Enforcer - Zenith

Review

Soundcheck April 2019# 15 Galerie mit 19 Bildern: Enforcer - 40 Years Of Destruction Tour 2023

Als sich der klassische Heavy Metall in den 2000ern reformierte und neben der Rückkehr alter Hasen haufenweise Newcomer-Bands das Licht der Welt erblickten, waren ENFORCER bereits vorne mit dabei. Beeinflusst von der New Wave Of British Heavy Metal und den rasenden Sounds des Speed Metal begeisterten die Schweden bereits mit ihrem Debütalbum „Into The Night„. Seitdem sind 15 Jahren vergangen, in denen sich die Band stetig weiterentwickelt und immer noch einen drauf gesetzt hat.

Dieser Tage steht das fünfte Studioalbum der Mannen um Frontmann Olof Wikstrand an. Auf den Vorgängerplatten brachte er den ENFORCER-Sound mit kleinen, wenn auch bestimmten Schritten vorwärts. Die Vorabsingle „Die For The Devil“ mit ihrem Stadionrock-Refrain zeigte bereits, dass Fans sich diesmal auf krassere Experimente gefasst machen müssen. Ob die Band mit „Zenith“ ihren titelgebenden Höhepunkt erreicht?

ENFORCER brechen mit allen Erwartungen

Die Antwort auf diese Frage hängt zu großen Teilen von der eigenen Offenheit ab, denn auf mögliche Erwartungen der Fans oder Speed-Metal-Konventionen gibt die Bands auf „Zenith“ rein gar nichts. ENFORCER machen 2019 das, was sie wollen, scheißegal, wer damit ein Problem haben könnte.

Deshalb folgt auf das hymnische „Die For The Devil“ mit „Zenith Of The Black Sun“ ein stampfender Midtempo-Song. Der macht den frühen MANOWAR alle Ehre, bevor er in ein galoppierendes IRON MAIDEN-Riff übergeht und sogar vor einem Keyboardsolo (!) keinen Halt macht.

Ein bisschen nostalgisch wird „Zenith“ doch

Doch bevor Speed-Metal-Maniacs danach den Kopf in den Sand stecken, sollten sie für „Searching For You“ ihre Lauscher aufsperren. Hier treten ENFORCER das Gaspedal mehr denn je bis zum Anschlag durch und entfachen ein infernalisches Riffgewitter. Diese Besinnung auf die Anfangstage bleibt allerdings eine Ausnahme. Einzig das im letzten Drittel platzierte „Thunder And Hell“ erinnert ebenfalls an die Zeiten von „Diamonds“ oder „Death By Fire„.

Statt weiterer Speed-Attacken folgt mit „Regrets“ nämlich eine waschechte Ballade. Und nein, die stößt nicht in die Kerbe des düsteren „Below The Slumber“ vom Vorgängeralbum „From Beyond„. „Regrets“ ist eine astreine AOR-Nummer, die JOURNEY gut zu Gesicht stehen würde. Liebliche Keyboardklänge treffen auf ein emotionales Gitarrensolo. Wikstrand zeigt sich stimmlich von einer bislang ungeahnten, melodischen Seite. Hier beschwört die Band die ganz großen Gefühle herauf.

Funk it up

„Sail On“ legt dann gleich noch funkige Gitarren und jede Menge 70s-Querverweise oben drauf. Traditionellere Metalkost liefert da schon der Stampfer „The End Of A Universe“ mit seinem griffigen Mitsing-Refrain. Die eingängigen Melodien sind ohnehin die größte Stärke von „Zenith“. So sehr wie hier haben sich die Gesangslinien von ENFORCER noch nie in die Gehörgänge gefressen.

Der absolute Höhepunkt diesbezüglich ist wohl zweifellos „One Thousand Years Of Darkness“. Entgegen dem Titel ist der Song alles andere als finster. Vielmehr präsentieren ENFORCER hiermit eine perfekte Metal-Hymne für die Stadien dieser Welt, mit einem Refrain, der gottverdammt noch mal zum Niederknien ist. Dazu gesellt sich ein cooles Gitarrensolo inklusive neoklassischer Licks. Die Keyboards kommen ebenfalls wieder zum Zuge. Genau wie in „Zenith Of The Black Sun“, setzen ENFORCER sie aber absolut songdienlich ein.

ENFORCER haben alles unter Kontrolle

Um rein gar nichts dem Zufall zu überlassen, übernahm die Band die Produktion der Platte gleich selbst. Wie schon beim Vorgänger ist der Sound absolut makellos. Das Klangbild ist absolut ausgeglichen. Kein Instrument wirkt im Mix zu leise oder zu laut.

Das „größte Heavy-Metal-Album aller Zeiten, ohne Limitierungen“ wollten ENFORCER mit „Zenith“ erschaffen. Dieses sehr hoch gesteckte Ziel erreichen die Schweden mit ihrer fünften Platte freilich nicht. Doch dafür legen sie ihr bislang bestes Album vor. Sorgt der erste Hördurchgang noch für verwirrtes Kopfschütteln, geht das spätestens beim dritten in extatisches Headbangen über.

18.04.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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1 Kommentar zu Enforcer - Zenith

  1. Se Wissard sagt:

    Zwischen „cool“ und „nervig“ ist alles dabei. Cool sind die Experimente, die sich wirklich sehr deutlich weg vom Speed Metal in Richtung AOR und Stadion entwickeln. Nervig sind die tausende „Ohhhohhhhs“, die wirken, als hätte man dringend was zum Mitsingen für die besoffenen Prolls vor der Bühne gebraucht. Das kann man ja mal machen, aber leider kommen diese Abschnitte ziemlich häufig vor.
    Ich glaube, die Platte wird noch sehr wachsen, ich vermute aber, dass „Zenith“ tatsächlich eher ein Übergangsalbum sein wird. Kommt mir ein bisschen so vor, als ob Enforcer Bock hätten auf Ghost-Ebenen zu schweben, das klappt leider noch nicht völlig. Das Album ist dennoch gut und offenbart, dass die Band noch viel zu sagen hat.
    Könnte aber eine ziemlich starke Sommer.Platte werden….also für versoffene Grillabende.

    7/10