Eucharist - I Am The Void

Review

Die Schweden EUCHARIST waren in den Neunzigern mal eine Hausnummer im melodischen Death Metal. Im Fahrwasser von UNANIMATED, SACRILEGE oder GATES OF ISHTAR schwimmend, ist ihr ’93er-Debüt “A Velvet Creation” trotz hundsmiserabler Produktion eines der besten melodischen Elchtod-Alben der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts und nicht zuletzt der Karrierebeginn für ARCH-ENEMY-Drummer Daniel Erlandsson, der auch große Teile der Musik schrieb. Die blutjunge Band löste sich 1993 jedoch zum ersten (sowie 1994 zum zweiten und 1998 zum dritten) Mal auf, sodass der Nachfolger “Mirrorworlds” 1997 immer noch gut, aber nicht mehr überragend war. Die chaotischen Umstände waren der Platte durchaus anzuhören. Auch wenn von der Urbesetzung nur noch Gitarrist/Sänger Markus Johnsson (verstärkt um MARDUK-, STREAMS OF BLOOD– und PANZERCHRIST-Drummer Simon Schilling) die Zügel in der Hand hält, ist die Auferstehung alter Legenden zumeist eine feine Sache, wie einige Kollegen zuletzt bewiesen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen also auch an EUCHARIST …

EUCHARIST und die erste Platte seit 25 Jahren

… und sie können – Spoiler-Alarm! – leider nicht erfüllt werden. Es ist jammerschade, denn die Freude angesichts neuer Musik alter Helden war zunächst groß. “I Am The Void” startet unverblümt und überzeugend mit “Shadows” und “A Vast Land Of Eternal Night”. Die Riffs sitzen, Schillings hochpräzise Drums beeindrucken sowieso und die Songs machen innerhalb des Möglichen und Erlaubten durchaus Spaß. Gut, Johnsson gehörte noch nie zu den besten Shoutern des Genres und er hat in den vergangenen 25 Jahren noch mal etwas abgebaut und klingt recht gleichförmig. Daran könnte man sich aber immerhin gewöhnen und es dem wohlverdienten Alter zuschreiben.

Dabei wirkt “I Am The Void” beim ersten Durchlauf gar nicht mal so schlecht. Man erkennt, dass hier eine alteingesessene schwedische Band am Werk ist, die den alten Stil verinnerlicht hat und ihn authentisch transportieren kann. Nur hört man nicht, dass das EUCHARIST sein müssen. Johnsson rifft sich zwölf Songs lang durch alles, was irgendwie mal in Schweden geschrieben oder aufgenommen wurde und ignoriert weitestgehend die Möglichkeiten eigener Identität. Dadurch erhält die überraschend black-metallisch gehaltene Platte den Eindruck, dass der Blick fürs große Ganze fehlt. Vieles schiebt sich erschreckend ideenarm und belanglos durch die Gehörgänge am Cortex vorbei – einzig “In The Blaze Of The Blood Red Moon” (wenngleich zu lang) und “Queen Of Hades” können sich noch positiv im Gedächtnis festsetzen. Die pseudo-oldschooligen D-Beat-Einschübe in “Mistress Of Nightmares” und “Goddess Of Filth (Tlazolteotl)” wirken fehlplatziert und erzwungen und von den sonderbaren MACHINE-HEAD-Quietsche-Licks in “Lilith” wollen wir gar nicht reden.

“I Am The Void” kann den Erwartungen nicht gerecht werden

Der abschließende Longtrack und Titelsong stimmt nach dem ziemlich schwachen Mittelteil (Hauptteil?) zwar wieder etwas versöhnlich, rechtfertigt aber erstens seine knapp zehn Minuten Laufzeit auch nicht mit genügenden Ideen und kann zudem nicht das ganze Album kompensieren. Klarer Fall, an eine Legende wie EUCHARIST bestehen deutlich höhere Erwartungen, als eine wirklich gut gespielte, aber austauschbar komponierte Platte zu veröffentlichen. Zumal alte Kollegen wie eben UNANIMATED und besonders NECROPHOBIC jüngst demonstrierten, wie es besser funktioniert. Vielleicht holt sich Johnsson neben einem Drummer auch noch die anderen Instrumente in Form fleischlicher Musiker ins Boot, um die kreativen Prozesse zu animieren. Vielleicht tut’s beim nächsten Mal auch die Hälfte der Spielzeit …

18.03.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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