Extreme - Six

Review

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Das letzte Album „Saudades De Rock“ der US-amerikanischen Hard Rocker EXTREME ist ja auch schon ein paar Tage alt. 15 Jahre zählt das Album tatsächlich im Jahre 2023, was es umso beeindruckender macht, dass das hier vorliegende neue Album „Six“ in unveränderter Besetzung aufgenommen worden ist. Was kann die Hard-Rock-Legende um Nuno Bettencourt diesjährig und nach solch langer Pause hervorzaubern? Der Vorgänger hatte seinerzeit auch lange auf sich warten lassen, präsentierte sich dann mit relativ Funk-lastigem Rock der hymnischen, weniger hart zupackenden Sorte mit einer sofort wiedererkennbaren Identität. Ist es ein Instant Classic? Vermutlich nicht, aber unsereins hat nach wie vor seine spitzbübische Freude mit dieser Platte. Wie sieht es mit dem neuen Album aus?

EXTREME minus Funk = „Six“

Zumindest muss sich „Six“ zunächst einmal nicht vorwerfen lassen, per se ein schlechtes Album zu sein. Im Gegensatz zu „Saudades“ geht es hier etwas erdiger, gelegentlich Glam-lastiger („Banshee“) und weit weniger funkig zu; den Funk kommt im Grunde nur noch auf Ausreißern wie dem leicht nach AUDIOSLAVE klingenden Song „X Out“ reduzieren, der dann aber zur Hook einen erfrischenden Schlenker hin zu moderner Sinnlichkeit macht. Die Produktion von Saitenhexer Bettencourt kommt mit ordentlich Druck versehen daher und die Pyrotechnik, die er teilweise auf dem Griffbrett abbrennt, lässt einen selbst in den uninspiriertesten Momenten nicht kalt. Dazu gibt es immer mal wieder nette Ausflüge in andere stilistische Territorien, „Other Side Of The Rainbow“ beispielsweise ist ein überraschend kompetenter, Heartland-artiger Rocker und bei „Hurricane“ wird es sogar richtig folkig, was die US-Amerikaner ebenfalls stimmungsvoll meistern.

So ganz ohne den Funk fühlt sich „Six“ irgendwie teilweise aber auch wie irgendeine x-beliebige Rock-Platte an, deren Alleinstellungsmerkmale eben Bettencourts Flitzefinger und der markante Gesang von Gary Cherone bleiben, der sonst aber irgendwie auch nicht wirklich viel mehr ist; es ist fast so, als wären die Songs aus einer beiläufigen Jam-Session heraus entstanden, was zu einigen zwar grundsoliden, aber auch nicht immer wirklich herausragenden Rockern führt. Das einleitende „Rise“ klingt total trocken aus der Hüfte geschossen und lässt sich als solches definitiv mehr zu den Gewinnern von „Six“ zählen, dagegen klingt „Banshee“ etwas weniger inspiriert, wenngleich auch immer noch mehr als brauchbar.

Die US-Amerikaner greifen dabei leider ein paar Mal daneben …

Dann lassen sich EXTREME aber immer wieder zu Schulden kommen, was man auf neudeutsch vermutlich als Cringe bezeichnen würde. „#Rebel“ ist so ein Fall, bei dem es zugegeben weniger die wenn auch reichlich plakativen Texte gegen Tastaturkrieger und mehr die „Nananas“ sind, die man in der Form eher von einem P!NK-Song erwarten würde. Bei „The Mask“ leisten sich die US-Amerikaner einem Song, der oft nur ein paar klebrige Synths von IMAGINE DRAGONS entfernt ist. Das folgende „Ticker Than Blood“ hätte genauso gut aus irgendeiner peinlichen, heuer obskuren „Komödie“ aus den 90ern stammen können. Und was das total deplatzierte, nutzlose Söngelchen „Beautiful Girls“ hier soll, das klingt wie von irgendwelchen talentbefreiten Deutschpop-Möchtegerns geschrieben, lässt sich an dieser Stelle nur mutmaßen.

Das klingt jetzt alles weitaus dramatischer, als es glücklicherweise ist, denn letztendlich ist „Six“ fernab seiner Schlappen unterhaltsam genug, um sich die eponymischen sechs Punkte locker zu verdienen. Es wäre halt mehr drin gewesen, wenn die US-Amerikaner hier und da etwas mehr Mut zur eigenen Identität gezeigt und den unnötigen Ballast abgeworfen hätten, auch wenn einige Experimente wie „X Out“ durchaus Früchte tragen. Natürlich kann man an dieser Stelle einfwerfen, dass das ständige Messen an „Pornograffiti“ auch nur Gatekeeping ist, aber EXTREME sind nun mal vor allem dann eine massive Wucht, wenn sie ihren Hard Rock so richtig wild und funky in Szene setzen. Aber wie eingangs geschrieben: Selbst in den uninspiriertesten Momenten lässt einen Bettencourts Saitenhexerei nicht im Stich und Hooks können die US-Amerikaner immer noch schreiben. „Six“ tut damit abseits seiner  ausgewählten Rohrkrepierer niemandem weh und kann daher weitestgehend gefahrlos angetestet werden.

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15.07.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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