Viele sich Naturmotiven bedienende (Black-Metal-)Cover wirken schlicht grauenhaft einfallslos bis bestenfalls bewusst klischeehaft; so, als habe man mangels Kreativität einfach ein Foto von der letzten Zelttour missbraucht oder einem mäßig talentierten Kumpel mal eben Papier und Pinsel in die Hand gedrückt. Ganz anders im Falle von „The Light That Dwells In Rotten Wood“, dem zweiten offiziellen Album der US-Amerikaner FALLS OF RAUROS: Das Bild der mächtigen dunklen Felsen, die dort trist und halb verborgen im Nebel liegen, könnte kaum eindrucksvoller und zur Musik passender sein.
Das seit 2005 aktive Quartett aus Maine, dem nordöstlichsten Zipfel der Vereinigten Staaten von Amerika, erinnert mit seinem eindrucksvollen Folk-beeinflussten Black Metal an eine tiefer im Schwarzmetall verwurzelte Version seiner Landsmänner AGALLOCH. Abgesehen von drei kürzeren instrumentalen Stücken wie dem mysteriös-bezaubernden „Nonesuch River Chant“ gibt es mit „Banished“, „Awaiting The Fire Or Flood That Awakes It“ und „Silence“ lediglich drei Nummern mit Gesang – diese erstrecken sich dafür aber allesamt über zehn Minuten und mehr. Innerhalb dieser fesselnden Kompositionen pendeln FALLS OF RAUROS stets zwischen Sanftmut und Aggression: Berauschend schöne Melodien und gedankenverlorene Akustikpassagen existieren neben energischen, jedoch nie rasenden Ausbrüchen, die von kraftvollem, mitunter von Verzweiflung zerfressenem Gekreische nach vorne geworfen werden und den Hörer wie Äste ins Gesicht peitschende Böen treffen. Dabei erscheint alles wunderbar harmonisch, die unterschiedlichen Elemente und Stimmungen wirken so natürlich miteinander verwachsen wie das Unterholz eines Waldes, den seit Jahrhunderten kein Mensch mehr betreten hat.
Auch wenn dies wahrlich eines jener Alben ist, bei denen man kein Stück gesondert hervorheben sollte, bildet „Awaiting The Fire Or Flood That Awakes It“ so etwas wie das Herz der Platte: Wenn nach einem langen Marsch über sonnengeflutete Lichtungen und durch dichte, latentes Unbehagen weckende Tannenwälder nach geheimnisvollem Geflüster bei etwa elf Minuten der markerschütternde Schrei erklingt, dann ist das so, als würde man eines spektakulären Naturschauspiels gewahr und sich dabei erst der Erhabenheit der Gewalten vollends bewusst.
Man findet sie nicht oft, Alben, auf denen die Anmut der Natur besungen wird, ohne dass das Werk dabei aufgrund seiner eigenen Belanglosigkeit anmaßend und lächerlich wirken würde. „The Light That Dwells In Rotten Wood“ ist knapp hinter großartigen Scheiben wie ULVERs „Bergtatt“ oder „HEart Of The Ages“ (ja, so geschrieben) von IN THE WOODS… eines dieser seltenen Exemplare, ein Kleinod des Folk Black Metal, das mit seinen Klanglandschaften zum Schwelgen, Nachdenken und Entfliehen einlädt – leider eine Viertelstunde kürzer als das vorangegangene FALLS OF RAUROS-Album „Hail Wind And Hewn Oak“ von 2008. Kurzum, mit diesen Musikern, die in den nördlichen Appalachen ihre Inspiration finden, darf man dem amerikanischen Black Metal eine weitere äußerst fähige Band attestieren.
Fast nicht vorstellbar, dass das tatsächlich Amerikaner sind. Sehr starke Platte!