Edge of Sanity - Purgatory Afterglow

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Mit „Purgatory Afterglow“ veröffentlichten EDGE OF SANITY im Oktober 1994 den Album-Nachfolger zu „The Spectral Sorrows“, nachdem Mitte desselben Jahres bereits die „Until Eternity Ends“-EP rauskam.

„Purgatory Afterglow“ – EDGE OF SANITY brechen ihr Versprechen!

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, „Purgatory Afterglow“ ist nicht, wie auf der Rückseite der „Until Eternity Ends“-EP großspurig angekündigt, so etwas wie der Nachfolger von „Unorthodox“. Und „Until Eternity Ends“ hat eben doch eine eindeutige Verbindung zu „Purgatory Afterglow“, wie auch beide Werke zu „The Spectral Sorrows“. Warum sich EDGE OF SANITY zu der Aussage hinreißen ließen, die sie dann selbst nicht einhalten konnten oder wollten? Vielleicht wollten die anderen Bandmitglieder den experimentierfreudigen Dan Swanö, der EDGE OF SANITY immer in eine melodischere und progressivere Richtung bringen wollte, unter Druck setzen? In dieser Konstellation jedenfalls gab es keinen mehr Weg zurück zum recht limitierten Schwedentod, dafür hatte sich die Band sicherlich zu weit entwickelt, dafür konnte sich Dan mit seinen Ideen zu sehr durchsetzen.

Das Opus Magnum

Waren bereits die vorherigen beiden Veröffentlichungen Kompromisse innerhalb des äußerst kreativen Spannungsfeldes innerhalb von EDGE OF SANITY, führte „Purgatory Afterglow“ diesen Weg weiter, der letztendlich die Band in zwei Lager spaltete und immer mehr zu einem Projekt werden ließ. Gleichzeitig vereinten EDGE OF SANITY durch diese Gegensätze, durch diesen steten Kontrast und damit einhergehende Spannung und Dynamik so erstklassige, herausragende Songs miteinander, dass sie damit ihr Opus Magnum erschufen. Denn „Purgatory Afterglow“ übertrifft die bisherigen Veröffentlichungen an Abwechslung, Stilvielfalt und Vielschichtigkeit. Die Kombination aus Death Metal mit großen Melodien und Progression findet sich hier in perfekter Balance. Gekrönt vom warmen, voluminösen Sound, aufgenommen in Swanös Unisound Studio, sowie dem stimmigen Artwork von „Necrolord“ aka Kristian Wåhlin (GROTESQUE, LIERS IN WAIT).

„Twilight“ ist der stärkste Song von Dan Swanö aller Zeiten

Den Anfang macht das epische, progressive und schlicht geniale „Twilight“, den größten Song, den Dan Swanö jemals geschrieben hat. Schon alleine der Text ist magisch und zaubert auch ohne die Musik eine mystische Atmosphäre. Sphärisches Keyboard wabbert in melancholische, nebelgetränkte Klangwelten, die zunächst auf „Misplaced Childhood“ von MARILLION verweisen. Dann die klare, markante, prophetische Stimme von Dan, die in die Dämmerung führt und gleich für Gänsehaut sorgt, die für die gesamten knapp 8 Minuten auch bestehen bleibt.

„I close your eyes and whisper goodbye / You will never see how I cry / I can recall what you said to me once: / If I leave there will be a sign / And the twilight will show me tonight“

Ein hypnotisches, griffiges Lead-Riff führt den Hörer anschließend in ein wunderbares Melodic Death Metal-Stück, unerwartete Harmony-Leads, Mitsing-Hooks irgendwo zwischen BLIND GUARDIAN und HELLOWEEN, alles niederwalzende Midtempo-Grooves, kernig tiefe Growls und ein eingängiger Refrain, wie in kaum jemand in diesem Genre hinbekommt. Ein atmosphärischer Break mit Spoken-Words-Passage die mit einem abgründigen „No“ endet. Eine wahrhafte Lehrstunde in Sachen stilistisch offenen Skandinavischen Death Metals jenseits traditioneller Schemata, die nahezu alle musikalischen Seiten Swanös in sich vereint. Beschritten EDGE OF SANITY mit „Enigma“ auf „Unorthodox“ neue Pfade für eine Death Metal-Band und lieferten damit so etwas wie ihr Gesellenstück ab, ist „Twilight“ doch um so viel weiter und eine regelrechte Meisterleistung. Ähnliches kann man natürlich auch über das „Crimson“-Epos sagen, aber dazu kommen wir ein anderes Mal.

„Purgatory Afterglow“ ist ein wahres Hitfeuerwerk

Zu einem wirklich herausragenden Album macht „Purgatory Afterglow“ aber, dass nach dem überragenden „Twilight“ tatsächlich noch weitere richtige Genre-übergreifende Hitsongs folgen und diese nicht nur als Einzelkompositionen unglaublich gut funktionieren, sondern auch perfekt nahtlos ineinander übergehen. Das brutale „Of Darksome Origin“ verschmelzt wieselflinken, Blastbeat-getriebenen Göteborg Death mit eiskalten Black Metal Screams und fiesen SLAYER-Breaks, Tremolo Picking und mächtigem Chorus. Der Endzeit-Stampfer „Blood-Colored“ ist eine höchst eingängige Hymne mit melodischen Riffs, Klargesang in den Strophen, deftige Growls im Refrain. Das Stück vereint in sich Death mit klassischem Heavy Metal. Das dramatische „Silent“ ist wieder rasend schnell, prügelt wuchtig alles nieder und ist dabei gleichzeitig hochmelodisch. Dann der wahrscheinlich bekannteste Hit von EDGE OF SANITY / Dan Swanö: das gemäßigte „Black Tears“, u. a. auch schon von HEAVEN SHALL BURN oder auch ETERNAL TEARS OF SORROW gecovert, kombiniert poppigen Gothic Metal mit klarem melodischem Gesang und RUNNING WILD ähnlichem Riffing. Was für ein unverschämt schmissiger Ohrwurm! Hervorzuheben sind noch das wieder sehr flotte, aggressive und gleichzeitig melodische „Elegy“ sowie das schwere, doomig-drückende „Velvet Dreams“, das ebenfalls äußerst melodisch ausgefallen ist.

Fast jeder Schuss ist ein Volltreffer

Tatsächlich kann der Rest des Albums nicht ganz das unglaublich hohe Niveau der bisherigen Songs halten. „The Singer Of The Sadness“ ist noch souveräner, effektiver und geradliniger Death Metal im Midtempo, während die abschließende, konfuse Sami Nerberg Komposition „Song Of Sirens“ irgendwo zwischen Neo Thrash, Hardcore und Industrial lärmt und wie ein Fremdkörper wirkt. Macht aber nichts, man kann ja vor dem Stück entweder die Platte wechseln oder wieder von vorne anfangen.

Einer der absoluten Höhepunkte von EDGE OF SANITY

Mit dem eigenständigen, äußerst originellen „Purgatory Afterglow“ knüpften EDGE OF SANITY an „The Spectral Sorrows“ an und entwickelten und verfeinerten ihren Sound in Höchstform zur Perfektion weiter. Nichtsdestotrotz traten die ernsthaften Risse innerhalb der Band immer offener zu Tage. Dies sollte aber zumindest für einen weiteren Höhepunkt sorgen.

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09.08.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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6 Kommentare zu Edge of Sanity - Purgatory Afterglow

  1. onlythewindremembers sagt:

    Mit den 10/10 gehe ich hier mit. Dieses Ding ist einfach ein Album für die Ewigkeit. Wobei meiner Meinung nach „Velvet Dreams“ das Highlight der Platte ist.

    10/10
  2. Vlad_the_Impala sagt:

    Möglicherweise (aber auch nur möööglicherweise) sind 10/10 Punkte für ein Album, dass gegen Ende hin qualitativ doch schon spürbar nachlässt, ein ganz klein wenig hochgegriffen. Aber….und jetzt kommt’s… ich liebe es trotzdem! 🙂
    Daher 9/10.

    (Den Rest meines Schwafeltextes hab ich dann doch mal lieber gelöscht… Macht einen nur unnötig älter…)

    9/10
  3. js sagt:

    Da mir der Fehler auch schon unterlaufen ist: Es heißt korrekt nicht magnus opus, sondern entweder magnum opus oder opus magnum.

  4. doktor von pain sagt:

    Richtig, Magnus ist ein männlicher Vorname. War mir im Review gar nicht aufgefallen.

  5. MetalGerhardt sagt:

    Also zuerst ein paar Worte zur Review: Super geschrieben, aber wenn man etwas an dem Album auszusetzen hat bzw. Schwächen erkennt, dann kann es doch keine 10 von 10 Punkten wert sein oder?
    Als kein großer Fan von Edge of Sanity sehe ich das dann wohl mit objektiveren Augen, wobei man schon sagen muss, dass die Band damals echt große Taten vollbracht hat. 30 Jahre später ist man sowas ja schon völlig gewöhnt, aber früher mussten diese Grundsteine erstmal gelegt werden. Und hier hat Swanö wieder ganze Arbeit geleistet, wobei ich das Meisterwerk in dem Album nicht erkenne. Es geht auch nicht wirklich so viel weiter, als der Vorgänger. Der Opener bietet soliden progressiven Death Metal, doch „Enigma“ von „Unorthodox“ war da für mich deutlich einprägsamer. Danach gewinnt das Album an Fahrt und es gibt ein paar echte Knaller. Die Melodie von „Black Tears“ hat auch einige Jahrzehnte später nix von ihrem Reiz verloren. Nur zum Ende geht dem Ganzen dann wieder die Luft aus. Es folgen drei kürzere Stücke, die allesamt ein wenig beliebig wirken. Nichtsdestotrotz ein sehr gutes Melodic Death Metal Album, nur in meinen Ohren eben nicht das große Meisterwerk!

    8/10
  6. Salems Witch sagt:

    Ich sollte doch noch einmal reinhören. Habe es eher nicht so stark wie die zwei Alben davor in Erinnerung