschlichen und steht ihnen außerordentlich gut, auf dem neuen Album etwa im Closer „The Man That I Was Not“ zu hören. „Oh What The Future Holds“: Sollten FIT FOR AN AUTOPSY sich weiterhin auf einem solchen Niveau durch ihre Karriere bewegen, dann sollte in der Zukunft nur Gutes anstehen. Die Frage ob das neue Album nun besser als „The Sea Of Tragic Beasts“ oder „The Great Collapse“ ausfällt hinsichtlich der Bewertung in Punkten ist angesichts einer derart konsistenten und hochwertigen Diskographie dann ein bisschen Haarspalterei.

12.01.2022
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