Es im Ich - Dem Wahnsinn Nah

Review

Neue Deutsche Härte. Jawoll, so prangt es wortgetreu und in massiven Lettern auf dem Promo-Schrieb. Und wahrhaftig bietet das dritte Demo der vier Nürnberger jedem Kritiker dieser stets argwöhnisch beäugten Schublade beide Augen zum Fausthiebe feil: Nicht nur die Anklage auf musikalische Platitüde greift, auch der lyrische Horizont ist hier von einer lähmenden Schablone eng umfriedet. Die kreative Steppe beginnt leider schon bald hinter dem Bandnamen, der mich noch mehr erhoffen ließ. Mit dem Opener wird zwar noch ein hinlänglich befriedigender Weg geebnet: schmissiger Vorwärts!-Rock für den Stammtisch-Metaller zum anspruchsfreien Mitgröhlen. Leider latscht man aber nicht ganz selten ungelenkt neben die sicheren Planken, und so misslingen im zähen Treibsand der Belanglosigkeit einige Tracks zu gänzlich uninspirierten Ausfällen („Chaos der Sinne“, „Die Ankunft“). Frontsau Stefan pflegt die hitzig drohende Proll-Pose und hüllt in seine halbmusikalische Zweiton-Melodie seichte Punker-Poesie aus verdrängt geglaubter TOXOPLASMA-Zeit. In Texten wie zu „Detonation“ erfährt sie unliebsame Wiedergeburt. Noch eine Spur lächerlicher wird es in „Die Böse Saat“, das allenfalls als eindrucksvolles Beispiel postpubertärer Provokationsgier durchgeht. Drummer Harald klöppelt weitestgehend reizlosen Standard hinzu, das Gitarrenwerk scheint einem Learning-Death-Metal-Lesson-1-Bestseller entliehen. Erstarken tut das dank mächtiger Produktion sperrige Vehikel immer dann, wenn – wie in „Schizophrenie“ – das schwache Mittelmaß-Riffing an Fahrt aufnimmt und die krachende Lawine ins Kollern kommt. Und so ist denn auch der einzige Song, in dem das bislang klamme Pulvergemisch aus kruder SIX FEET UNDER-Energie, einfältig monotoner CREMATORY-Dynamik und stumpf-brachialer BÖHSE ONKELZ-Attitüde erstmals so richtig hochgeht, mit „Kreuzzug gegen das Leben“ – wen wundert’s – ein flotter; auch wenn ich selten einen Zweiminüter erlebt habe, der sich mit solch konsequenter Selbstverständlichkeit aus einem einzigen Riff materialisiert. Respekt. – Letztendlich kann ich Es im Ich dennoch nur dankbar sein: Meine rappelvolle Schublade NDH lässt sich nach wie vor problemlos schließen. Klappe zu – war da was?

04.10.2003
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