Endstille - Re-Releases 2002-2005

Review

ENDSTILLEs ersten vier Alben sind von ihrem aktuellen Label Regain Records wiederveröffentlicht worden, und zwar nochmals gemastert und mit leicht überarbeitetem Layout. Mehr muss man eigentlich nicht wissen. Für die armen Tropfe, deren Stereoanlagen werksmäßig ohne Volumeregler ausgeliefert wurden, ist die Lautstärke nochmals aufs derzeitig technisch machbare Maximum angehoben worden. Klingt soweit ganz anständig. Was an dem minimalistischen „Art“work verändert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber vermutlich auch zu vernachlässigen. Alles wie gehabt. Das wars.

Trotzdem kann ich mir ein paar Kommentare dazu nicht verkneifen. Dabei geht es weniger darum, dass die Band, die vor acht Jahren nach eigenen Angaben angetreten ist, um anti-kommerziellen Black Metal zu spielen, heute vermutlich fast von ihren Merchandise-Einnahmen leben kann. Oder dass sie selbst nicht ohne mindestens drei Kleidungsstück mit eigenem Logo am Leib auf die Straße geht, von ihren jugendlichen Fans ganz abgesehen. Dass man einen mehr als stolzen Betrag auf den Tisch legen muss, um in den Genuss eines Liveauftritts auf einer eigenen Veranstaltung zu kommen. Das ist alles nicht so wichtig – wichtiger sind die Alben, mit denen sie all das („das“ ist nach eigenen Angaben übrigens die Spitze der deutschen Black-Metal-Szene. Darüber kann man diskutieren) erreicht hat. Als da wären…

… das 2002 erschienene Debüt „Operation Wintersturm“, das eigentlich genauso gut „Operation Heißwasser“ heißen könnte. Wie ich gerade bei der Teezubereitung festgestellt habe, unterscheidet sich das von diesem Werk verbreitete Klangambiente nämlich nur unwesentlich von dem Geräusch, das mein eingeschalteter Wasserkocher von sich gibt. Nur braucht der keine 36 Minuten, um zu einem Ergebnis zu kommen. Ehrlich gesagt finde ich die neun Krachcollagen auf „Operation Wintersturm“ extremst anstrengend, wenn auch natürlich roh, böse, kalt, misanthropisch, zerstörerisch, kriegslüstern, blackmetallisch etc. Allerdings sind das auch hunderte von Platten vorher und nachher gewesen, und ich kann keinen zwingenden Grund erkennen, warum sich dieses von einem anderen durchschnittlichen Black-Metal-Album abheben sollte. Die Riffs machen einen zufälligen und austauschbaren Eindruck, das Geballer ist stumpf und wirkt auf mich schon nach drei Songs gähnend langweilig. Am anstrengendsten finde ich jedoch die elend monotone Schreistimme von Iblis, mit der ich mich so gar nicht anfreunden kann.
Jedoch zeichnet sich auch hier schon eine Tendenz ab, die sich auf späteren ENDSTILLE-Alben für mich fortgesetzt hat: die Band ist immer dann am besten, wenn sie den Knüppel mal für ein paar Sekunden still hält. Hier ist das nur in „Ballad Of Frostbitten Heart“ der Fall. Bei weitem am besten gefällt mir aber das Abschlussmeisterwerk „Endstille“, sehr angenehm und entspannend!

„Frühlingserwachen“ von 2003 unterscheidet sich, in puncto Güte der Songs, für mich nur marginal von seinem Vorgänger. Der Sound ist ein ganz klein wenig transparenter und, zugegeben, die Prügeldichte hat zugunsten von Doublebasspassagen abgenommen. Dafür könnte ich schwören, dass die Riffs sich wie Geschwister in ihrer unharmonischen Konfusion ähneln, bis auf ein paar eingängige und irgendwie wiedererkennbare Ausreißer in z.B. „Ripping Angelflesh“, dem wirklich guten und kühlen „With The Fog They Come“ oder beim vielleicht besten ENDSTILLE-Riff zu Beginn von „Biblist Burner“. Für mich deutlich angenehmer als „Operation Wintersturm“ und für ENDSTILLE-Verhältnisse fast ein Gothic-Metal-Album.

Mit „Dominanz“ von 2004 assoziiere ich grundsätzlich immer GORGOROTHs „Destroyer“, was vermutlich nicht nur am Cover liegt. Ansonsten haben die beiden Alben nämlich auch noch das ein oder andere gemeinsam. „Dominanz“ hat von allen bisherigen Alben mit Ausnahme von „Endstilles Reich“ (bei dem wirklich kein Song mehr vom anderen zu unterscheiden ist) den rüdesten Sound, allgemein übersteuert, chaotisch, blechern, mit überdeutlichem Bassgewitter und bollernder Snare. Mit dem eröffnenden Titelsong hat die Truppe auch den nicht zu unterschätzenden Vorteil mitsingbarer Refrains für sich entdeckt. Generell ist dieses dritte Album eingängiger und wiedererkennbarer, auch wenn ich mit dem Charakter der Riffs weiterhin wenig anfangen kann. Eigentlich mag ich immer nur die Songs, die vom Einheitsgeboller abweichen, wie das thrashige und eindeutig von DARKTHRONE beeinflusste „Conquest Is Atheism“ oder das ähnlich beginnende „Bleed For Me“. Auch das traditionell ruhigere Schlussstück, hier „Feindfahrt“, gefällt mir recht gut – weil’s Atmosphäre hat. Die meisten Songs ziehen, ganz ähnlich wie das strunzmonotone Gehacke von DARK FUNERAL und Dutzenden deutscher Undergroundbands, leider einfach nur nervtötend an mir vorbei. Vielleicht bin ich zu alt, aber ich krieg von sowas Kopfschmerzen.

Überraschend war für mich das 2005 folgende „Navigator“, zumindest das öffnende „I Bless You… God“, ausgestattet mit so etwas wie Dynamik und einem nachvollziehbaren und geschickten Songaufbau. Das erste Mal auffallend – und dann gleich sehr gut – eingesetzt: Leadgitarren. Ja, sowas gibt’s! Und dann: „Na-vi-ga-tor!“. Vermutlich der Smashhit der Kieler, auch wenn ich das nicht ganz nachvollziehen kann – aber, wie schon erwähnt, fördert ein mitsingbarer Refrain die Popularität eines Songs natürlich enorm. Das gilt für MODERN TALKING und ENDSTILLE in gleichem Maße.
Gefällig an „Navigator“ ist, dass es latent misanthropischer und auch melancholischer wirkt als seine Vorgänger, durch so etwas wie subtil eingebundene Melodien (sofern man hier von Melodien sprechen kann) und Moll“harmonien“. Auch der Gesang ist ein ganz klein wenig variabler geworden, was ich begrüße. Ansonsten: im Westen nichts Neues.

Für mich ist diese Band immer seelenlos geblieben, sie bietet auf keinem ihrer fünf Alben (und auch nicht auf dem Demo und der Split-LP mit GRAUPEL) irgendetwas nennenswert Eigenständiges, Beeindruckendes oder Bleibendes, berührt nicht, bewegt nicht… ich behaupte: solche Songs schreiben kann fast jede Band. Sie so zu spielen und so zu präsentieren und zu verkaufen wie die vier Herren hier, das können allerdings nur die wenigsten.

23.04.2008
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