Fantômas - Suspended Animation

Review

Mike Patton ist Musiker. Er zwingt sich zum Experiment und lotet immer wieder aufs Neue Grenzen aus. Nicht zum Selbstzweck, sondern aus reinem Forschungsdrang. Dabei liegen all seine Ansätze jenseits handelsüblicher Konvention. In welche musikalischen Gefilde es ihn auch verschlägt: Er überrascht mit jeder seiner Veröffentlichungen. Mit FAITH NO MORE kokettierte er mit dem sanften Mainstream, mit PEEPING TOM stillte er seinen Appetit auf beatlastigen Pop, mit MR. BUNGLE durchpflügte er das Terrain des Rock – doch FANTOMAS ist sein Projekt, seine Spielwiese, auf der er ohne Rücksicht auf Nervenkostüme wütet, die er kontrolliert, auf der er sich trollt und dem Wahnsinn folge leistet. Patton hat hier das Musikmachen für sich definiert und diesmal eine kleine Kalendermusik für vier Musiker geschrieben.

Jedes einzelne Stück auf „Suspendend Animation“ steht für einen Apriltag. Und gewiss: So hat man den Frühling noch nie rufen und frohlocken gehört. Dieses Album stellt die Realität gründlich auf den Kopf. Es ist knallhart geschnittenes Kopfkino, ein bis ins kleinste Detail durchkomponiertes Auf und Ab zwischen sakralem Bombast, verstörender Beklemmung und infernalisch brutalen Thrash-Eruptionen. FANTOMAS klamüsern mit schier unglaublicher Präzision und Akkuratesse Klangfetzen und Samples, schrille Geräusche und zähneknirschende Töne zu dreißig grässlich-faszinierenden Adrenalin-Injektionen zusammen, beschwören dabei eine Atmosphäre herauf, die sich dem Mantel der Sprache zu entziehen sucht.

Niedliche Comicfigürchen heißen einen willkommen, um dann ihre rasiermesserscharfen Hauer auszufahren; sie springen einen an, zerkratzen einem das Gesicht, schütteln einen durch. Sphärisches Flimmern, Handclaps und leierndes Nintendo-Gegniedel finden Halt in einem aufwühlenden, fetten Gitarrenriff. Inmitten des mechanischen Geräusch-Ensembles thront die Gesangs-, oder vielmehr noch: Stimmakrobatik Pattons, dem die Beschaffenheit seines Kehlkopfs keine Grenzen setzt – als sei er stimmlich das Spitzenprodukt der Evolution entlockt er seinen Stimmbändern schrille, aber auch sanft verklärte Töne, schmettert Arien und hummelt Unverständliches.

„Suspendend Animation“ ist eine spannende Delikatesse, allerdings nur für Leute ohne Ressentiments gegen tonale Absurditäten; das gewiss. Aber: In welchen Tiefen fischen diese Lärm-Experimentalisten? Sind FANTOMAS visionär oder schlicht belanglos? Musikalische Terroristen oder ambitionierte Aufklärer für die vom braven Mainstream abgestumpften Sinnesorgane? Das sind nur schwer zu beantwortende Fragen, die auch letzten Endes jeder für sich beantworten muss.

23.08.2008

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