Fall From Grace - Sifting Through The Wreckage

Review

Die einen werden es schwul finden, die anderen feiern. Den einen ist es zu lasch, die anderen fühlen sich gerockt. Die einen… und so weiter und so weiter. Damit ist eigentlich schon hinreichend der Diskurs umrissen, den FALL FROM GRACE mit ihrem Debütalbum „Sifting Through The Wreckage“ unumgänglich aufwerfen werden. Für die Band ist das als absolut positiv zu werten, da es den Bekanntheitsgrad in die Höhe schnellen lässt und jenen, denen die Musik gefällt, wird es sowieso egal sein. Bleibt für den Rezensenten die unheilvolle Aufgabe, sich für eine der beiden Seiten entscheiden zu müssen. Und da dieser sich (bestenfalls) die Entscheidung auf keinen Fall leicht machen will, stellt er zuerst einmal die Pros und die Contras auf, damit sowohl die Hasser als auch die Liebhaber genug Munitionsvorrat für das anstehende Gefecht im Morgengrauen haben.

Für die Band sprechen die Eingängigkeit der Songs und die Energie, die jeder einzelne vom Rundling zum Hörer transportiert. Angefangen beim Opener “Hated Youth“, der mit leichtem PAPA-ROACH-Einschlag daher kommt und mit unter drei Minuten zwar sehr knapp gehalten ist, man dennoch aber nicht das Gefühl hat, dass nicht alles gesagt wurde. Das gilt generell für fast alle Lieder. Jedes ist in sich abgeschlossen, es bleiben keine offenen Fragen zurück. “King Of Lies“ steht dem in Sachen Rock in absolut nichts nach und offenbart im Refrain die ganze Bandbreite hinterm Mikro. “The Last Straw“ zieht das Tempo noch einmal an, hält kurz inne und spielt dann den Soundtrack zu deinem Sommer. Ich hab schon lange keinen Rocksong mehr gehört, der es schafft, derart gute Laune zu versprühen. Es folgt so etwas wie ein kleiner Übersong mit großem Hitpotential. “Burned“ hat eigentlich alles, was man erwarten kann. Eingängigkeit, gepaart mit OFFSPRING-Chören im Refrain und einer ordentlichen Portion Geschwindigkeit.

Dem gegenüber stehen eine ganze Reihe Songs, die zwar nett sind, aber nicht ganz in der vorderen Liga können. “Wake Up My Friend“, “Destroy The Champion“ haben den Startschuss verpasst und bleiben in den Startlöchern hängen, das balladeske “Pictures On The Wall“ hat man so oder in ähnlich abgewandelter Form schon von tausend anderen Teenie-Gruppen gehört… und nein: Auch nach dem tausendsten Mal wird es nicht besser! Das wieder etwas rockigere “Covered In Scars“ klingt wie eine Neuaufnahme der ersten Lieder, kann aber immerhin durch ein Gitarrensolo punkten. Trotzdem: Die Songs verlieren gegen Ende zunehmend an Härte und reihen sich nahtlos in die Reihe anderer Rockbands ein, die zwar erfolgreich sind, aber ganz sicher nicht durch herausragende musikalische Leistung punkten.

Ein anderer Punkt, der mir negativ aufstößt, ist das Proklamieren der tragischen Hintergrundgeschichten der einzelnen Bandmitglieder. Egal, ob das jetzt gesundheitliche, familiäre oder andere tragische Schicksale sind. Die Art und Weise, wie das hier nach außen gekehrt wird, ist für meinen Geschmack etwas zu dick aufgetragen und rücken das Musikalische – und darum soll es ja eigentlich gehen, oder? – zu weit in den Hintergrund. Aber das ist wohl letztlich auch Geschmackssache. Wenn METALLICA das dürfen, kann man FALL FROM GRACE keinen Strick daraus drehen…

Dass sich diese Art von Musik verkaufen lassen wird, steht außer Frage. FALL FROM GRACE haben bereits die breite Öffentlichkeit von sich überzeugt, indem sie einen Millionen Plattendeal gewann und sich gegen 16 andere Bands in einer Reality Show durchsetzten. Ich kann den Songs ihre Qualitäten nicht absprechen, ihnen aber auch keine Absolution für den später einsetzenden Verweichlichungsprozess geben. Daher werde ich auf dem Hügel in der Mitte stehen bleiben, wenn die Schlacht dann losgeht, und mir das ganze von oben anschauen. Unterhaltsam dürfte es auf jeden Fall werden. So ist das eben mit Bands, die im Rampenlicht stehen (wollen).

03.07.2009
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