Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Es gab mal eine Zeit, da bedeutete Metal aus Finnland nicht automatisch die Frage, ob es sich bei dem entsprechenden Release um entweder bösartigstes Satansgeballer mit regelmäßigen Abstechern in faschistoide Fantasien oder aber um schmierigsten Keyboardkleister aus dem Elfenland von nebenan handelt. Besser noch: irgendwann einmal bedeutete die Verbindung von Metal und Folklore nicht zwangsläufig unterbelichtete Sauflieder auf Oktoberfestniveau, sondern die Auseinandersetzung mit einem faszinierend mystischen kulturellen Erbe. Gerade den Landsleuten AMORPHIS, die auf fast all ihren Alben das finnische Nationalepos “Kalevala” besangen, ist es zu verdanken, dass finnische Folklore nicht nur weltbekannt wurde, sondern auch der ewigen Verwechslung mit den Geschichten der Wikinger entging.
ENSIFERUM sind 23 Jahre nach ihrem Debüt längst ein internationaler Mega-Seller und eine der erfolgreichsten Bands aus dem Land der tausend Seen überhaupt und haben sich infolgedessen und mehrerer Line-up-Wechsel hörbar von ihren Wurzeln entfernt. Das darf man selbstverständlich immer noch mögen, doch wollen wir diesen Blast From The Past nutzen, um daran zu erinnern, was leider häufig in Vergessenheit gerät: Bevor die ‘Schwertträger’ auf Bombast, Effekthascherei und im schlimmsten Fall sogar Jodel-Einlagen setzten, war das – damalige – Quartett eine kernige Metal-Band, die kaum Gimmicks benötigte. Dafür hatten sie starke Riffs und große Songs am Start!
ENSIFERUM – Wegweisendes Debüt
Man kann ENSIFERUM zu Gute halten, dass sie ein Händchen für Timing besaßen: Ihnen ist maßgeblich zuzuschreiben, den kurz darauf beginnenden Folk/Pagan-Metal-Boom zu Beginn der Nuller-Jahre mit ausgelöst zu haben – egal, was man von dem halten mag, was sich letztlich daraus entwickeln sollte. Auf ihrem selbstbetitelten Debüt beherrschte die Band diese Stilmischung meisterlich, weil die Folk-Parts hörbar, aber punktuell eingesetzt wurden und zudem immer noch von einer gewissen Melancholie gezeichnet waren. Das bereicherte Songs wie den Ohrwurm “Eternal Wait” oder das zweiteilige “Väinemöinen”-Epos, bestehend aus “Old Man” und “Little Dreamer”.
Mit mehr als einem Bein standen ENSIFERUM jedoch auch im frühen Melodic Death Metal. Die bereits erwähnten AMORPHIS sind hier zu nennen, in der Gitarrenarbeit und dem Gesang von Jari Mäenpää (heutzutage WINTERSUN) sind zudem deutliche Einflüsse alter DARK TRANQUILLITY zu vernehmen. Auffällig ist die hohe Hitdichte des Erstlings. “Hero In A Dream”, “Token Of Time” oder das überlebensgroße Epos “Treacherous Gods” mit seinem unwiderstehlichen 5/4-Riff sind neben den bereits genannten Stücken ewige Highlights. Mit “Battle Song” nahmen ENSIFERUM sowohl ihre eigene Entwicklung als auch die von Bands wie etwa TURISAS bereits vorweg.
Trendsetter & Visionäre
Ikonisches Artwork, Hitdichte von 100%, entfesselte Performance, weitreichender Einfluss – hier kann man getrost von einem moderneren Klassiker sprechen, der allerdings inzwischen ebenfalls über 20 Jahre alt ist. Darüber hinaus ist die Platte eines der stärksten Debüt-Alben aller Zeiten und hat auch im Jahre 2024 nichts von ihrer Stärke verloren. Ohne Einschränkung eine Sammlungsbereicherung!
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