Eisregen - Brummbär (EP)

Review

Galerie mit 22 Bildern: Eisregen - Grenzgang Tour 2023 in Frankfurt

Quo vadis, EISREGEN?

Das haben sich gewiss viele ihrer ehemaligen Fans schon gefragt. Für mich begann der Zerfall (harhar) allmählich mit „Blutbahnen“ und setzte sich seitdem unaufhaltsam fort. Und nun das: „Brummbär“ heißt die neue Mini-CD der Thüringer, deren Cover ein Sturmpanzer IV ziert, eine Kriegsmaschine der deutschen Wehrmacht aus dem zweiten Weltkrieg, die rein zufällig den Spitznamen „Brummbär“ trägt. Damit dürfte die Marschrichtung des „neuen“ EISREGEN-Konzeptes klar sein. Wer’s jetzt noch nicht gemerkt hat: Auf „Brummbär“ herrscht die Weltkriegsthematik vor, die EISREGEN nun schon seit einiger Zeit regelmäßig aufgreifen. Was sich vorher immer nur auf einzelne Songs beschränkt hat, ist nun das Konzept der vorliegenden Mini-CD sowie des kommenden Albums „Marschmusik“. Eine Band, die für ihren zugegebenermaßen umstrittenen Backkatalog einen Stammplatz bei der BPjM ergatterte, versucht nun, mit Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg zu schockieren.

Jetzt kann man natürlich wunderbar über Geschmack streiten, gerade bei EISREGEN entbrennt regelmäßig eine Debatte zwischen Fans und Kritikern. Doch muss man an dieser Stelle einfach sagen, dass das textliche Niveau auf „Brummbär“ mal wieder neue Tiefen erreicht hat. Meister der Lyrik waren EISREGEN zwar nie wirklich, doch waren ihre Texte – so einschlägig und makaber sie auch sein mögen – größtenteils gut geschrieben. Bis den Thüringern langsam die Ideen ausgingen.

Lange Rede, kurzer Sinn, was gibt es auf „Brummbär“ zu hören? Es beginnt mit „Gott Der Panzer“, dem besten Track der Veröffentlichung – was in diesem konkreten Falle leider nicht viel bedeutet. Eine pechschwarze Doom-Walze rollt einem Panzer nicht ganz unähnlich erbarmungslos über den Hörer hinweg und lässt dabei vereinzelt an die Zeit vor „Blutbahnen“ denken – zumindest optimistisch gesehen. Der Text hingegen ist wieder sehr holprig geraten und zum Teil an allen rhythmischen Metren vorbei gedichtet. Die Religionskritik haben EISREGEN auch schon besser hinbekommen, auch wenn der Text in Ordnung geht. Es folgt „Panzerschokolade“, das mit seinem Polkarhythmus und punkigem Refrain zu überzeugen sucht. Zugegeben: Der Refrain kann ein bisschen was, der Rest ist aber nur bestenfalls alberner Toilettenhumor zum Mitschunkeln. Wer’s braucht …

Dem schließen sich drei Remixes älterer Stücke an: Es beginnt mit „Auf Ewig Ostfront“ von dem Album „Schlangensonne“, das in eine RAMMSTEIN-Hommage umgewandelt wurde. Eine „extrem Tanzbare Version“ nennt der Promoflyer den Mix, der sich abgesehen von den etwas straighteren Industrial-Metal-Rhythmen nur geringfügig vom Original unterscheidet und dementsprechend kaum der Rede wert ist. Weiter geht es mit einem Ambient-artigen Mix von „Eisenkreuzkrieger“, im Original von „Blutbahnen“, welches komplett eingedampft wurde. Klavier und elektronische Beats stehen hier im Vordergrund, versäumen es aber, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Darüber hinaus fehlen wesentliche Zeilen des Textes – der Aufhänger der an sich guten und aufwühlenden Geschichte wurde komplett weggelassen, was diesen Mix ziemlich belanglos macht. Es folgt „Schakal – Ode An Die Streubombe“, im Original von „Rostrot“. Dieses wurde in eine hektische Industrial-Nummer umgewandelt und stellt die bei weitem beste Neuinterpretation dieser Mini-CD dar. Viel mehr als nett gemeinte Lückenfüller sind diese Stücke aber nicht, da sich kaum ein zusammenhängendes Narrativ aus den Songs herausbildet. Warum das von Bedeutung ist?

Nun, beschlossen wird diese Veröffentlichung mit dem quasi-instrumentalen Outro „Luftangriff“, das mit Blastbeats und melancholischen Klavier-Linien aufwartet. Dieses Stück hätte wunderbar gepasst, wenn EISREGEN sich etwas mehr Mühe gegeben hätten, um auf diesen tragischen Höhepunkt hinzuarbeiten. Beispielsweise hätte es hier ein ganzes Album geben können, das eine entsprechende Geschichte erzählt, die mit der Bombardierung einer Stadt endet. Tja, HÄTTE. Die Mittel, um qualitative Kost zu produzieren sind definitiv da, nur haben sich die Thüringer ohrenscheinlich nicht die Zeit genommen, um etwas Vernünftiges daraus zu machen.

So bleibt „Brummbär“ eine in vielerlei Hinsicht fragwürdige, künstlich aufgeblasene und maßlos überteuerte Veröffentlichung, die als Appetizer zum neuen Album dienen soll, als solcher aber keine besonders gute Figur macht. Die Mini-CD ist einfach zu fragmentarisch und uninteressant geraten, um wirklich einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Hinzu kommen die durchschnittliche Produktion und das ausgeleierte Konzept, von dem sich wirklich nur noch die naivsten Zuhörer schockieren lassen. Und der Versuch, das kaum vorhandene Narrativ mit „Luftangriff“ abzurunden, geht nach hinten los. Wirklich schade, aber angesichts der jüngeren Entwicklung von EISREGEN nicht weiter verwunderlich.

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31.07.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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