Die US-Metaller FIFTH ANGEL bedürfen eventuell einer kurzen Vorstellung, vor allem bei den etwas jüngeren Fans. Die Band aus Bellevue, Washington veröffentlichte zwischen 1986 und 1989 zwei großartige und originelle Melodic-Metal-Alben, die entgegen des Zeitgeistes gar nicht so sehr nach QUEENSRŸCHE und Konsorten klangen, sondern mit leicht kommerziellem Appeal gewisse Ähnlichkeiten mit etwa DOKKEN hatten. Größter Trumpf von FIFTH ANGEL war damals Sänger Ted Pilot, der inzwischen vom Musik-Business die Nase voll hat und als erfolgreicher Zahnchirurg arbeitet. In den Achtzigern war FIFTH ANGEL trotz fantastischem Sänger, fantastischen Platten und einem Deal mit Roadrunner kein großer Erfolg vergönnt; die Band spielte nicht mal ein einziges Konzert. Immerhin war sie der Karrierestart für den inzwischen bei FLOTSAM & JETSAM (und vielen weiteren) spielenden Drummer und Produzenten Ken Mary.
Selbigem ist es auch zu verdanken, dass FIFTH ANGEL 2018 mit “The Third Secret” ein respektables Comeback-Album mit Ur-Gitarrist Kendall Bechtel am Gesang veröffentlichen. Nun hat sich Bechtel leider zwar schon wieder verkrümelt, dafür ist der andere Ur-Gitarrist Ed Archer wieder am Start und durch Ken Marys FLOTSAM-&-JETSAM-Kollegen Steve Conley verstärkt. Außerdem hat die Truppe mit dem bisher unbekannten Steven Carlson einen neuen Sänger in den Reihen, der auf “When Angels Kill” einen guten Job erledigt, aber nicht ganz an Ted Pilot heranreicht.
Noch die gleichen FIFTH ANGEL?
Die Turbulenzen im Line-up lassen es vermuten und auch ein Blick auf das hässliche und deplatzierte Cover Artwork wirft die Frage auf, ob es sich hier noch um die gleichen FIFTH ANGEL handelt. Ernsthaft Leute, die Verschmelzung aus billigen Klischees und schlechten Photoshop-Kenntnissen erinnert so sehr an B-Klasse-RPGs von 2008, dass man “When Angels Kill” im Plattenladen mit jeder Wald-und-Wiesen-Power-Metal-Combo verwechseln könnte. Zumindest, wenn man ein Album im Stile der Achtziger erwartet hat, bereitet es zudem Mühe, die Band auch musikalisch wiederzuerkennen. Das schnarchlangweilige Konzept der Platte (ein Mann wird von dunklen Visionen heimgesucht, diese werden Realität, blah, blubb …), welches das Album durch eine Überzahl an gesprochenen Intros und Interludien künstlich in die Länge zieht und ihr viel Dynamik raubt, setzt den negativen Vorurteilen schließlich die Krone auf. Können die “Angels” überhaupt noch “killen”?
“When Angels Kill” entfaltet sich
Es bedarf einiger Zeit, bis “When Angels Kill” funktioniert. Die gesamte Band besticht durch Spielfreude und Energie, kann diese auch über die komplette Spielzeit hindurch aufrechterhalten, nicht so leider die Spannungskurve. Dafür ist das Album, wie bereits gesagt, schlicht zu lang, wobei sich die Songs untereinander hinsichtlich Tempo und Struktur sehr ähneln. Nach einiger Zeit entpuppen sich aber Stücke wie der Titelsong, “Resist The Tyrant”, “Run To The Black” oder “Five Days To Madness” als starke, zeitgenössische US-Metal-Songs, deren Produktion zwar etwas klinisch wirkt, ihnen aber den nötigen Punch verleiht. Man muss akzeptieren, dass FIFTH ANGEL inzwischen wesentlich schroffer und härter klingen als in den Achtzigern. Besonders die virtuose Gitarrenarbeit ist hervorzuheben, ebenso das erwartungsgemäß intensive Drumming. In seiner Gesamtspielzeit stören aber die bereits monierten Interludes den Fluss des Albums; zudem führt das Konzept zu textlichen Plattitüden (“On Wings Of Steel”, “We Are Immortal”), die für Muttersprachler des Englischen eigentlich ein No-Go sein sollten. Einige mag das nicht stören; auf andere könnte es sehr störend wirken. Daher diplomatische sieben Punkte.
Ein wirklich schönes Melodic Metal album, dass nicht mit allen Songs überzeugt, aber definitiv mit Bangern wie Resist the Tyrant oder Five Days to Madness.