Corvus Corax - Der Fluch des Drachen

Review

Da ist es nun also – das weltweit erste Fantastical. Nach der Neuvertonung der “Camina Burana“ haben sich CORVUS CORAX ein weiteres Mal aufgemacht, um etwas völlig Neues auszuprobieren: Die Kreuzung eines Musicals mit einer fantastischen Geschichte sowie den dazu passenden mittelalterlichen Musikinstrumenten. Heraus gekommen ist der “Fluch des Drachen“, eine fantastische, von Marcus Heitz ersonnene Geschichte, die mit elf sehr unterschiedlichen Liedern angereichert wurde. Was Euch im kompletten, auf zwei Silberlinge verteilten, Fantastical erwartet, werdet ihr in Kürze hier lesen können. Für heute wollen wir Euch einen umfassenden Einblick auf die dazugehörige Musik-CD, quasi den “Soundtrack“, geben.

“Nimmer mehr“ (Die Ballade von Adamas)

Der Opener, Das Lied des Schmiedes Adamas, gleicht dem sanften Einstieg in ein Abenteuer. Ist da zunächst nur eine langsame, von seichten Harfenlauten begleitete Flötenmelodie, führt uns nachfolgend das von getragenen Paukenschlägen begleitete Gesumme in ein weit entferntes Königreich. Der entsprechend getragene Gesang von Marcus Gorstein und der nachdenkliche Text zeigen gleich, wie viel Mühe sich alle Betiligten gaben, die einzelnen Bestandteile (Text, Gesang, Instrumente) aufeinander abzustimmen.

“Gesegnet und hoch geachtet“ (Der Song von Shigeru)

Eine nach östlichen Landen klingende Melodie und dazu passende Gongschläge eröffnen den Song von Shigeru, der abermals äußerst passend von Alea der Bescheidene (SALTATIO MORTIS) intoniert wird. Besonders auffällig ist die interessante Tempovariation zwischen dem getragenen Refrain und den schnellen, treibenden Strophen. Auf jeden Fall gehört dieses Lied, dass sich tatsächlich wie der Song eines Heiligen anhört und voller Hochachtung ist, zu den musikalischen Highlights auf dem “Fluch des Drachen“.

“Die sieben Aufgaben“

Ein leicht schelmenhaftes Gepfeife und dazu der Sound der Mundtrommel – gleich die ersten Töne lassen erahnen, welches Gemüt sich hinter dem König verbirgt, der hier die Bedingungen zur Erreichung seines Thrones beschreibt. Ansonsten passt die Stimme von Castus (CORVUS CORAX) bestens zum recht fröhlichen, leicht überheblich klingenden Klangkonstrukt, in dem immer mal wieder die Akustikklampfe hervorsticht.

“Wann werd ich frei sein“ (Leandras Lied)

Des großen Kriegers Tochter Leandra wird von der Potsdamer Musicalsängerin Maxi Kerber intoniert, die den in den Worten versteckten Kummer gesanglich bestens in die passend zurückhaltende Orchestrierung zu betten vermag. Gleich dem sehnsuchtsvollen Prinzessinnensong des nächsten großen Disney-Trickfilmhits, schleicht sich diese, wunderbar mit Harfenklängen gespickte, Ballade in unsere Gehörgänge. Die klare Stimme und dezente Hintergrundchöre passen abermals sehr gut zur gewählten Orchestrierung und Thematik des Songs.

“Werd keinen verschonen“ (Der Song von Alchemos)

Das ist doch mal typischer CORVUS CORAX Sound, in dem Trommeln und Dudelsäcke den Ton angeben. Hinzu kommt eine Stimme (Norri von CORVUS CORAX), die in ihrer rauh-rauchigen Art sehr gut dem entspricht, was die Fantasie beim Worte Alchemisten erwarten mag: Sie klingt tatsächlich genau nach etlichen Jahren der Arbeit in tiefen Kellerlaboren – also dem Ort, an dem sich die Alchemisten in meiner Fantasie aufhalten. Welche Rolle dieser auch immer im “Fluch des Drachen“ spielen mag – eine allzu lustige dürfte sie nicht sein. Trommeln und Dudelsäcke, der fast schon gehässige Gesang sowie der nahezu komplette Verzicht auf chorale Unterstützung lassen in ihrem Zusammenspiel eher eine geheimnis- und machtvolle Aura entstehen.

“Wild und frei“ (die Hexe Runa)

Das, von einer äußerst ohrwurmtauglichen Flötenmelodie getragene, und recht mystische Intro erweckt zunächst den Eindruck mitten in einer “Vikings“-Folge zu stecken, bevor nach rund 40 Sekunden der krasse Bruch einsetzt und klar wird: Hier passen Titel und Musik noch besser zusammen als die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Die Hexe Runa (Ji-In Cho von KRYPTERIA / AND THEN SHE CAME) lässt nicht nur den Met regnen, sondern zwingt quasi jede und jeden zum Mittanzen. Ein äußerst fröhliches Lied, dass durch seine leicht daher schwingende Art jede Menge Partystimmung verbreitet. In seiner Gänze auf jeden Fall ein weiterer Höhepunkt im “Fluch des Drachen“.

“Lied der Liebe“ (Runa, Adamas und Leander)

Um es ganz kurz auf den Punkt zu bringen: Hier kommt Minnegesang der allerersten Schlagergüte. Wie es sich für einen Disneyfilm gehört, scheint auch ein Fantastical nicht ohne eine äußerst kitschige Liebesballade auszukommen. Abgesehen vom enorm hohen “Fischer-Silbereisen-Faktor“ ein Duett zweier wunderbar harmonierender Stimmen. Wem das Ganze zu kitschig oder schnulzig geraten sein sollte, sollte nur Vorspulen und nicht gleich das ganze Lied skippen: Gegen 2:34 mischt sich die dunkle Stimme des Kriegers Leander (Holly Loose von LETZTE INSTANZ) in das Duett, was einen äußerst interessanten Break und Klangmoment erzeugt.

“Ein stolzer mächtiger Krieger“ (Leanders Song)

Ein weiteres Highlight des Fantasticals, das auch bestens in den “Cantus Buranus“ gepasst hätte. Das Zusammenspiel von Kampfestrommeln und römischen Hörnern sowie die ausgewählte Sangesstimme umschreiben die hier dargestellte Rolle des Überkriegers ein weiteres Mal äußerst gut. Die an einen Kriegstanz erinnernde Vertonung gehört zu den eher düsteren Stücken im Fantastical, stellt aber gleichzeitig auch den Song dar, der am deutlichsten an die mittelalterliche Musik erinnert, mit der man CORVUS CORAX sonst wohl am ehesten verbindet.

“Das Reich wird mein für alle Zeit“ (die Prinzessin und der König)

Abermals ein sehr schön gelungenes Duett und Zwiegesang, in dem vor allem der Gegensatz der glasklaren Prinzessinnenstimme (Katja Moslehner, ex-FAUN) und der düsteren Stimmfärbung ihres Vaters hervorstechen. Außerdem sehr gut gelungen ist auch die, der jeweiligen Stimme entsprechende, instrumentale Untermalung. Außerdem findet sich hier gleich nach dem einführenden Duett eine längere Passage ohne Gesang, in der man die einzelnen mittelalterlichen Instrumente sehr gut raushören kann.

“Hab so geliebt“ (Lied des Feindes)

Ein weiterer recht düsterer Song, vorgetragen in einem sehr getragenen, fast kompletten Sprechgesang, der aber sehr gut passt. Auch hier trägt die gewählte Orchestrierung, aus der verschiedene Trommeln und Flötenpfeifen hervorstechen, sehr zum finsteren Grundton bei. Für alle, die auf besonders liebevolle Kleinigkeiten achten, lohnt sich hier die Suche nach einem besonderen “Gimmick“ der textlichen Untermalung.

“Kommt herbei und feiert mit“

Auch beim letzten Song weichen CORVUS CORAX (und alle weiteren Stimmen des Fantastical) nicht von der bis hierhin zelebrierten Linie ab: Stimmauswahl, Texte, Melodien und gewählte Instrumente passen äußerst gut zusammen. Dementsprechend sorgen ein feierlicher Gesang und schwingende Rhythmen für die fröhlich-melodiöse Untermalung, zu der man sich bestens vorstellen kann, wie die versammelte Dorfgemeinschaft losgelöst und erleichtert ums Lagerfeuer tanzt. Eigentlich möchte man direkt mittanzen, bei diesem, gute Laune verbreitenden Rausschmeißer.

Fantastical = fantastisch? Ja!

Klar könnte man an dieser Stelle sagen „Da steckt zu wenig CORVUS CORAX drin!“ Das wäre allerdings viel zu kurz gegriffen. Zwar klingen viele der Lieder tatsächlich nicht unbedingt nach dem, was auf einem üblichen Album der Kolkraben zu finden ist. “Der Fluch des Drachen“ ist aber eben auch kein übliches Album, sondern muss viel eher wie der Soundtrack zu einem Film – also in diesem Fall zum weltersten Fantastical – gesehen werden.

Und, wenn man die Lieder des Fantastical unter diesem Aspekt betrachtet, so dürfte eigentlich niemand darum herumkommen, anzuerkennen dass die Könige der Spielleute hier einen äußert imposanten Facetten- und Variantenreichtum ihrer Kunst präsentieren. Die Vielfalt der Stimmen, die sich Dank der zahlreichen Gastsänger und -sängerinnen, realisieren ließ und die noch viel größere Zahl der offen hörbar dazu eingesetzten, fantastischen Mittelalterinstrumente sorgen nicht nur dafür, dass jeder der elf Songs seine eigene kleine Geschichte erzählt. Vielmehr machen sie aus dem Fantastical etwas wahrhaft Fantastisches, auch wenn sie auf einer CD ohne Rahmengeschichte doch ein wenig rahmenlos wirken.

24.07.2017
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