Labelwechsel, düsteres Artwork – alles neu im Hause EVERGREY? Alles sicherlich nicht und man kann geteilter Meinung sein, ob „A Heartless Portrait: The Orphean Testament“ insgesamt düsterer ausfällt als bisher. Sänger und Gitarrist Tom Englund hat dazu jedenfalls seine eigene Meinung, die Ihr im Interview zur neuen Platte nachlesen könnt. Ob es sich beim mittlerweile 13. Longplayer der Göteborger um einen Neuanfang oder eher um Veränderung in homöopathischen Dosen handelt, klären wir dagegen hier und jetzt.
EVERGREY – Ein Plus an Dramatik
Ja, düster klingen die beiden eröffnenden Songs und Vorab-Singles „Save Us“ und „Midwinter Calls“ schon einmal, aber das ist nun wahrlich nichts neues im Universum der Schweden. Was man beiden Nummern definitiv attestieren kann ist ein ordentliches Plus an Dramatik, auch erzeugt durch die Publikumschöre, die zwar auch andere Bands schon eingesetzt haben, hier aber doch für die ein oder andere Gänsehaut sorgen können. Aber auch ohne den Overkill an Aufnahmespuren bleibt eines: Beide Songs gehen sofort ins Ohr und wurden nicht von ungefähr als Singles ausgewählt.
In „Ominous“ wird es zumindest thematisch wirklich düster. Es geht um Mobbing, darum wie die Betroffenen versuchen davonzulaufen, aber ihr Rückzugsort erbarmungslos zerstört wird. Wer EVERGREY kennt weiß aber bereits, dass es dabei natürlich nicht bleibt, sondern immer ein Licht am Ende des Tunnels, ein Ausweg gezeigt wird. Die Flamme des Protagonisten ist nicht erloschen, er macht weiter, um all die schönen Dinge zu erleben, die das Leben noch bereit hält. Klar, keine neue Botschaft, aber eine wichtige. Mit dem extrem eingängigen „Call Out The Dark“ hält das Album im Anschluss noch einen weiteren, schnell ins Ohr gehenden Hit bereit, der direkt zündet.
Auch im weiteren Verlauf haben EVERGREY ihr Pulver noch lange nicht verschossen – lediglich die großen Ohrwürmer finden sich eher am Anfang der Platte. Das ausladende „The Orphean Testament“ zeigt sich verschachtelt, stellt hart groovende Riffs verträumten Leads gegenüber und Keyboarder Rikard Zander liefert sich ein tolles Solo-Duell mit dem Gitarrenduo Englund/Danhage. Ein Song der mit jedem Durchlauf wächst, was im Übrigen auch für den zweiten Sechsminüter „The Great Unwashed“ gilt. Die Ballade „Wildfires“ klingt erst einmal ungewohnt, geht sie doch in eine andere Richtung als beispielsweise die ruhigen Songs auf „The Storm Within“. Dennoch gilt auch hier: Dran bleiben ist angesagt, so fügt sich die Nummer am Ende perfekt ein und bildet letztlich einen gelungenen Abschluss.
Intensiv wie selten zuvor – „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“
Düsterer, weniger episch – aber so intensiv wie selten zuvor. Das trifft, plakativ ausgedrückt, wohl ungefähr den Kern vor allem der ersten Hälfte, obwohl „A Heartless Portrait (The Orphean Testament)“ am Ende natürlich trotzdem ein typisches EVERGREY-Album geworden ist. Während ganz besonders auf „The Atlantic“ noch die ganz großen Epen abgefeiert wurden, machen die Göteborger hier einen kleinen Schritt zurück, erinnern teilweise an frühere Alben wie „Recreation Day“.
Einer hingegen macht einen deutlichen Schritt nach vorne und das ist Tom Englund höchst selbst. Vermutlich nicht zuletzt durch das „Seitenprojekt“ SILENT SKIES zeigt der charismatische Fronter neue Varianten seiner Stimme, vor allem in den höheren Lagen und stellt den Gesang auch wieder stärker in den Vordergrund als zuletzt. Wird das jedem gefallen? Vermutlich nicht. Aber eines beweist „A Heartless Portrait“ ganz sicher: Stillstand ist nicht die Sache von EVERGREY, die es auch im Jahre 2022 schaffen ihrer Musik neue Facetten hinzuzufügen, so dass es sowohl für die Band selbst als auch für den Zuhörer spannend bleibt. Chapeau!
Schon interessant, wie Kernschrott wie Crematory wieder mal einige Kommentare provoziert und ein fantastisches Album dieser schrecklich unterschätzen Band kommentarlos durchrutscht. Reinhören sei stark empfohlen, auch wenn hier nichts unfassbar anders ist als auf den letzten 4 Alben.
Kontrovers ist besser als gut zu sein. Die Leute wollen Drama und keine Qualität.
Zu Evergrey? Meh. Die sind zwar härter und so, erinnern mich aber irgendwie an Nickelback..
@ TrVeManSchoh
Sehe das wie du aber so lange ist das Album ja auch noch nicht raus. Wieder mal ein totaler Grower.
Bin persönlich nicht so begeistert von dem Werk, ich glaube ich habe da schon deutlich stärkeres von denen gehört. irgendwie klingt das relativ beliebig auf mich, kann gar nicht so genau sagen woran das konkret liegt. Vielleicht erschließt sich mir der Grund noch.
Mir gefällt das Album besser als der Vorgänger.
Bei Evergrey wurde eben mittlerweile alles bis zur Perfektion durchkonzipiert und -produziert. Produktion dank J. Hansen mal wieder sehr dick und groß und weit. Musikalisch in den bewährten Fahrwassern unterwegs. Tom „Autotune“ Englund singt eben seine typischen, ureigenen (Metal-untypischen, beihnah poppig/soulig-en) Melodiebögen. Nichts Neues unter der Sonne, aber (Verdammt!) es funktioniert halt einfach. Für mich. Immer wieder. Im Gegensatz zu Septicflesh & co. fallen mir bei Evergrey unzählige Real-Life-Szenarios ein, in denen ich mir deren Musik anhören kann, ohne über- oder unterfordert zu sein.
Ob das über weitere 3-4 gleichartige Alben wirklich „funktioniert“, ist natürlich fraglich..
Puh Evergrey zu bewerten, wenn man mal dem Sog erlegen ist ist echt schwer. Es sind auch hier so schöne Momente drauf. Trotzdem für mich einfach doch in Summe einer der schwächeren Outputs.