Emigrate - A Million Degrees

Review

EMIGRATE sind zurück!

EMIGRATE-Fans haben es schon nicht leicht. “Silent So Long“ hieß nicht nur das zweite Album der Band, sondern entwickelt sich vielmehr zum Leitspruch. Immerhin vier Jahre hat es gedauert, bis nun der Nachfolger “A Million Degrees“ erscheint. Dennoch kam die Nachricht eines neuen Albums ein wenig überraschend, schließlich steckt Mastermind Richard Z. Kruspe nebenbei in den Vorbereitungen mit seiner Hauptband RAMMSTEIN 2019 mit neuem Album und Tour groß aufzufahren. Doch wollen wir uns nicht beschweren und schauen, was “A Million Degrees“ bereithält – und das ist einiges!

Die Platte beginnt mit dem langsamen, ein wenig drückenden “War“, einer Nummer mit erstmals sozialkritischen Tönen aus dem Hause EMIGRATE. Trotz der düsteren Atmosphäre hat der Song einen gewissen Groove, der so bald nicht aus dem Ohr verschwinden möchte. Nach einem starken Beginn folgt mit “1234“ der nächste Höhepunkt. Zusammen mit Ben von BILLY TALENT zelebrieren EMIGRATE, die noch nie auch nur ein Konzert gespielt haben, eine Live-Hymne ohne Gleichen, die mit einem leichten Punk-Flair zum gepflegten Ausrasten auf Konzerten einlädt. Schade eigentlich, dass das so bald nichts werden wird.

Ein Album der Kontraste

Es folgt der erste von vielen Stilumbrüchen auf “A Million Degrees“. EMIGRATE zeigen sich auf ihrer jüngsten Platte vielfältiger denn je, was der Titeltrack im Kontrast zur Partynummer “1234“ eindrucksvoll unter Beweis stellt. Ein ruhiges Elektronikintro verbindet sich mit melodischen Gitarren zu einem imposanten Refrain mit fast hymnischen Einschlag. Auch “Lead You On“ mit der charmanten Stimme von MARGAUX BOSSIEUX und die zweite Single “You Are So Beautiful“ loten gekonnt die Grenzen zwischen Rock, Pop und elektronischen Sounds aus. Und wer von den Stilbrüchen noch nicht genug hat, dem bietet “Hide And Seek“ den perfekten kernigen Gegenpart. Die kraftvolle Nummer mit Hang zu groovig-metallischerem Sound zeigt, wie unterschiedlich und doch stimmig der Gesamtklang einer Platte wirken kann.

Eine sanfte, an einen Zirkus erinnernde Melodie leitet über in einen der möglicherweise kitschigsten und dennoch besten Songs des Albums. “We Are Together“ steigert sich über den Verlauf des Liedes von einer ruhigen, sphärischen Rocknummer hin zu einem emotionalen Giganten samt packendem Gitarrensolo. Wer meint, dass es ja offenbar nichts zu meckern gibt, hat ohne Zweifel Recht, denn auch die folgenden Titel sind so abwechslungsreich und frisch, dass man bei jedem Hördurchlauf wieder etwas Neues entdeckt.

Gesangliche Prominenz

Neben dem bereits in Erscheinung getretenen Ben von BILLY TALENT dürfen auch andere Gastsänger auf “A Million Degrees“ nicht fehlen. So folgen zwei weitere Größen der internationalen Rockmusik: Niemand geringeres als RAMMSTEIN-Kollege Till Lindemann zelebriert mit Richard in “Let’s Go“ ihre innige Freundschaft. Gekonnt RAMMSTEIN-fremd gestaltet, zeigt die Elektro-Pop-Nummer, wie harmonisch die beiden Stimmen auch in musikalisch fremden Gefilden wirken können. Apropos harmonische Stimmen. In “I’m Not Afraid“ steht Cardinal Copia von GHOST im Mittelpunkt, wobei sich seine Stimme vortrefflich in den EMIGRATE-Sound einbettet und dennoch Parallelen zu GHOST zulässt. Eingängig, irgendwie poppig trotz harter Gitarren und mit tollem stimmlichen Kontrast glänzend gibt es auch hier wieder keinen Ansatzpunkt für Kritik.

Das Album schließt mit dem kantigen “Spitfire“, das in den Strophen mit melodischen Elementen spielt, nur um im Refrain das Ganze mit einer brachialen Gitarrenwalze zu überrollen und “Eyes Fade Away“, der einzigen eintönigen Nummer. Auch wenn “A Million Degrees“ mit einer eher nichtsagenden Nummer endet, ist doch der Großteil packend, vielseitig und spannend. Nicht nur EMIGRATE-Fans dürften an diesem Album ihre Freude haben, sondern auch jeder Freund und jede Freundin gut gemachter Rockmusik.

 

03.12.2018
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