Engram - Window Of Soul

Review

Was tut ein zufällig fürstlich mit schussbarem Kampfgerät ausgestatteter Bärbeisser, der sich nicht länger mit Liedchen-Pfeifen von seiner eigenen Armseligkeit abzulenken gewillt sieht und seine existenziellen Selbstzweifel eines sonnigen Vormittags – vielleicht nach einer Begegnung mit dem Kuckucks-Etikett – durch die schmale Hintertür namens Aggression hindurchhyperventiliert? – Richtig, im Zweifel einen Amoklauf veranstalten. Wie gut aber, das dies hier ein friedliebendes Musikmagazin ist und ich ergo gottlob nur musikalische Amokläufe zu explizieren habe. Um einen derart starken Tobak handelt es sich nämlich fraglos bei dem eindrucksvollen zweiten Demo der fünf Italos, aus deren Heimatland bislang nur Hartblechernes aus dem Lager der schwarz-melancholischen Seelenhypochonder und vor allem aus dem des testikelbefreiten Stimmgewaltbombasts an europaweiter Popularisation gewinnen konnte. Aggressiv, unberechenbar berechnend, dennoch irgendwie blindwütig tragen Engram implizit zur Völkerverständigung und Vorurteilskorrektur bei, wenn sie mit kompromissbereitem Kill-Heal-Kill-Geschütz die Schützengräben ihrer Vorreiter meutern. Serviert wird ein bleischwer in den Darmzotten randalierendes Gebräu von der ältesten Death-Schulbank unter Studienrat Schuldiner, jedoch wird der freche Schüler nicht selten zur Besinnung auf moderne Akkustik-Intermezzi vor die Tür des tobenden Klassenzimmers zitiert. Allerdings hat das hochtechnisierte Konglomerat mit dem halsstarrischen Schlammgebläse am Mikro einige nicht unerhebliche Schönheitsfehler: Etwas mondaminösen Bindecharakters hätte der unfeinen und rappeltrockenen Produktion gut zu Gesicht gestanden, das anspruchssatte Drum-Saatgut wären mit etwas zielsicherer Zuwendung seitens des Klangmodelleurs vermutlich erheblich grüner gediehen. Auch reisst kaum ein Blastbeat an den Wurzeln, selten einmal halbiert die Snare-Drum ihren Prügelintervall auf ein glühendes Geschwindigkeitslevel. So feuern sämtliche Rohre zwar technisch mustergültig, kompositorisch attraktiv, aber doch irgendwie blindwütig und vor allem mit Schalldämpfer. Die starken Momente finden sich vor allem in besagten Augenblicken der Muße und Einkehr, die, ähnlich gar schwedischer Lehrherren wie Opeth (wenn auch nicht derart ausgiebig), jene teils herrlich durchbeutelnde arhythmische Sperrfeuer-Kanonade umso ohrenbetäubender in Szene setzen. Auch das vollendete Auskosten etlicher brillianter Riffs gänzlich ohne Langeweilegefahr ist diesem Demo ein durchlaufender Grundzug. In summa also ein überdurchschnittlicher Import aus dem Untergrund jenes sonnigen Stiefels, welcher also auch, wie wir heute gelernt haben, gewaltig in den Arsch treten kann.

21.09.2002

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