Eins steht fest: Es muss für eine Band sehr schwer sein, ein neues Album zu schreiben, wenn die Erwartungen der Fans, Plattenfirma und Presse darauf extrem hoch sind. Nun gut, das Vorgängeralbum „The Open Door“ konnte sich zwar gut verkaufen, beinhaltete aber nicht solche Übernummern, wie es das Debüt „Fallen“ hatte. Im Interview zum neuen Album sagte Sängerin Amy Lee zwar, dass der Druck von außen nicht groß gewesen ist, aber man kann sich vorstellen, wie hoch der innere Druck gewesen sein muss.
Doch mit ihrem neuen, selbstbetitelten Album „Evanescence“ beweisen Amy Lee und ihre Mannen, dass sich die fünf Jahre Album-Abstinenz ausgezahlt hat. Denn das Album strotzt geradezu vor Hits. „What You Want“, die erste Single, konnte bereits einen klasse Vorgeschmack auf das kommende Album geben. Der Song fesselt von der ersten Minute an, die catchy Hooks lassen den Hörer nicht mehr los, im Gegenteil, nach dieser Nummer lechzt man geradezu nach mehr. Und man bekommt auch mit den nachfolgenden Stücken die Vollbedienung. „Made Of Stone“ ist z.B. ein Song, der ganz besonders durch seine wuchtigen Gitarren überzeugt, die sinnlich von einer feinen Pianopassage begleitet werden. Natürlich besitzt auch diese Nummer einen Refrain, bei dem man sich verlieren kann. Amy Lee singt wie eine junge Göttin und meistert auch jede noch so anspruchsvolle Situation mit Bravour. Auch das melancholische „My Heart Is Broken“, welches stimmlich ein wenig in die Richtung von „Fallen“ driftet, überzeugt sofort. Besonders gelungen sind die Pianopassagen, die von Amy gefühlvoll zum Ausdruck gebracht werden. Ein Track wie „The Other Side“ hat ebenfalls Hitcharakter, man höre sich nur mal den Refrain an. Die fetten Bassläufe, die tiefen Pianotöne und der Einsatz von Streichinstrumenten runden diesen Kracher ab und machen ihn zum absoluten Anspieltipp.
Doch in Sachen Anspieltipps gibt es noch mehrere Nummern zu nennen. „Erase This“ gehört ebenfalls zu den Highlights der Scheibe, genau wie „Lost In Paradise“, „Oceans“, „End Of The Dream“ oder das, für EVANESCENCE ungewöhnliche, „Swimming Home“. Eigentlich hat jeder einzelne Song Überzeugungskraft und das Zeug, sich in die Favoritenliste der Fans zu spielen. An dieser Stelle können nur noch die unterschiedlichen Geschmäcker entscheiden, welcher der sehr starken Tracks der Scheibe der beste ist.
Produziert wurde der Kracher von Nick Raskulinecz, der bereits mit Größen wie STONE SOUR, TRIVIUM, MARYLIN MANSON oder gar DEATH ANGEL gearbeitet hat. Wie Amy Lee zu berichten weiß, ist der Mann hinter den Reglern ein Rockfan und das lässt er auf „Evanescence“ auch deutlich hören. Die gelungene Balance zwischen den zarten Pianopassagen, die von Amy’s wundervoller Stimme unterstützt werden, werden von den fetten Gitarrenriffs nicht zerstört, im Gegenteil. Und insgesamt ist der Sound auch nicht poppig oder gar weichgespült.
Mit „Evanescence“ läuten EVANESCENE in der Tat eine neue Ära ein. Das Album wird ein Meilenstein in der Geschichte der Band, keine Frage. Und Fans werden auf keinen Fall enttäuscht, hier werden eher noch mehr Anhänger dazugewonnen.
Meines Erachtens das bisher stärkste Album der Band. Fast kein Ausfall, mit Ausnahme von „Swimming Home“. Der Song will nicht so recht passen, es fehlt mir an Tiefe.