Elvenking - Reader Of The Runes - Divination

Review

Soundcheck August 2019# 18 Galerie mit 20 Bildern: Elvenking – HelmFest 2022

Es gibt Bands, da weiß man schon im Vorfeld, dass die persönliche Kitsch-Schmerzgrenze auf das Äußerste strapaziert werden wird. Die Italiener von ELVENKING gehörten eigentlich schon immer zu dieser Gattung. Da jeder vermutlich ein anderes Empfinden an den Tag legt, wäre es aber natürlich nicht fair, die Bewertung eines Albums auf dem Kitschfaktor aufzubauen. Mit ihrem bereits zehnten Longplayer „Reader Of The Runes – Divination“ versuchen die Folk-Power-Metaller auch erstmals – der Name lässt es bereits erahnen – eine eigene Welt zu kreieren und diese in Form mehrerer Konzeptalben zum Leben zu erwecken. Es dürfte sich also um das ambitionierteste Werk der Band handeln. Ist es auch das bislang beste?

ELVENKING können nur kleine Ausrufezeichen setzen

Sowohl das Intro „Perthro“ als auch der erste richtige Song „Heathen Divine“ starten folkig, wie man es von ELVENKING gewohnt ist. Die Hauptmelodie der letztgenannten Nummer kommt, wie ebenfalls bereits vermutet, zuckersüß daher, geht aber eher in Richtung klassischen Power Metals. Während der Gesang in den Strophen beliebig bleibt, kann der euphorische Refrain zumindest ein kleines Ausrufezeichen setzen, auch wenn in Sachen Eingängigkeit hier durchaus noch Luft nach oben ist. Der etwas düsterer geratene Zwischenteil, inklusive zugehöriger Gitarrensoli, bringt außerdem wenigstens ein bisschen Härte zurück in den Song.

Während ein Titeltrack häufig das Aushängeschild eines Albums darstellt, kann davon im Fall von „Divination“ keine Rede sein. Auch wenn der Folk, anders als im Vorgänger, hier wieder stärker im Fokus steht, bleibt es einfach eine Nummer, die arm an Highlights und auch schnell wieder vergessen ist. Die Melodie zu Beginn von „Silverseal“ erinnert an alte Zeiten von BLIND GUARDIAN, als deren Folk-Schlagseite noch wesentlich größer war, ohne natürlich an ihre Qualität heranzureichen. Ein wirkliches Ärgernis wird auch hier durch die arg dudeligen Twin-Gitarren deutlich: Die furchtbare Plastik-Produktion. Niemand erwartet von einer Band wie ELVENKING einen erdigen Old-School-Sound. Aber die Art und Weise, wie hier die Gitarren jeglicher Ecken und Kanten beraubt werden und auch insgesamt einfach der Punch fehlt, ist definitiv zu viel des Guten.

Im weiteren Verlauf der Scheibe tauchen zwar auch schunkelig-mittelalterliche Töne, wie im vor allem gesanglich gelungenen „Eternal Eleanor“ auf – allerdings wird auch häufig auf klassischen, ziemlich klebrigen Power Metal gesetzt. Oft kommen dabei allzu durchschnittliche Songs wie „The Misfortune of Virtue“ oder „Under The Sign Of A Black Star“ heraus. In „Malefica Doctrine“ wird zwar versucht, durch Double Bass, Blast Beats und in der Zweitstimme sogar gutturalem Gesang mal so richtig hart zu klingen, durch den bereits erwähnten Plastik-Sound wirkt dies aber furchtbar inkonsequent. Mit „Sic Semper Tyrannis“ hat es auch nur eine Pagan-Nummer, die etwas an TURISAS erinnert, auf das Album geschafft, was doch ein wenig verwundert.

Passend zur eigenen Welt, die die Band gerne erschaffen möchte, wagt man sich zum Ende sogar an einen über zehnminütigen Long-Track. „Reader Of The Runes – Book I“ kann auch wirklich was. Eine tolle, hier wieder etwas folkigere Lead-Melodie leitet eine endlich einmal gelungene Strophe ein, bevor der Refrain, der bereits im akustischen Interlude „Diamonds In The Night“ kurz angestimmt wurde zeigt, wie catchy ELVENKING sein können, wenn sie wollen. An sich handelt es sich hier also klar um den besten Song des Albums. Eine Länge von fünf bis sechs Minuten hätte aber völlig ausgereicht. Stattdessen wird durch Akustik-Einschübe in denen wenig passiert, zigfache Wiederholungen des Refrains und ein gefühlt endloses Outro der Song einfach nur künstlich aufgebläht und ist damit letztlich eine Mogelpackung. Schade!

Zu wenig Folk, zu wenig gute Ideen – „Reader Of The Runes – Divination“

Bislang konnten sich ELVENKING durch den hohen Folk-Anteil recht klar von zuckrigen Power Metal Bands, wie den Landsmännern von RHAPSODY (in allen Variationen), absetzen. Auf „Reader Of The Runes – Book I“ wurde eben jener Anteil aber deutlich zurück gefahren, was gleich aus mehreren Gründen eine eher unglückliche Entscheidung sein dürfte. Zunächst ist Sänger Damna nun mal einfach kein Fabio Lione.

Darüber hinaus kommt es in diesem Metier vor allem auf eins an: Eingängigkeit. Melodische Refrains, die sofort ins Ohr gehen und sich dort fest setzen. Genau hier bietet die Scheibe aber zu oft nur Durchschnittskost, die zwar nie richtig schlecht, aber eben auch selten herausragend ist. Gerade der eigentlich wirklich gute, epische Rausschmeißer, zeigt durch seine völlig übertriebene Länge, dass die Ideen vielleicht doch noch nicht für ein komplexes Konzeptalbum, das man eigentlich kreieren wollte, ausgereicht haben.

Fans des Genres und der Gruppe können durchaus mal ein Ohr riskieren, aber wenn dies – wie angekündigt – wirklich die Richtung ist, die ELVENKING auch in näherer Zukunft einschlagen wollen, sollten sie diese Entscheidung vielleicht doch noch einmal überdenken.

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27.08.2019

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