Enslaved - Frost

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Was passiert, wenn drei Teenager, inspiriert von Black-Metal-Raserei, der monumentalen norwegischen Landschaft und den kraftvollen Wikingermythen, ein Album aufnehmen? Vieles kann in solch einer Konstellation passieren, aber wenn ein Album wie „Frost“ dabei herauskommt, spricht man wohl von einem Idealfall. Oder gleich von einer Sternstunde.

Aber der Reihe nach: Nur wenige Monate nach Veröffentlichung ihres DSP-Debüts „Vikingligr Veldi“ sind ENSLAVED bereits wieder im Studio. Die drei Protagonisten Grutle, Ivar und Trym, gerade einmal zwischen zarten 16 (Ivar) und jungen 20 (Grutle) Jahren alt, verschanzen sich im Juni und Juli 1994 im Grieghallen Studio in Bergen und nehmen unter der Leitung von Produzent Pytten ein Album auf, das wie eine Naturgewalt anmutet. Im besten Sinne unbändig und ungezügelt. Experimentierfreudig. Und im damaligen Black-Metal-Hoheitsgebiet Norwegen anders.

„Frost“ mutet wie eine Naturgewalt an

Denn obwohl sie ihr Debüt auf dem Label von Black-Metal-Ikone Euronymous herausbringen und auch ihre Musik am ehesten im Black Metal angesiedelt ist, liegt das Interesse der jungen Musiker weniger im nächtlichen Abfackeln von Kirchen und Umherstratzen auf Friedhöfen, sondern im kulturellen Erbe Norwegens. Anstatt also dem Christentum offen den Mittelfinger zu zeigen und deren Symbole einfach umzukehren, bedienen sie sich bei wikingerzeitlichen Mythen und lassen die Götterwelt der Edda wiederauferstehen. Und Gott Wotan gegen die „Feiglinge“ (womit sie unzweifelhaft Christen meinen) zu Felde ziehen. Was halt ein Krieg mit anderen Mitteln ist. Und – BATHORY zum Trotz – nebenbei die Erfindung des Viking Metal.

Ein Album mit dem Titel „Frost“ im August zu veröffentlichen, ist natürlich ein Statement. Das Albumcover zeigt ein unscharfes Bild eines Fjords, darüber platziert sind das damalige Logo mit den umgedrehten Kreuzen (das später umdesignt wurde) und der Albumtitel in Pseudorunen; man soll es ja auch ohne Probleme lesen können. Das Foto lässt durch seine Unschärfe und die Detailarmut die Gedanken schweifen: Norwegen, Land der Fjorde, der Gletscher und Mythen.

ENSLAVED spielen mit der Geschwindigkeit

ENSLAVED beginnen das Album mit einem glockenklaren Keyboardintro, das schließlich in eine anschwellende Verzerrung mündet, und diese ihrerseits in das majestätische Eingangsriff von „Loke“. Was dann folgt, wechselt zwischen Black-Metal-Raserei und Dramatik („Loke“, „Fenris“). „Svarte Vidder“ entführt hingegen in die wilde Berglandschaft Norwegens, die gleichermaßen episch wie unerbittlich ist. „Yggdrasil“ handelt von Odins Opfer, um Weisheit zu erlangen, und ist eine Ballade mit tiefem Klargesang, akustischen Gitarren, bundlosem Bass und Maultrommel. „Jotunblod“ und „Wotan“ wiederum sind eher straighte, schwarzmetallische Stücke, wohingegen „Gylfaginning“ im Refrain entrückt und unergründlich klingt – so wie die Gylfaginning eine nicht zeitgenössische und deshalb vermutlich ungenaue Deutung der altnordischen Weltanschauung ist. Abschließend verknüpfen ENSLAVED bei „Isøders Dronning“ die harschen Gitarren mit Akustikgitarren, Keyboards und Klargesang – vielleicht ist es kein Zufall, dass EMPEROR mit „Inno A Satana“ ihr „In The Nightside Eclipse“-Album ganz ähnlich experimentell beenden.

Die drei Musiker spielen mit der Geschwindigkeit, durch unterschiedliche Spielweise verschleppen sie immer wieder das Tempo oder ziehen es an. Vor allem Schlagzeuger Trym wird wie der Fenriswolf aus der Mythologie von der Kette gelassen. Was er hinter seinem Schlagzeugkit veranstaltet, ist ungezügelte Spielfreude mit der Geschwindigkeit. Während die Doublebassdrums in Hochgeschwindigkeit rattern, spielt er auf den Toms ein Fill nach dem nächsten und setzt immer wieder Akzente auf den Becken. Produzent Pytten hat „Frost“ einen skelettierten, mittenarmen und halligen Sound verpasst, der wie Eiskristalle zum übergeordneten Thema des Albums passt.

„Frost“ ist bei Erscheinen wegweisend

„Frost“ war bei Erscheinen wegweisend: Das Etikett „Viking Metal“ stand nunmehr und rief zahlreiche Gleichgesinnte auf den Plan, die ihrerseits das kulturelle Erbe der Wikingerzeit verarbeiteten – thematisch vereint, musikalisch durchaus heterogen, gibt es doch keine musikalischen Überlieferungen aus dem Norden jener Zeit. Und so klangen EINHERJER, KAMPFAR oder ALLEGIANCE durchaus unterschiedlich.

ENSLAVED selbst taten sich zunächst schwer, „Frost“ noch einmal zu toppen. Schon bald nach Veröffentlichung des Albums stieg Schlagzeuger Trym aus und wurde durch Harald („Helgeson“) Revheim ersetzt. An ihm lag es allerdings nicht, dass das erst 1997 veröffentlichte „Eld“ („Feuer“) nicht die Klasse des Vorgängeralbums hatte – sein eher progressives Drumming war erstklassig, „Eld“ wies jedoch einige Längen auf. Was danach kam, ist bekannt: Die Viking Metaller konnten erst mit „Isa“ (2004) wieder ein echtes Ausrufezeichen setzen und hatten in der Folge mit den Gründungsmitgliedern Grutle (Bass und Gesang) und Ivar (Gitarre) sowie den neuen Mitgliedern Arve Isdal (Leadgitarre), Herbrand Larsen (Keyboards, Klargesang) und Cato Bekkevold (Schlagzeug) eine schlagkräftige und langwährende Besetzung.

24.04.2019

- Dreaming in Red -

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11 Kommentare zu Enslaved - Frost

  1. FanDerErstenStunde sagt:

    Ich gebe sogar 10 Punkte. Ein monumentales Album, perfekt in jeder Hinsicht. Hat mich damals vom ersten Hören an begeistert und tut es bis heute. Auf dem Weg zum 9to5 Job, beim Spocht oder zwischendurch.

    10/10
  2. BlindeGardine sagt:

    Klasse Album, auch wenn die Keyboards nicht so dolle gealtert sind. Ansonsten aber immer noch klasse.

    8/10
  3. ClutchNixon sagt:

    „…setzt immer wieder Akzente auf den Becken.“ Schepper! 😂 Entschuldigung.

  4. Urugschwanz sagt:

    Eines der besten Pagan Black Metal oder Viking Alben. Einfach Kult das Teil und dreht sich seit Jahrzehnten in meinem Plattenteller.

    9/10
    1. nili68 sagt:

      Kein Widerspruch, aber Sóknardalr und Arntor toppt in diesem Bereich NICHTS!! Lieber einmal zu viel erwähnen. Kann man auch als Werbung ansehen.. 😀

      1. nili68 sagt:

        Ähm, von WINDIR natürlich.

      2. Urugschwanz sagt:

        Ja, Windir war klar 🙂 Sóknardalr genial und Arntor… OK. Aber das alles wird natürlich von Helheims Jormundgand locker getoppt. 😉

      3. nili68 sagt:

        Bisher sind natürlich alle genannten Sachen gut, aber die av norrøn ætt gefällt mir sogar noch ’nen Tick besser, aber jeder hat da so seine Faves. Zu neueren Helheim fehlt mir noch der rechte Zugang, so ab der Raunijar, ohne jetzt schlecht zu sein oder so..

      4. Urugschwanz sagt:

        Ja, die neuen Helheim sind mir zu… vermutlich modern, progressiv? Av norrøn ætt fand ich dafür einen krassen Leistungsabfall. Die „Heiðindómr ok mótgangr“ fand ich nicht schlecht. Aber was ganz Anderes als früher.

      5. hypnos sagt:

        die Begeisterung für Windir konnte ich nie verstehen…jedes Enslaved oder Helheim Album ist da für mich wertiger

      6. nili68 sagt:

        Ich kann die Begeisterung für so EINIGE Klassiker nicht verstehen. Das nennt man einfach Geschmack. 😉