Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy) - Crystals

Review

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ESKIMO CALLBOY aus Castrop-Rauxel poltern mit ihrem mittlerweile dritten Album „Crystals“ in die Plattenläden hinein und gleich vorneweg: Wem die Musik der Pötter bislang nicht zugesagt hat, der braucht gar nicht erst weiter zu lesen. Zwar handelt es sich um das berüchtigte dritte Album, aber der Sound von ESKIMO CALLBOY zeigt keine großen Ermüdungserscheinungen, auch wenn die Euphorie angesichts der wilden Mischung schon längst verflogen sein dürfte. Zu energisch gehen die Jungs ans Werk, rotzfrech treiben sie Puristen die Tränen in die Augen. Gewiss gibt’s „Im Westen nichts Neues“, aber warum etwas reparieren, wenn es nicht kaputt ist? Naja, so ganz stimmt das nicht, ESKIMO CALLBOY sind noch mal einen Deut in Richtung Mainstream gerückt. Nach wie vor verwurstet das Sextett ihren an sich harten Metal-Sound mit Elementen aus House, Techno, Dubstep, vereinzelt auch modernem R&B und wem diese Mischung immer noch nicht bunt genug ist, für den zitieren ESKIMO CALLBOY gerne auch mal *NSYNC („Baby (T.U.M.H.)“).

Das Fundament von alledem bildet – wie schon erwähnt – der Metal-/Emocore, der mit viel Dampf aus den Boxen kracht. Heißeres Gekeife und Gebrüll wechselt sich regelmäßig mit dem klaren Gesang ab – ich bin mir ziemlich sicher, dass letzterer digital nachbearbeitet wurde, würde jedenfalls zur modernen Elektro-Thematik passen. Dabei fällt die Produktion auf, durch welche im Grunde über die gesamte Spielzeit nur eine geradezu ohrenbetäubende Melange aus Bass und Distortion zu hören ist. Aber eine klare Produktion wäre bei einer Band, die ihren Stil „Porno Metal“ nennt, sicher fehl am Platz.

Die Mischung ist sich scheinbar ihrer eigenen Cheesyness bewusst, denn sie funktioniert über weite Teile des Albums gut und eher selten hat man das Gefühl, dass man hier in irgendeiner Art und Weise reserviert oder gezwungen lärmt. Dazu gibt es massenweise eingängige Hooklines, die zum Mitsingen anregen. Es kracht und quietscht, dass es den spießigen Metallern die Socken nach allen Regeln der Kunst auszieht. Erfrischend anders wirkt dagegen die Single „Best Day“, auf welcher der Berliner Rapper SIDO mitwirkt. Diese erinnert an die frühen Tage von LINKIN PARK und geht ganz gut ins Ohr, ist im Vergleich zum Rest des Albums aber ziemlich poppig und dürfte vielen Metallern einiges an Toleranz abverlangen. Die Texte kann man vorsichtig formuliert als zweckdienlich bezeichnen. Es geht um Party, Sex, Alkohol, noch mehr Party, das Übliche eben. Als Anspieltipps eignen sich „Pitch Blease“, „My Own Summer“ und der Titeltrack. Die oben erwähnte Self-Awareness wird bei „F.D.M.D.H.“ schließlich auf die Spitze getrieben, sodass man schon mal schmunzeln muss:

„Samma, seid ihr nicht die beiden von ESKIMO CALLBOY?“
„Ja. Wieso?“

„Nenene, hörma: Ich fand euch schon immer richtig, richtig kacke!“
„Alta was geht mit dir, bist du behindert Alta…“

Alles in allem wird wohl auch „Crystals“ die Meinung der Hörerschaft spalten. Die einen finden es cool, die anderen zum Kotzen, aber so ist das eben. Wer seinen Metal lieber traditionell mag, sollte einen großen Bogen um „Crystals“ machen. Alle anderen können sich mit einem kurzweiligen Album die Zeit versüßen. Allerdings wird die Scheibe danach vermutlich im heimischen Plattenregal verschwinden und dort bis zu dessen Auflösung einstauben. Denn wirklich neu macht die Scheibe kaum etwas, eher bietet sie den Unterhaltungswert einer durchschnittlichen Platte, die für die Kids von heute geschaffen ist. Der Mangel an irgendeiner Form von Tiefe und das Ausbleiben von echten Höhepunkten hilft auch nicht gerade. Auf der anderen Seite kann man dem Sound der Westfalen einen gewissen Charme nicht absprechen, sodass man hin- und hergerissen ist zwischen Abneigung und Akzeptanz. Letztendlich liegt es am Hörer, ob er den trashigen Mumpitz links liegen lässt, oder sich auf die quietschbunte Party einlässt. Wer mit der Band bislang überhaupt keinen Kontakt hatte, kann gerne reinhören, der Rest hat die Jungs eh schon be- oder verurteilt…

04.03.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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1 Kommentar zu Electric Callboy (zuvor Eskimo Callboy) - Crystals

  1. Denyo sagt:

    Also erstmal: Das hier ist wohl die einzige Seite die objektiv an Eskimo Callboy rangeht, soweit das eben geht. Daumen hoch.
    Zur Platte selbst muss ich sagen, dass ich nach wie vor die Elektro-Samples und Beats rundum gelungen finde, gegen „Pitch Blease“ sieht sogar ein Robin Schulz blass aus. Sobald es dann aber kracht, ist es immer wieder das gleiche, die gleichen Riffs, die gleichen Shouts, Breakdown an Breakdown.
    Das ist dann nicht grottenschlecht, aber seit „We Are The Mess“ recht eintönig. Vielleicht sollten sich die Jungs deshalb irgendwann nur noch der elektronische Komponente widmen, dann könnte auch mal was richtig bombiges rumkommen (natürlich nicht für eingefleischte Kuttenträger).
    Die 6/10 finde ich deshalb angemessen Spaß macht das Album ja doch irgendwie.