Endstille - Re-Releases 2002-2005

Review

Galerie mit 19 Bildern: Endstille - Party.San Metal Open Air 2023

ENDSTILLEs ersten vier Alben sind von ihrem aktuellen Label Regain Records wiederveröffentlicht worden, und zwar nochmals gemastert und mit leicht überarbeitetem Layout. Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Für die armen Tropfe, deren Stereoanlagen werksmäßig ohne Volumeregler ausgeliefert wurden, ist die Lautstärke nochmals aufs derzeitig technisch machbare Maximum angehoben worden. Klingt soweit ganz anständig. Was an dem minimalistischen „Art“work verändert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber vermutlich auch zu vernachlässigen. Alles wie gehabt. Das wars.

Trotzdem kann ich mir ein paar Kommentare dazu nicht verkneifen. Dabei geht es weniger darum, dass die Band, die vor acht Jahren nach eigenen Angaben angetreten ist, um anti-kommerziellen Black Metal zu spielen, heute vermutlich fast von ihren Merchandise-Einnahmen leben kann. Oder dass sie selbst nicht ohne mindestens drei Kleidungsstück mit eigenem Logo am Leib auf die Straße geht, von ihren jugendlichen Fans ganz abgesehen. Dass man einen mehr als stolzen Betrag auf den Tisch legen muss, um in den Genuss eines Liveauftritts auf einer eigenen Veranstaltung zu kommen. Das ist alles nicht so wichtig – wichtiger sind die Alben, mit denen sie all das („das“ ist nach eigenen Angaben übrigens die Spitze der deutschen Black-Metal-Szene. Darüber kann man diskutieren) erreicht hat. Als da wären…

… das 2002 erschienene Debüt „Operation Wintersturm“, das eigentlich genauso gut „Operation Heißwasser“ heißen könnte. Wie ich gerade bei der Teezubereitung festgestellt habe, unterscheidet sich das von diesem Werk verbreitete Klangambiente nämlich nur unwesentlich von dem Geräusch, das mein eingeschalteter Wasserkocher von sich gibt. Nur braucht der keine 36 Minuten, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ehrlich gesagt finde ich die neun Krachcollagen auf „Operation Wintersturm“ extremst anstrengend, wenn auch natürlich roh, böse, kalt, misanthropisch, zerstörerisch, kriegslüstern, blackmetallisch etc. Allerdings sind das auch hunderte von Platten vorher und nachher gewesen, und ich kann keinen zwingenden Grund erkennen, warum sich dieses von einem anderen durchschnittlichen Black-Metal-Album abheben sollte. Die Riffs machen einen zufälligen und austauschbaren Eindruck, das Geballer ist stumpf und wirkt auf mich schon nach drei Songs gähnend langweilig. Am anstrengendsten finde ich jedoch die elend monotone Schreistimme von Iblis, mit der ich mich so gar nicht anfreunden kann.
Jedoch zeichnet sich auch hier schon eine Tendenz ab, die sich auf späteren ENDSTILLE-Alben für mich fortgesetzt hat: die Band ist immer dann am besten, wenn sie den Knüppel mal für ein paar Sekunden still hält. Hier ist das nur in „Ballad Of Frostbitten Heart“ der Fall. Bei weitem am besten gefällt mir aber das Abschlussmeisterwerk „Endstille“, sehr angenehm und entspannend!

„Frühlingserwachen“ von 2003 unterscheidet sich, in puncto Güte der Songs, für mich nur marginal von seinem Vorgänger. Der Sound ist ein ganz klein wenig transparenter und, zugegeben, die Prügeldichte hat zugunsten von Doublebasspassagen abgenommen. Dafür könnte ich schwören, dass die Riffs sich wie Geschwister in ihrer unharmonischen Konfusion ähneln, bis auf ein paar eingängige und irgendwie wiedererkennbare Ausreißer in z.B. „Ripping Angelflesh“, dem wirklich guten und kühlen „With The Fog They Come“ oder beim vielleicht besten ENDSTILLE-Riff zu Beginn von „Biblist Burner“. Für mich deutlich angenehmer als „Operation Wintersturm“ und für ENDSTILLE-Verhältnisse fast ein Gothic-Metal-Album.

Mit „Dominanz“ von 2004 assoziiere ich grundsätzlich immer GORGOROTHs „Destroyer“, was vermutlich nicht nur am Cover liegt. Ansonsten haben die beiden Alben nämlich auch noch das ein oder andere gemeinsam. „Dominanz“ hat von allen bisherigen Alben mit Ausnahme von „Endstilles Reich“ (bei dem wirklich kein Song mehr vom anderen zu unterscheiden ist) den rüdesten Sound, allgemein übersteuert, chaotisch, blechern, mit überdeutlichem Bassgewitter und bollernder Snare. Mit dem eröffnenden Titelsong hat die Truppe auch den nicht zu unterschätzenden Vorteil mitsingbarer Refrains für sich entdeckt. Generell ist dieses dritte Album eingängiger und wiedererkennbarer, auch wenn ich mit dem Charakter der Riffs weiterhin wenig anfangen kann. Eigentlich mag ich immer nur die Songs, die vom Einheitsgeboller abweichen, wie das thrashige und eindeutig von DARKTHRONE beeinflusste „Conquest Is Atheism“ oder das ähnlich beginnende „Bleed For Me“. Auch das traditionell ruhigere Schlussstück, hier „Feindfahrt“, gefällt mir recht gut – weil’s Atmosphäre hat. Die meisten Songs ziehen, ganz ähnlich wie das strunzmonotone Gehacke von DARK FUNERAL und Dutzenden deutscher Undergroundbands, leider einfach nur nervtötend an mir vorbei. Vielleicht bin ich zu alt, aber ich krieg von sowas Kopfschmerzen.

Überraschend war für mich das 2005 folgende „Navigator“, zumindest das öffnende „I Bless You… God“, ausgestattet mit so etwas wie Dynamik und einem nachvollziehbaren und geschickten Songaufbau. Das erste Mal auffallend – und dann gleich sehr gut – eingesetzt: Leadgitarren. Ja, sowas gibt’s! Und dann: „Na-vi-ga-tor!“. Vermutlich der Smashhit der Kieler, auch wenn ich das nicht ganz nachvollziehen kann – aber, wie schon erwähnt, fördert ein mitsingbarer Refrain die Popularität eines Songs natürlich enorm. Das gilt für MODERN TALKING und ENDSTILLE in gleichem Maße.
Gefällig an „Navigator“ ist, dass es latent misanthropischer und auch melancholischer wirkt als seine Vorgänger, durch so etwas wie subtil eingebundene Melodien (sofern man hier von Melodien sprechen kann) und Moll“harmonien“. Auch der Gesang ist ein ganz klein wenig variabler geworden, was ich begrüße. Ansonsten: im Westen nichts Neues.

Für mich ist diese Band immer seelenlos geblieben, sie bietet auf keinem ihrer fünf Alben (und auch nicht auf dem Demo und der Split-LP mit GRAUPEL) irgendetwas nennenswert Eigenständiges, Beeindruckendes oder Bleibendes, berührt nicht, bewegt nicht… ich behaupte: solche Songs schreiben kann fast jede Band. Sie so zu spielen und so zu präsentieren und zu verkaufen wie die vier Herren hier, das können allerdings nur die wenigsten.

23.04.2008

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 37294 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

14 Kommentare zu Endstille - Re-Releases 2002-2005

  1. vander sagt:

    Ich habe selten ein treffenderes Review zu Endstille gelesen!

    Wie es eine solche Band schafft, sich in den Black Metal Olymp der Großzahl aller 16jährigen zu spielen? Es muss irgendwie die Mischung aus Kriegsspielzeug und dem Reiz des Verbotenen sein…

    4/10
  2. Anonymous sagt:

    ich finde die Endstille-Shirts wirklich auch schön (so einfacher, klassischer Schriftzug ohne größeren Druck). Dazu eben "der Reiz des Verbotenen" und die "Faszination" am 2. Weltkrieg sind wohl ein Grund, warum sie so erfolgreich sind. Leider noch dieses nur schwer länger ertagbare Geballer aus allen Rohren, gähnende 0815-Riffs aber neben exzellenter (!) Schlagzeugarbeit. Geballer kann auch mehr als Krach sein, aber der natürliche Endstille-Fan gibt sich damit ab, möglichst eintönig lärmbeschallt zu werden. Der Gesang von Iblis passt hervorragend zu dem Dargebotenen, aber das ist nun mal auch schon schlecht. "Dominanz" mal ausgenommen, der einzige Song, der etwas Wiedererkennung ermöglicht.

    3/10
  3. stendahl sagt:

    Mich haben ENDSTILLE immer an die Zeiten erinnert, als auf dem Spielplatz im Buddelkasten plötzlich Tiger und Panther auftauchten, Panzer IV und Elephant und alsbald im Sand steckenblieben. Und im Eimerchen fuhr, d.h. drehte sich die Bismarck in 1:1200, manchmal kopfunter, beinahe wie ihr Vorbild 1941…

    3/10
  4. Anonymous sagt:

    Geniales Review, wirklich sehr passend und sehr amüsant! Vor allen Dingen die Assoziation mit dem Wasserkocher ist faaabelhaft! Die "Musik", oder "Lärmlandschaft" wie ich das gerne nenne, brauchen nur sehr wenige und ich frage mich ernsthaft, wie sie es zu Regain geschafft haben. Ich hoffe, da kommt nicht mehr allzuviel. Aber ich muss zugeben "With The Fog They Come" hat schon was. Aber das reicht dann auch.

  5. Anonymous sagt:

    ENDSTILLE, das ewige Streitthema, von den einen gehasst, von den anderen als die wohl einzige populäre Black-Metal-Band gefeiert. Ich entscheide mich da für den Mittelwert, da "Frühlingserwachen" und "Navigator" für mich sehr, sehr geile Alben darstellen, die ich mir immer wieder gerne anhöre. Im Gegenzug geben mir die anderen Releases der Band nur sehr wenig, die Gründe hat unser Alboin gut beschrieben: Sehr monoton, alles klingt sehr ähnlich. Meiner Meinung nach nur eben mit Ausnahme der beiden genannten Alben. Fazit: zwei Gute und drei schlechtere Alben. Da ich aber auch auf den anderen Dreien nicht nur mieses vernehmen kann, wähle ich die goldene Mitte und gebe 5/10 Punkten für das Gesamtwerk der Band (ohne die Re-Releases zu kennen).

    5/10
  6. Anonymous sagt:

    ich muss der beurteilung mal widersprechen. klar machen endstille recht primitive musik und sind inzwischen sehr erfolgreich (auch kommerziell), aber:
    1. mir gefallen alle bisherigen alben extrem gut und einige lieder haben definitiv ohrwurmcharakter und besitzen trotz des simplen aufbaus einfach das, was diese musikrichtung ausmacht (…keiner regt sich darüber auf, dass burzum und andere mit einem akkord über zehn minuten kommen :).
    2. gegen den kommerziellen erfolg kann man gerne was haben, aber das unterstreicht, meiner meinung nach, nochmal die tatsache, dass sie einfach gute musik machen.

    für mich ist endstille das \"gorgoroth\"-gegenstück in deutschen landen. (provokation 😉

    10/10
  7. blotgroppe 0 sagt:

    Heil Hizzle mein Nizzle, Herr Commander!
    Glückwunsch an die Albenbesprechung und an die Sandkastengeschichten.
    Ich persönlich fand Staubsauger- und Kaffemaschinengeräusche noch nie besonders kriegerisch, böse oder abgründig, und so sehe ich in Endstille auch nicht viel mehr als… also ganz ehrlich, Endstille ist einfahc nur Mist.
    Musikalisch, wie auch vom restlichen Konzept.
    Das age ich nicht, weil ich keinen Schwarzstahl mag oder zwanghafter Antifa-Mitläufer bin, sondern weil ich meine Zeit gerne Sachen widme, die das, was sie machen, vernünftig machen und nicht als Klamottenmarke aufziehen.

  8. Anonymous sagt:

    matzew… Es eght hier nicht darum dass es primitiv ist, sondern seelenlos, das kann man z.B. von einer "Filosofem" oder "Ordo Ad Chao" nicht behaupten.
    Endstille sind eine der schlechteren Marduk kopien… Somit ist diese Sammlung meiner Meinung nach fürn Arsch…

  9. Anonymous sagt:

    Wasserkocher machen super Musik, kein Thema. Ich höre denen auch gerne mal zu – bloß muss ich mir davon keine CD kaufen. Aber wann gibt es endlich ein Wasserkocher-Shirt für mich und die jugendlichen Fanmassen? Fett bedruckt mit "Operation Wintersturm im Wasserglas"?

    4/10
  10. ascia sagt:

    Wer vor allem in Frühlingserwachen kein starkes Black Metal Album sieht, scheint kein besonders feines Gehör für diese Musikrichtung zu haben. Mich persönlich interessiert zwar die reine Kriegsthematik nicht so, aber musikalisch verstehen Endstille (in puncto Technik ganz besonders am Schlagzeug) eine ganze Menge von dem, was sie tun und erzeugen eine mitreißende und hypnotisierende Kriegs-Atmosphäre. Mit Filosofem ist das hier gar nicht zu vergleichen, das ist eine ganz andere Art von Black Metal.
    Für mich gibt es jedenfalls keine Band, die mehr nach Krieg klingt als Endstille.

    9/10
  11. infernal sagt:

    Früher konnte ich auch nicht Endstille mögen, deshalb kann ich es nachvollziehen wenn einer sagt die band widerspricht musikalität. Doch wenn man einmal genau hinhört, so klingt da echt atmosphäre raus. man muss lieder eben mehrmals hören oder genau hinhören um sich davon packen zu lassen. abgesehen davon das sie so erfolg haben ohne auf kommerz zu achten….

    9/10
  12. Evil sagt:

    Auch wenn einige der hier geäußerten Kritikpunkte sicherlich zutreffen (vor allem die Eintönigkeit und die Kritik am Album „Operation Wintersturm“) muss ich doch mal feststellen, dass Endstille sehr wohl Eigenständigkeit besitzen (vor allem was die Arbeit des Drummers und den Schlagzeugsound betrifft, sowie die teils sehr einprägsamen Refrains) und zu beeindrucken wissen (durch rohe Gewalt, die finde ich auch Marduk alt aussehen lässt). Solche Songs sind vielleicht nicht so schwer zu schreiben, aber ich behaupte das gilt für 90% aller Black-Metal-Songs. Außerdem kenne ich keine einzige Band, die ich mit Endstille vergleichen würde, mit Ausnahme vielleicht von Marduk, wobei gerade bei Endstille das Schlagzeugspiel um einiges wirkungsvoller eingesetzt wird.

    7/10
  13. PestilenceAndGlory sagt:

    Alboin, du bleibst als Musiker ein Fast-Genie, aber als Journalist eine Flachpfeife.

    Das Problem ist, wie bei den meisten metal.de-Redakteuren, nicht, dass dem Herrn das Dargebotene nicht gefällt. „Läuft mir nicht rein, das und das gefällt mir nicht, 4/10, gute Nacht“ ist mMn okay und als Begründung auch ausreichend, aber auf der Seite hier wird viel zu oft einfach wild ALLES kritisiert, um eine miese Bewertung zu rechtfertigen. Dadurch soll irgendwie ein Anschein der Objektivität gewahrt werden, wobei jedem klar sein sollte, dass Musik-Renzensionen immer nur den Geschmack des Rezensenten wieder geben, was auch gut so ist.

    Das Review hier strotzt von Vorurteilen und ist vollkommen unnötig – dass der Herr Endstille nicht mag, ist bekannt, und von mir aus auch okay, aber da hat es nicht noch einen General-Verriss von vier Alben benötigt.

    Möge der feine Herr doch lieber bei seinem Bass bleiben und simultan die Leute anschreien, das kann er nämlich ziemlich gut.

  14. Hans-Hubert sagt:

    Blafasel. Objektivität ist nichts weiter als unreflektierter Subjektivismus.

    Aber eines stört mich hier immer und immer wieder in den Reviews: Der Egosprech. „Ich“ ist immer so fanzine-like.