Aus Polen kennt man neuerdings eher andere Black-Metal-Töne als die aus dem Hause EVILFEAST – mit dem modern ausgerichteten, tendenziell finsteren Black Metal der Marke MG?A oder BLAZE OF PERDITION hat das Soloprojekt des RAVENMOON-SANCTUARY-Keyboarders GrimSpirit zumindest wenig zu tun. Stattdessen erinnert „Elegies Of The Stellar Wind“, das erste EVILFEAST-Album seit „Wintermoon Enchantment“ von 2011, an die atmosphärisch-ambienten Großtaten der Black-Metal-Szene, Namen wie BURZUM, wie MIDNIGHT ODYSSEY, wie PAYSAGE D’HIVER oder LUSTRE schießen beim Hören des insgesamt fünften EVILFEAST-Albums unweigerlich durch die Gedankengänge. Das bedeutet natürlich, dass das neue Werk der One-Man-Army aus Otwock nahe Warschau nicht unbedingt das Rad neu erfindet. Aber in einer Zeit, in der immer mehr Bands „atmospheric“ mit sterbenslangweiligen Endlos-Wiederholungen und „Mimimi“ verwechseln, ist „Elegies Of The Stellar Wind“ trotzdem ein willkommener Anachronismus.
Der Winter legt sich auf die Landschaft, die Reise beginnt
Denn das fünfte EVILFEAST-Studioalbum klingt, wie gesagt, wunderbar nach den alten Großtaten dessen, was man heute „Atmospheric Black Metal“ nennt, lässt dabei aber durchaus jenen eigenständigen Stil durchblicken, der bereits die letzten EVILFEAST-Alben zu mehr als nur ordentlichen Werken gemacht hat. Die sechs überlangen Stücke – der kürzeste Track läuft gut acht, der längste gut 15 Minuten – winden sich durch kalte, verschneite Landschaften, die jedoch nichts mit Winterwonderland zu tun haben, sondern dabei tatsächlich lebensfeindlich und eisig klingen. „Winter Descent’s Eve… I Become The Journey“ als Titel des zweiten Songs auf „Elegies Of The Stellar Wind“ darf dabei als programmatisch für den Klang des Albums angesehen werden – der Winter legt sich auf die Landschaft, das Album wird zu einer Reise durch eben diese.
EVILFEAST – Atmospheric Black Metal since 1998!
Diese atmosphärische Reise setzt der Kopf hinter EVILFEAST handwerklich stimmig und künstlerisch anspruchsvoll um, wobei jener Anspruch vor allem in der Tatsache liegt, dass der Grat zwischen Genrezitaten und eigener Stilistik bei EVILFEAST recht schlank ausfällt, aber trotzdem gemeistert wird. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass der Pole trotz seiner relativen Unbekanntheit auch schon seit 1998 dabei ist und so genügend Zeit hatte, auch die heutigen Stereotype mitzugestalten und als Genrestandard festzulegen. Trotzdem: Im bereits genannten „Winter Descent’s Eve… I Become The Journey“ möchte man verdammt sein, wenn man im Mainriff nicht das BURZUM-Frühwerk hört, in „Lunar Rites… Beholding The Towers Of Barad-Dur“ die PAYSAGE D’HIVER-Meisterwerke, in „Archaic Magic… A Centopah Below The Cursed Moon“ LUNAR AURORAs früheren Riffwahnsinn.
„Elegies Of The Stellar Wind“: archaisch, atmosphärisch, melodisch, spannend
Und trotzdem macht all das gar nichts – denn „Elegies Of The Stellar Wind“ klingt so wunderbar archaisch, gleichzeitig atmosphärisch dicht, melodisch zum Niederknien und songschreiberisch spannend, dass es doch mit dem, ähm, Teufel zugehen müsste, wenn dieses Album EVILFEAST nicht endlich mal in die Riege der über den Underground hinaus bekannteren Namen befördern würde. Ein Album für alle, die Atmosphäre mögen, denen aber die immer gleichen Riffs und das Geweine ob innerer Konflikte, die heuer so modern sind, auf den Sack gehen. Dass Soundfetischisten und Fans von Perfektion lieber was anderes hören sollten, als Geld für diese Platte auszugeben, sollte sich von selbst verstehen.
Also meine Tasse Tee ist dies mal so gar nicht und die gute Bewertung eines Rezensenten den ich eigentlich für seinen Musikgeschmack schätze, führe ich auf einen prinzipiellen Polen-Hype zurück, der hin- und wieder dazu führt, dass man vergisst, das im Ostblock auch nur mit Wasser gekocht wird. An eine qualitative Hausnummer der Sorte BIESY, BLAZE OF PERDITION oder MGLA kommtdieses „Werk“ unabhängig des Sound-Unterschiedes zu keinem einzigen Zeitpunkt heran. Auch kann ich keine Reminiszenzen oder gar eine Hommage an Bands wie PAYSAGE D’HIVER oder BURZUM entdecken: Das ist billigste Kopie und zwar streckenweise rrrrichtig schlecht. Natürlich müssen die Tracks dann auch noch meistens über 10 Minuten Spieldauer mitbringen, damit einem auch so richtig schön die Galle hoch kommt, endlose WIederholungen langweiliger Parts. Wer braucht das wirklich, insbesonder aufgrund wirklich tonnenfacher grandioser Release in den letzten Jahren? Also ich nicht.
Ich brauch das! Album des Jahres 2017!
Ich auch! Zwar nicht als Album des Jahres 2017, aber als Erinnerung an eine Zeit vor dem ganzen schöngetriggerten und verpappten BM der heutigen Tage. Und ja, auch ich höre frühe Burzum in besagtem Titel.