Fester - Silence

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

„Silence“ ist die zweite CD der norwegischen Band FESTER, und obwohl sie damit Ende 1994 ein unerhört originelles Album am Start hatte, war die Veröffentlichung für die Norweger nicht gerade ein durchschlagender Erfolg: Eine Tour mit AT THE GATES und DISSECTION musste abgesagt werden, da der Bassist noch zur Schule ging, und außerdem lagen sie mit ihrem Sound nicht gerade im Trend. Schließlich feuerte Norwegen zu jener Zeit gerade aus allen Black-Metal-Rohren, und da war ein solch riffbetontes Album eher ein Nischenthema.

FESTER lagen nicht im Trend

Gitarrist und Sänger Rolf Tommy Simonsen bekannte dann auch in einem zeitgenössischen Interview: „Ich mache mir (…) keine allzu großen Illusionen über Verkaufszahlen und all das Drumherum.“ Womit er recht behalten sollte: Als ihr österreichisches Label Lethal Records 1996 die Tore schloss, hatte sich die Band längst schon aufgelöst – ganz so, als hätte sie ihren Peak erreicht. Oder es ging zu diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr. Fakt ist: 1999 wollten es die Norweger noch einmal wissen und hatten kurz darauf beim schwedischen Label No Fashion einen neuen Plattendeal in der Tasche. Doch kaum wurde „Silence“ wiederveröffentlicht, verstarb plötzlich Bassist Jørgen Skjolden an einer Überdosis, und FESTER waren einmal mehr Geschichte – diesmal bis 2010, als der zweite Gitarrist und Sänger Bjørn „Tiger“ Mathisen die Band ein weiteres Mal und mit neuer Mannschaft aus der Versenkung holte.

Was machte aber „Silence“ so anders und besonders? Musikalisch ursprünglich im Black Metal zu Hause, gelang es FESTER, einen eigenen Weg zu hörbareren Klangstrukturen zu finden. Es gibt eine lose Verwandtschaft zu TIAMAT zu „Clouds“-Zeiten: Beide Bands verstanden es, (dunkle) Emotionen in ihre Musik einfließen zu lassen. Naturgemäß unterscheiden sich aber bei Alben voneinander, da die Songwriter ihre eigenen Gefühle mit unterschiedlichen Symbolen verbinden. Im Falle FESTERs ist es der Rabe, dem eine besondere Rolle in den Texten zukommt. „Der Rabe ist für mich ein Symbol von Kummer und Trauer“, sagt Rolf Tommy Simonsen. Gleichzeitig lassen die Norweger den Raben zu Beginn des zentralen Songs „Silent Is The Raven“ schreien: „The Raven screams!“

„Silence“ hat eine lose Verwandschaft

Anders als die Schweden verzichten FESTER zudem weitgehend auf Keyboards und setzen, wenn es sein muss, auf Gitarrenarpeggien. Der Einstieg des eröffnenden „Dream“ ist so ein Fall, wo die Gitarristen nachvollziehbar über die Saiten huschen und der Bassist melodiös einstimmt – bevor der Song hakelig riffend fortgeführt wird. Das abschließende „Nar Noen Dør“ wiederum geht mit Akustikgitarren, flächigen Synthesizern und gefühlvollen Gitarrenleads in Richtung PINK FLOYD, womit sich der Kreis hin zu TIAMAT wieder schließt.

Dazwischen liegen aber Songs voller riffender Gitarrenläufe. Das Riffing ist teilweise richtig thrashig, aber weniger im Sinne des im Wort verankerten „Dreschen“, sondern eher im Sinne eines schreddernden Riff-Flusses, der einerseits harsch klingt, andererseits sehr melodisch. Ein Charakteristikum ist sicherlich, dass die Gitarrenläufe niemals einen Selbstzweck haben, sondern immer den Song fortführen – Schaulaufen auf den sechs Saiten gibt es also nicht, was allerdings nicht bedeutet, dass die Stücke leicht zu spielen sind. Im Gegenteil: Allein die Fülle an Motiven und Variationen ist beeindruckend. Die locker-leichte Spielweise aus dem Handgelenk tut ihr übriges.

Flüsternder Gesang

Ein Markenzeichen von „Silence“ ist neben dem Gitarrenspiel der Gesang: Mal flüsternd, mal hinterhältig zischend – beschwörende „Voices From The Woods“, die bis auf das anfängliche Schreien des Raben in „Silent Is The Raven“ nicht viel mit schwarzmetallischem Krächzen zu tun haben. Ehrlicherweise ist das am ehesten der Grund, warum sich einige Black Metaller mit „Silence“ schwer tun (oder taten), aber hier funktioniert es ganz wunderbar. Voraussetzung ist natürlich eine gewisse Offenheit.

Das gilt – wie schon dargelegt – auch für die Gitarrenarbeit, die eben kein Tremolopicking auffährt und von schwarzmetallischer Raserei Abstand hält. Stattdessen erschaffen die Gitarrist mit lockerem Handgelenk ein ungemein vielseitiges und auch melodisches Album – vergleichbar mit einem Künstler, dessen Pinselstrichen man im Detail nicht immer folgen kann, der aber durch die entscheidenden Kniffe am Ende ein tolles Kunstwerk gemalt hat.

Lockeres Handgelenk, leichte Spielweise

Und das ist „Silence“ durchaus: Ein Album, das zu seiner Veröffentlichung vielleicht nicht Massen an Fans angezogen hat; aber diejenigen, die sich darauf eingelassen haben, hat das Album bewegt. Und es ist bis heute unvergleichlich. Kein Wunder, dass No Fashion das Album 1999 mit neuem Mastering, veränderter Songreihenfolge und anderem Artwork neu herausbrachte. Bis es aber noch einmal neues Material von FESTER zu hören gab, dauerte es bis 2012 und der Scheibe „A Celebration Of Death“ (die ihrerseits, wenngleich anders, merkwürdig war).

30.10.2024

- Dreaming in Red -

Shopping

Fester - Silencebei amazon46,11 €

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37234 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

3 Kommentare zu Fester - Silence

  1. ClutchNixon sagt:

    Tolles Album, welches ich damals mit der für mich besten Sentenced einsackte, dass im Gegensatz zu letztgenannten und ihrem Amok allerdings leider nie die Aufmerksamkeit bekam, die ihm in einer gerechteren Welt zugestanden hätte.

    9/10
  2. nili68 sagt:

    Gegen die Musik ist nichts zu sagen, aber vielleicht liegt’s an diesem merkwürdigen Flüster-Gesang, der evtl. nicht jedermanns Fall ist? Bei mir scheitert es bei vielen Bands ausschließlich an den Vocals, egal wie der Rest ist. Nur ’ne Theorie, kann ja andere Gründe haben..

  3. doktor von pain sagt:

    Dieser „Flüstergesang“ ist auch mal gar nix für mich. Rein instrumental gefällt mir der verlinkte Song echt gut, aber die Stimme verhagelt es mir.