Der Blues ist gewiss einer der ältesten und zeitlosesten Musikstile schlechthin, wobei es zu jeder Zeit herausragende Blues-Gitarristen gab: B. B. King, John Lee Hooker, Jimi Hendrix, Eric Clapton, Gary Moore – die Liste ist lang. Dabei wird ein Name gerne mal vergessen: der 1974 in Memphis, Tennessee, geborene ERIC GALES.
Schon im zarten Alter von 16 Jahren galt ERIC GALES als Wunderkind – 1991 kürte ihn das US-Fachmagazin „Guitar World“ zum besten Nachwuchs-Talent. Bis heute umfasst die Diskografie des Bluesrock-Gitarrenzauberers satte 18 Alben. Zudem beteiligte er sich an zahlreichen Tribute-Alben und teilte die Bühne mit Hochkarätern wie Carlos Santana und Zakk Wylde. Unterbrochen wurden seine Ambitionen allerdings von persönlichen Abstürzen bis hin zu einer Haftstrafe wegen Drogen- und Waffenbesitzes. Doch davon scheint sich der Sänger und Gitarrist wieder erholt zu haben, der seine Fangemeinde nun mit einer neuen Langrille beglückt, die auf den majestätischen Titel „Crown“ hört.
„My name is Eric Gales – any questions?“
Dieser selbstbewusste Slogan führt die Hörer in das neue Album ein – passend zum „bescheidenen“ Cover-Artwork, das ERIC GALES mit üppiger Krone in königlicher Pose zeigt.
Nicht weniger souverän dröhnt der rockige Opener „Death Of Me“ aus den Boxen: Markante Riffs, hämmernde Drums und ein technisch blitzsauberes Gitarrensolo zeigt die Marschrichtung auf. Mit „The Storm“ wird es deutlich „bluesiger“, wobei GALES auch hier mit eindrucksvoller Gitarrenarbeit glänzt. Dass der Klampfen-Virtuose auch einen kreativen Sinn für das Extravagante besitzt, beweist das nur 30-sekündige „Had To Dip“, das mit seinem „strange“ anmutenden Gedaddel auch aus der späten Schaffensphase der BEATLES hätte stammen können.
„Crown“ ist eine Sternstunde der Gitarrenmusik
Das stimmungsvolle „Stand Up“ ist ein Beleg dafür, dass ERIC GALES nicht nur ein begnadeter Saitenkunstschöpfer, sondern auch ein echtes Goldkehlchen ist. Die Vorzüge seiner ausdrucksstarken, sauberen Stimme kommen hier gut zur Geltung. „Survivor“ könnte man als musikalisch projizierte Selbstbeschreibung deuten („I‘ve been knocked down so many times, I’ve been locked down for committing no crime …“). Jedenfalls verhakt sich der Chorus ohne Umwege in den Gehörgängen. Nicht minder erwähnenswert ist das funkige Pre-Release „I Want My Crown“ unter Beteiligung des renommierten Blues-Gitarristen Joe Bonamassa, mit dem sich GALES hier ein packendes Gitarrenduell liefert. Großes Kino, ein absolutes Highlight!
„Put That Back“ macht ebenfalls Spaß und sorgt für positive Vibes. Auch das charismatische, hervorragend arrangierte „Rattlin´ Change“ lässt die Hörer nicht stillsitzen, obwohl das Stück nur eine knappe Minute (!) umspannt. Das muss man erst mal schaffen! Höchst empfehlenswert ist zudem das siebenminütige, sphärische „Too Close To The Fire“, das erneut autobiografische Bezüge enthält. Überflüssig zu erwähnen, dass ERIC GALES´ technisch anspruchsvolles Gitarrenspiel auch hier heraussticht. Wer noch daran zweifelt, dass der Mann sein Handwerk beherrscht, dem sei das zweiminütige, atemberaubende Solo auf der Zielgeraden des Songs empfohlen. Eine Sternstunde der Gitarrenmusik – nuff said.
„I Found Her“ fällt zunächst etwas aus dem musikalischen Rahmen: Es gibt akustische Gitarren und Akkordeonklänge, bevor der Protagonist wieder seine unverwechselbare E-Gitarre erklingen lässt. Ein weiteres Gänsehaut-Solo. „Take Me Just As I Am“ entstand unter tatkräftiger Mitwirkung seiner Gattin LaDonna, die dem Song ihre wuchtige Stimme leiht. Mit dem jazzigen, selbstironisch angehauchten „I Gotta Go“ schließt sich der Kreis zugunsten einer beeindruckenden musikalischen Tour durch die Welt des Blues.
Die symbolische Selbstkrönung gelingt auf eindrucksvolle Weise
Blues ist sicher nicht jedermanns Sache. Wer sonst deutlich härtere Musik hört, wird auf eine harte Probe gestellt werden. Doch diejenigen, die einen Zugang zu facettenreichem Bluesrock mit einer tollen Stimme und hypnotisierenden Gitarrensoli haben, sollten sich über „Crown“ freuen wie ein Schnitzel in der Pfanne. Kreativ, gitarrenlastig und atmosphärisch – so lässt sich GALES‘ Mucke subsumieren. Die Eigenwilligkeit seines Spiels mag manchmal arrogant wirken, doch sie verfehlt ihre Wirkung definitiv nicht.
Lobenswert ist auch die Produktion, die klar und druckvoll rüberkommt, ohne überproduziert zu klingen. Insbesondere die charismatische Klampfe des Hauptakteurs klingt roh und ungebügelt. Einen Punkt Abzug gibt’s dann doch, weil die hohe Qualität der Scheibe nicht durchgängig zu halten ist – doch das ist bei 16 Songs durchaus verzeihbar und letztlich nur ein Klagen auf hohem Niveau.
Text: Christian Flack
Schön, ab und zu diese Blicke über den Tellerrand hinaus zu lesen.
Dankeschön an die Redaktion. 🙂