Die Messlatte für orchestrale Arrangements im Metal liegt mittlerweile verdammt hoch, zumindest wenn man sich hinreichend ernst nimmt und nicht mit der Power-Metal-Käseplatte Kasatschok tanzt. Mittlerweile sind die Samples so gut geworden, dass die Verpflichtung eines tatsächlichen Orchesters schon gar nicht mehr so beeindruckend aussieht. Kann man natürlich sehen, wie man will, aber als Band sollte man da mit der Zeit gehen. Und welche Formation will sich in diesem Rennen um den dicksten Bombast schon die Blöße geben? Definitiv nicht diese hier: EXANIMIS (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Band aus Australien) sind eine 2015 von Musikstudenten der Music Academy International gegründete Band aus Nancy, die sich dem symphonischen Death Metal verschrieben hat und mit „Marionettiste“ ihr Debüt vorlegt.
Auf den Spuren von FLESHGOD APOCALYPSE?
Um es mal ganz platt auszudrücken und den Namedrop, der bei diesem Sound einfach von der Zunge springt, direkt loszuwerden: Dem brutalen Symphonic Death der Italiener FLESHGOD APOCALYPSE stellen EXANIMIS ein französisches Pendant zur Seite. Eine Kopie ist „Marionettiste“ deswegen nicht geworden, aber die Wucht und technische Finesse der Death-Metal-Komponente erweckt eben doch Assoziationen. Wenn sich dann noch die elaboraten, breitbandigen Orchestral-Arrangements dranschmiegen, kommt man praktisch gar nicht umhin, diesen Namen fallen zu lassen. Diese Arrangements sind dabei so hochwertig und ausgefeilt, dass sie locker mit den Italienern mithalten können, in Sachen Dramaturgie und Subtilität aber dennoch von WILDERUN ausgestochen werden.
Will sagen: „Marionettiste“ ist großes Kino für die Symphonic-Metal-Gemeinde, die es ohnehin lieber auf dick aufgetragenen Cheese und Pomp anlegt. Und damit werden sie auch voll bedient. Der Cheese wird dabei in den gelegentlich überzogen „geschauspielten“ Spoken-Word-Passagen serviert. Beim Bombast geht es indes weniger „royal“ zu wie bei den Italienern, es herrscht mehr eine gewisse, cineastische Horror-Thematik vor, die mal etwas romantischer, mal etwas expressionistischer, dabei stets mit Sinn für die große, orchestrale Geste inszeniert wird. Einige Elemente erinnern dabei gar an die düstere Epik von HOLLENTHON, nur eben mit deutlich pedantischer ausgearbeiteten Ochestral-Arrangements. Man höre hierzu nur einmal den Auftakt zum Sechzehnminüter „Cathedral“.
Virtuoses Puppentheater: EXANIMIS platzen mit Bombast ins Geschehen
Die Franzosen verzichten weitestgehend auf klaren Gesang. EXANIMIS streuen zwar vereinzelte Spoken-Word-artige Passagen wie in „Cogs, Gears and Clockworks“ ein, aber es regiert zumeist die todesmetallisch typische Brutalität ohne große Abzweigungen in zugänglichere Gefilde. Aggressive, gutturale und voluminöse Growls stehen an der Tagesordnung. Sänger Alexandre Dervieux behält sich dabei aber eine gewisse Grundverständlichkeit inne, auch hier bewahren sich die Franzosen also eine zweckdienliche Humorlosigkeit. Klargesang taucht dennoch in „The Slow Flow Of The Spume On The Shore“ auf – schwachbrüstiger Gesang, der dem Hörer ein zusammenzuckendes „Uff!“ entlockt und für den sich Dervieux vermutlich besser einen Gastsänger zur Unterstützung hätte einladen sollen.
Die Herren haben sich also schon ihre eigene Nische im symphonischen Death Metal ausgehoben, auch wenn der Blick des Hörers zwangsläufig immer mal wieder in Richtung Italien wandert. Das liegt vermutlich aber auch daran, dass EXANIMIS noch keinen langfristigen Brecher auf dem Debüt platziert haben. Es wirkt fast so, als wollten sich die Franzosen mit ihrem Debüt erstmal so richtig die Hörner abstoßen. Entsprechend werden sämtliche Muskeln zur Schau gestellt, teilweise zu Lasten memorabler Songs. „The Wrathful Beast“ leidet unter repetitivem Songwriting, „Cathedral“ hätte auch eine Stutzung um mindestens sechs Minuten gut getan, überhaupt hätte dem Album eine kürzere Spielzeit gut getan. Und halt die Sache mit „The Slow Flow“. Dafür geht „Throne Of Thorns“ gut rein.
„Marionettiste“ könnte der Anfang von etwas Großem sein
Musikstudenten hin oder her: EXANIMIS stehen definitiv noch am Anfang ihrer Karriere, legen mit „Marionettiste“ aber ein beeindruckend ausgearbeitetes Album vor, dem es definitiv nicht an handwerklichem Feinschliff mangelt, sieht man mal von dem kleinen Ausrutscher mit dem Klargesang in „The Slow Flow“ ab. Wie geht es von hier aus weiter? In jedem Falle erstmal (hoffentlich bald) auf die Bühne mit den Jungs, denn diesen Sound sollte man im Ohr behalten. Da könnte etwas richtig Großes im Busch stecken. Ansonsten sei „Marionettiste“ aber jedem begeisterungsfähigen Kuttenträger ans Herz gelegt, der sich für Bombast-Death begeistern und den ein oder anderen Schnitzer wohlwollend hinnehmen kann.
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