Esoteric - The Pernicious Enigma
Review
Es soll Menschen geben, die standfest behaupten, das Chaos wäre eine ungeordnete, undefinierbare Größe im bekannten Universum. Die haben jedenfalls das vorliegende Album der fünf Briten (plus Sessiondrummer) noch nicht gehört. Es erschien 1997 als Doppel-CD, während sich die Band selbst im Jahre 1992 formierte. Ich kann ruhigen Gewissens behaupten, vertontes Chaos, so homogen dargestellt, noch nicht gehört zu haben. Klingt paradox, aber anders kann man es wohl kaum beschreiben.
ESOTERIC schaffen es, eine eigene Welt zu konstruieren, die weit jenseits der mittlerweile zu tiefen Gräben mutierten Trampelpfade liegt. Unerreichbar für jene, die sich nicht auf ein intensives „studieren“ einlassen wollen, denn den Einstieg zu diesem Album finde ich sehr schwer. Zu lange lag es bei mir brach, bevor ich den Wert erkannte. Hat man aber den Schlüssel erst mal gefunden, steht einem ein ganzes Universum offen, das entdeckt werden will.
Zu hören bekommt man allerfeinsten Doom der moderneren Art. Die Veröffentlichung als Doppel-CD hat ihren Sinn, denn die Lieder bringen es im Durchschnitt auf eine Spielzeit von ca. 13 Minuten. Deshalb ist etwas Durchhaltevermögen gefordert, um „The Pernicious Enigma“ vollständig durchzuhören. Während die Melodieführung meist im Hintergrund ihre subtile Wirkung entfaltet, bestimmen ein genial eingesetztes Schlagzeug und tiefste Gitarren den nur scheinbar vordergründigen Teil der Lieder. So gesehen, kann man das Album auf zwei Ebenen hören, je nach Stimmung und verwendetem Hörmediums. Um es etwas verwirrender zu gestalten, tritt gelegentlich die hintere Ebene in den Vordergrund um dort zu bleiben oder sich langsam wieder zurück zu ziehen. Zudem wird die Aufmerksamkeit des Hörers mal auf dieses, mal auf jenes verwendetet Mittel gezogen. Zu den bereits erwähnten, gesellen sich Vocals, die sich scheinbar aus der Tiefe der Seele des verloren Menschen befreien und während des letzen Schreis sich im unendlichen Nichts verlieren. Sie verändern oft ihren eigentlichen Zweck und enden während flüssiger Übergänge in verschiedenen Effekten. Überhaupt spielen Effekte und Samples eine wichtige Rolle, denn sie werden oft und zahlreich verwendet. Allerdings wirken diese nie überflüssig, sondern fügen sich perfekt und immer passend in den sehr atmosphärischen Sound ein. All das zusammen ergibt teilweise eine betäubende Kakophonie undefinierbaren Lärms, wie zum Beispiel bei „NOX3C9701040“. Dadurch werden einige Teile der Lieder wirklich nicht mehr überschaubar, aber das liegt wohl in der Absicht der Erschaffer.
Über allem weht eine wohldosierte Portion Hall, die das Klanguniversum beträchtlich erweitert und den Hörer in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche entführt. Dabei fängt das Album mit „Creation (Through Destruction)“ recht harmlos an. Ein ruhiger Klangteppich füllt langsam den Raum. Etwa nach fünf Minuten reißen die ersten Growls und Schreie die aufgebaute Ruhe in sich zusammen und werden von einer Deathartigen Woge vollständig zerstört. Dann wechseln sich Doom und Death in unterschiedlicher Länge nacheinander ab. Der Wechsel der Lieder erfolgt fast ohne Übergang. Plötzlich findet man sich inmitten eines Kriegsamples wieder. Das zweite Lied hat begonnen. Die Vocals finde ich hier besonders gelungen, denn sie scheinen aus einem ungewissen Punkt im Raum zu kommen und verteilen sich über das gesamte Hörspektrum. Als eine der kaum vorhandenen Konstanten, kann man sagen, das die Lieder recht gediegen beginnen. Dafür werden die unterschiedlichsten Instrumente verwendet. Mal ist es ein Klangteppich, mal eine cleane Gitarre. In den Liedern selbst werden gelegentlich Death-Parts eingestreut. Trotz der Länge werden die Lieder nicht langweilig. Ganz im Gegenteil, je mehr man hört, desto interessanter werden sie, denn man beginnt mit der Zeit eine andere Sichtweise entwickeln und die Lieder von einer anderen Seite zu betrachten. Einer meiner Favoriten ist „Allegiance“. Hier erzeugen die geniale Melodieführung und die Vocals eine fast unheimliche Gänsehaut, die sich mit wenigen Unterbrechungen durchs gesamte Lied zieht. Auf der zweiten CD wird die eingeschlagene Reise eingehalten. Bei „Sinistrous“ beginnt eine cleane Gitarre ihr Spiel, während im Hintergrund panische wirkende Sprachsamples das unheilvolle verkünden. Dieses Lied hat eine sehr beunruhigende Stimmung, die durch das langsame Tempo hervorgerufen und durch eine hoch verzerrte Gitarre verstärkt wird. Das darauf folgende „At War With The Race“ ist mit 02:52 Minuten das mit Abstand kürzeste Lied. Wie der Titel schon vermuten lässt, wird hier auch nicht großartig Gnade gewährt. Nach einem kurzem Intro zeigt sich die angestaute Wut des Album. Es ist weder Death noch Doom, sondern liegt irgendwo dazwischen, kommt aber sehr intensiv daher.
Die Texte, insgesamt gesehen, sind nicht nur sinnloses Beiwerk. Sie sind voller Symbolik und sehr philosophisch. Was ist das für ein Mensch, der sich selbst als die Krone der Schöpfung sieht, ohne zu wissen, was nach ihm kommt? Sein gewonnenes Wissen als letztendliche Wahrheit definiert? Da ich mich in diesem Bereich nicht sonderlich gut auskenne, werde ich auch nicht weiter darauf eingehen.
Wer mehr wissen möchte kann sich auf der Homepage schlau machen. Dort kann sich auch sämtliche Veröffentlichungen anhören. Zusammen mit der Musik ergibt sich eine Stimmung von depressiver Hoffnungslosigkeit. Letzten Endes wurde hier ein Meisterwerk kreiert, das dem jetzigen Menschen den inneren Spiel vorhält und ihm zeigt, was er ist. „I’m in the dark here, you understand?“
Esoteric - The Pernicious Enigma
Band | |
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Wertung | |
User-Wertung | |
Stile | Doom Metal |
Anzahl Songs | 9 |
Spieldauer | 115 |
Release | 2002-11-28 |
Label | Aesthetic Death |