Enslaved - Heimdal

Review

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ENSLAVED und Black Metal – auch und vielleicht insbesondere im Jahr 2023 ein Kapitel, das wohl weitgehend als abgeschlossen angesehen werden kann. Schon seit vielen Jahren und Alben waren die Norweger viel mehr als das, wandeln allerdings seit „Utgard“ noch deutlich weltoffener auf progressiven, teils vertrackten Spuren, deren Pfade auch auf dem Nachfolger „Heimdal“ weiter ausgetreten werden. Mindestens jeder, der die God Of War-Reihe gespielt hat, weiß darüber Bescheid, dass Heimdal in der nordischen Mythologie der Wächter der Neun Welten ist und um dessen Herkunft und Wurzeln vielerlei Theorien gesponnen werden – unter anderem jene, dass Odin dessen Vater sein könnte.

Über den Wächter der Neun Welten

Dort schließt sich der Kreis des Anspruchs zum sechzehnten Album des skandinavischen Quintetts, das in diesem Album symbolisch auf die Verbindungen zwischen dem älteren und dem neueren Ich eingehen will. Musikalisch sind ENSLAVED hingegen ihrem Spiegelbild aus den frühen Neunzigern entwachsen und beschäftigen sich dieser Tage einmal mehr mit teilweise sperrigem Progressive Metal, der den Raum, trotz glasklarer Produktion, mit einem dunklen, von den Naturkräften gezeichneten, rauen Umhang betritt.

Die ersten Töne auf „Heimdal“ sind vielleicht jene Momente, welche Nostalgiker die Ohren spitzen lassen. Der Kiel eines Wikingerschiffs schwappt über das Meer, wenige Momente später ertönt „Heimdals Horn“, für dessen Vertonung Eilif Gundersen (WARDRUNA) verantwortlich war, und warnt den Hörer vor einer vermeintlichen Attacke der kriegerischen Seefahrer. Doch dann desillusioniert „Behind The Mirror“, gräbt sich mit komplexen Songstrukturen nach vorne, um durch die typischen Wechsel zwischen herrlichem Klargesang und der harschen Variante aufzulockern.

„Heimdal“ liefert eine Farbpalette voller Momente

Die erste handvoll Durchläufe des frischen ENSLAVED-Machwerks ist ohnehin „just to get in Touch“, denn die vielschichtige Palette der Elemente versteckt sich in den ersten Umdrehungen noch hinter einem nebulösen Schleier. „Congelia“ ist der heimliche Opener auf „Heimdal“. Repetitiv, teilweise disharmonisch, türmen sich die Leads bedrohlich auf. Letztlich wirkt der Song wie ein puristischer, in Noten gegossener Spannungsbogen. Da es inzwischen kein einziges Bandmitglied mehr gibt, welches keine eigenen Vocals beisteuert, ist „Forest Dweller“ einer der absoluten Höhepunkte in stimmlicher Vielfalt und Intensität in der Geschichte der Bergener.

Erst „Caravans To The Outer Worlds“ kurz vor Schluss arbeitet dann phasenweise etwas offensichtlicher mit schwarzmetallischen Zutaten. So rauschen zwischendurch auch ein paar Blastbeats durch die Landschaft, doch auch diese Passagen haben sich gemeinsam mit der Band emanzipiert und bilden ihr eigenes unkategorisierbares Moment. Nach dem anschließenden Titeltrack ist das Ideenfeuerwerk schließlich beendet, lechzt allerdings schon nach den letzten Anschlägen nach einer weiteren Bonusrunde.

Nach über 30 Jahren noch frisch und unverbraucht

Man könnte nun freilich jeden Song noch entschieden tiefgreifender auseinandernehmen, ist doch jeder eine Spielwiese für sich und agiert anno 2023 fernab sämtlicher musikalischer Grenzen. Von teils thrashlastigen Rifffolgen, über kräftigen Dark Metal bis hin zu Psychedelic-Rock-Elementen, die im Sinne der Hammondorgel gar kurzzeitig an die US-Amerikaner COVEN erinnern – ENSLAVED haben ihr Horn wieder bis zum Anschlag gefüllt. Selbstredend existieren auch auf „Heimdal“ Parts, die nicht so einschlagen mögen wie der Großteil des Albums. Geschenkt!

Auch mit ihrem sechzehnten Studioalbum halten ENSLAVED ihre eigene Faszination am Leben, kleiden sich mit jeder Wiederholung neu ein und eröffnen in der logischen Folge entsprechend ungeahnte Sphären. Für eine Band, die nach über 30 Jahren immer noch so überraschend und frisch klingen kann, bleibt kurzum nur den Hut zu zücken.

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26.02.2023

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4 Kommentare zu Enslaved - Heimdal

  1. TerraP sagt:

    Ich muss sagen, ich finde es schon eher frech, dass auf dem Album 7 Songs sind – und vier davon kennt man schon Monate oder sogar Jahre, weil sie von einer EP und gleich drei Vorabsingles stammen. Der Reviewer erwähnt das mit keinem Wort, spricht auch nicht unbedingt für intensive Auseinandersetzung mit der Sache. Insofern nehme ich die 8 Punkte als Bewertung auch eher mal nicht ernst.

    Das Gute: Die bekannten Songs sind schon ziemlich geil. Allen voran Congelia und Forrest Dweller, aber auch Caravans to the Outer Worlds ist intensiv und psychedelisch. Dito Kingdom. Was ich von den anderen Songs bisher gehört habe, klingt auch gut. Daher mal vorsichtige 9 Punkte. Bin mir ziemlich sicher, ich finde das Album besser als E und In Times, schlechter als Axioma und Vertebrae – aber vielleicht ja auf einem Level mit Riitiir und Utgard. Und das wäre schon ganz geil. Nächstes Mal dann aber bitte wieder mehr Songs, die man nicht vorher kennt…

    9/10
  2. noehli69 sagt:

    Hab mich mit dem Enslaved Wandel bisher immer schwer getan. Mit Utgard hammse mich aber doch noch gekriegt und auch Heimdal trifft absolut meinen Nerv, legt mMn sogar noch ne Schippe drauf. Ganz starkes Output, 9fette P.

    9/10
  3. TerraP sagt:

    Von wo an hast Du Dich denn schwer getan mit dem Wandel? Ich hab erst spät angefangen, mich von Ruun aus wild durch die Diskographie zu hören. Ich tue mich vor allem schwer mit Frost (sorry…), hab dann einiges bis „Below…“ noch gar nicht gehört – und finde die Sachen Mitte der 2010er iwie nicht so geil.

  4. Se Wissard sagt:

    Enslaved sind schon immer schwierig für mich gewesen. Die ersten Sachen mag ich wegen der Nostalgie. Frost nervt mich eher, als dass ich es gut finde. Eld gefiel mir irgendwie besser, vor allem der Überlänge Openers. Mardraum und Monumension waren ganz groß, für mich der Schaffenszenit der Band, trotz schlecht gealterter Produktion. Below the Lights fand ich unheimlich stark und danach ging’s für mich bergab. Ich verstehe einfach nicht, was bei Enslaved so genial ist/sein soll. Ich komme da einfach nicht dahinter. Seit Isa versuche ich es mit jeder Platte, das ein oder andere ist schon gefällig, aber so richtig fassen kann ich nicht, warum die Band so gefeiert wird.
    Und Prog mag ich grundsätzlich sehr gerne.
    Und auch hier hab ich reingehört, fand es grundsätzlich interessant, aber mehr halt nicht. Vielleicht will ich auch zu viel, dass ich die Band mag. Wer weiß….