Ellende - Ellenbogengesellschaft

Review

ELLENDE war bis nach „Lebensnehmer“ ein bisschen das schmuddelige Kind im österreichischen Post-Black-Metal-Kosmos. Überraschend also, dass die Einmannband gerade mit einem ruppigen Albumtitel wie „Ellenbogengesellschaft“ in sich kehrt und die schroffen, kantigen Momente mehr und mehr aus dem Klangbild verbannt.

„Ellenbogengesellschaft“ hat Gänsehaut-Momente

Natürlich ist ELLENDE schon immer der Melancholie verfallen, doch so deutlich und omnipräsent wie auf „Ellenbogengesellschaft“ war sie bislang nicht. Die Schwere, die das vierte Album dominiert, ist nahezu allumfassend. Zwar sucht L.G. immer mal wieder die Flucht nach vorn und durchbricht die harmonisch-traurigen Melodien mit rasantem Black-Metal-Gewitter. Doch der graue Schleier bleibt selbst in diesen Momenten dicht und drückend.

Dass ist einerseits schade, denn gerade die Kontraste aus Wut und Trauer waren es, die ELLENDE bis dahin spannender machten als so manche Genrekollegen. Andererseits bietet „Ellenbogengesellschaft“ nicht nur gutklassige Kost, die so aber eben auch von ihren Landsleuten und Labelkollegen (beispielsweise HARAKIRI FOR THE SKY oder KARG) längst in dieser Form dargeboten und ausgereizt wurde, die eigene Handschrift schimmert immer durch. Manifestiert sich in einzelnen Höhepunkten.

So ist zum Beispielder Klar- und Schreigesang, der sich über schwermütige Melodien und rollende Doublebass in „Ruhelos“ legt, atemberaubend – einfach, weil er emotional komplett zupackt. Gänsehautemomente wie diese sind es, die „Ellenbogengesellschaft“ ausmachen. Diesen bietet so auch das sehr reduzierte „Someday“, das dank Piano-Untermahlung, wenig Gitarre und zurückgenommenen Gesang eine einzigartige Stimmung erschafft – nur um dann gegen Ende in ein fulminantes, kraftvolles Finale einzulaufen.

ELLENDE liefern ein Album für Genre-Genießer

Bei all den atmosphärisch packenden Momenten, bleibt bei ELLENDE immer etwas Stückwerk dabei. Glanzvoll ist, was aus den Post-Black-Metal-Pfaden ausbricht. Mag es früher eine gewisse Wut gewesen sein, ist es auf „Ellenbogengesellschaft“ gar der noch tiefere Blick ins Innenleben des Musikers – mehr Melancholie als Aggression. Letztere mag der ein oder andere vielleicht in harten Gitarren, harschen Vocals oder Blastbeats sehen. Doch mit Verlaub, die Szene hat längst gezeigt, dass sie sich ebenfalls gut als Stilmittel für beklemmenden Black Metal eignen. Nach wie vor zerfließt ELLENDE nicht in Selbstmitleid, lässt aber einige Stacheln bei und wirkt damit etwas angepasster, gleichzeitig aber eben immer noch vielseitig. Für Genregenießer sicher ein Highlight ohne Meisterwerkstatus.

07.11.2022

Chefredakteur

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