Eivør - Enn
Review
Dass die Musik von EIVØR mit Metal nicht viel am Hut hat, hat Kollege Otterbeck ja erst unlängst festgestellt. Nichtsdestotrotz lohnt es sich, für die atmosphärischen Sounds der färöischen Sängerin ein Ohr zu riskieren, so falsch diese Wortwahl bei genauerer Betrachtung auch wirken mag. Absolut tiefenentspannt und unaufdringlich liefert EIVØR mit ihrem neuen Album „Enn“ einen Soundtrack für die ruhigeren Stunden, der schlimmstenfalls ohne größere Resonanz und damit auch absolut schadfrei am Zuhörer vorbeiplätschert. Wer sich jedoch auf die sphärischen Ambient-Klänge einlässt, kann hier spannendes entdecken.
EIVØR entführt auf eine klangliche Reise ins Weltall
Von ihren Folk-Pop-Wurzeln hat sich EIVØR ein gutes Stück entfernt. Geblieben ist ihr elfengleicher Gesang, der von seiner kaum greifbaren Zurückhaltung lebt und sich nur selten zu kraftvolleren Spontaneruptionen verdichtet. Zwischen warmen, klassisch anmutenden Klavier- und Streicherparts bestimmen elektronische Beats über weite Strecken das Klangbild, was gut zu der klanglichen Reise passt, die „Enn“ beschreibt. Der Opener „Ein Klóta“ (Ein Planet) beginnt im Weltall mit einem distanzierten Beobachterblick auf unsere Erde, während sich die weiteren Stücke immer weiter an das Leben in seinen vielen Facetten annähern.
„Enn“ ist ein Gesamtwerk, dem EIVØR einen so beeindruckend stabilen Spannungsbogen verliehen hat, dass eine Einzelbetrachtung der Stücke wenig Sinn ergibt. Der atmosphärische Aufbau der Kompositionen schreitet kontinuierlich voran und erreicht mit dem gewaltigen „Upp Úr Øskuni“ (Aus Der Asche) seinen dramatischen Höhepunkt. Hier setzt EIVØR erstmals auf harte Stromgitarrenriffs, die auch bei beinharten Metalfans für einen Wiedererkennungswert sorgen. Die folgende Erdhymne „Gaia“ rundet „Enn“ schließlich ab und entlässt den Zuhörer aus seiner liebevoll konstruierten Traumwelt sanft zurück in die Gegenwart.
Der Nachhall ebbt zu schnell ab
Alles in Allem hat EIVØR mit „Enn“ also ein atmosphärisches Werk abgeliefert, welches sich kaum nach klassischen Rockmusik-Kriterien bewerten lässt. Die atmosphärische Dichte erinnert an Künstler wie SIGUR RÓS oder GÅTE und atmet die raue Schönheit der weiten nordischen Landschaften von EIVØRs Heimat. Lediglich der Nachhall von „Enn“ ebbt etwas zu schnell wieder ab, so dass sich Fans von getragenen Ambientsounds alsbald wieder auf die Suche nach neuem Futter begeben dürften. Mit etwas Abstand wird sich „Enn“ aber auch in einigen Jahren wieder neu entdecken lassen, sofern EIVØR es bis dahin nicht ohnehin geschafft hat, einen noch eindrücklicheren Nachfolger zu veröffentlichen.