Evo - Warfare

Review

Einst saß Paul Evo hinter den Kesseln für die legendären WARFARE. Nach denen hat der Brite nun sein erstes Full-Length-Solo-Album benannt. „Warfare“ ist von ihm zum Großteil im Alleingang aufgenommen worden. Die Liste an Gastmusikern ist dennoch beeindruckend und enthält neben Lips von ANVIL auch den THE DAMNED-Bassisten Paul Gray sowie Fast Eddie Clarke, einst Gitarrist von MOTÖRHEAD. Und EVO strotzt vor Selbstbewusstsein und lässt laut Pressemitteilung verkünden: „I have come back after 25 years to kick your teeth out, what does that tell you?“ Eine ganze Menge, wie sich herausstellt.

„Warfare“ beginnt poetisch – buchstäblich. Das Intro „Screaming At The Sea“ ist eine Art Gedicht, in der EVO seinen Werdegang paraphrasiert – und das erstaunlich atmosphärisch und mitreißend. Schön ist hier auch, wie der Rausschmeißer „Stardust“ den Bogen hin zum Intro wieder schlägt. Und die Ansage „Here I am, about to rock!“ aus dem Intro geht fließend über in den ersten richtigen Song „Cemetery Dirt“. Hier offenbart sich auch erstmals einerseits die große Stärke, andererseits die eklatante Schwäche von „Warfare“.

EVO sorgt für Metal-Punk-Anarchie – und das nicht immer im positiven Sinne

Zunächst einmal: Der Mann hat nichts an Biss und Schmutz eingebüßt. Der Song schert sich wenig um filigrane Strukturen, sondern überrollt den Hörer mit purer Energie. Die Gitarren tragen reichlich Dreck, während EVO selbst mit seinem rauen, aggressiven Gesang eine ordentliche Figur macht. Will sagen, er liefert einige eingängige Hooks, die sich dank seiner Reibeisenstimme in die Gehörgänge hinein bohren. „Pure Filth“ macht einfach nur Spaß, ebenso wie „Burnt Out“.

So weit, so gut, doch was einem viel eher ins Gesicht springt, ist die Produktion – und das nicht aus gutem Grunde. Hier wird der Hörer nicht nur mit (im positiven Sinne) versiffter Power überrumpelt. Viel mehr ist es diese massivst übersteuerte Loudness, welche die Songs teilweise extrem chaotisch klingen lässt. Das mag beabsichtigt gewesen sein, klingt aber einfach nicht gut. Gerade die Gitarren, so schön schmutzig sie auch klingen mögen, nerven nach spätestens drei Songs nur noch ohne Ende. Das ganze hat den Charakter eines bescheiden produzierten Clubkonzertes, bei dem der Toningenieur keine Ahnung von Tuten und Blasen hat. Das beste am Sound ist der knorzige Bass, der klanglich rettet, was zu retten ist und dem lauten Durcheinander das nötige Maß an Konturen verleiht.

Es ist ein Jammer, dass „Warfare“ durch diesen unmöglichen Sound so sehr zu leiden hat. Denn die Songs machen durchgehend Laune. EVO beweist nach wie vor ein Händchen für griffiges Songwriting und bietet diese auch mit reichlich Energie dar, ohne sie zu straff zu gestalten. Die Punk-„Ästhetik“ von WARFARE scheint jederzeit wiedererkennbar durch, auch dank seiner markigen Stimme. Doch zerschießt er sich auf „Warfare“ so viel Potential mit einer anstößigen Produktion, die vielleicht Attitüde, aber ansonsten kaum Vorzüge aufweist, sondern schlicht und ergreifend nervt. Und so wird, was ein großartiges Comeback hätte sein können, „nur“ gut.

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06.06.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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