Edge of Sanity - Infernal

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

EDGE OF SANITY veröffentlichten direkt hintereinander die beiden bahnbrechenden Meisterwerke „Purgatory Afterglow“ und „Crimson“, beides kreative, inspirierende Höhepunkte einer da schon in sich zerrissenen Band. Im Februar 1997 kommt der Nachfolger „Infernal“ und die Zeichen sollten auf Sturm stehen. Oder?

Der Weg zu „Infernal“

Das kontrastreiche „Purgatory Afterglow“ war geprägt von dem kreativen Spannungsfeld zwischen Dan Swanö, der für Weiterentwicklung in melodischere und progressivere Gefilde stand, und den anderen Bandmitgliedern, die am traditionellen Death Metal festhielten. Mit „Crimson“ konnte Dan seine eigene Vision eines Albums aus einem Song konsequent durchsetzen und gleichzeitig seine Kollegen von EDGE OF SANITY zum Mitmachen überzeugen. Dieses epische, ambitionierte und komplexe Werk entwickelte den Sound der Schweden erheblich weiter, ließ aber natürlich die bodenständigen Andreas „Dread“ Axelsson (u. a. TORMENTED, THE LURKING FEAR, ex-MARDUK), Anders Lindberg, Sami Nerberg und Benny Larsson (u. a. ex-OPHTHALAMIA, ex-PAN.THY.MONIUM) fast schon zu Statisten verkommen. Bisher hatte die Zusammenarbeit in EDGE OF SANITY zu herausragenden Ergebnissen geführt, deren Krönung „Purgatory Afterglow“ und „Crimson“ waren. Doch es gab vier Stimmen in der Band die der Meinung waren, dass sich EDGE OF SANITY schon zu weit von ihren Death Metal-Wurzeln entfernt hatten.

Ein Sturm zieht auf

Ende 1996 begaben sich EDGE OF SANITY nicht wie zuvor ins Unisound Studio von Swanö, sondern verpflichteten Peter Tägtgren (u. a. HYPOCRISY, PAIN, LINDEMANN) als Produzenten in dessen The Abyss Studio. Eine einschneidende Veränderung. Wie quasi schon Tradition, komponierte die Band auch schon lange nicht mehr zusammen, was bisher aber zu besonderer Abwechslung und Vielschichtigkeit führte. Neu war aber, dass Dan bis auf „The Last Song“ keine Texte mehr beisteuerte, sondern für die von ihm komponierten Stücke auf Texte aus der Feder von Jonas Larsson (TRAUMATIC), Anders Jakobson (NASUM, NECRONY), Mikael Åkerfeldt (OPETH) und Jonas Renkse (KATATONIA, BLOODBATH) zurückgriff. Dafür nahm er für die von ihm geschriebenen Songs Gesang, Gitarre, Bass sowie für „The Last Song“ Piano selbst auf, lediglich das Schlagzeug wurde von Benny gespielt. Im Gegenzug brachte sich Swanö lediglich bei vier Songs der anderen mit Gesang ein, während die zwei Stücke „Helter Skelter“ und „The Bleakness Of It All“ von Dread allein gesungen wurden. Das alles zeigt nochmals ganz offen die innere Zerrissenheit der ehemaligen Band, die nun eher einen Projektcharakter hatte. Dies wurde auch noch durch Interviews von Dan unterstrichen, welcher damals angab, dass der Grund für dieses Album das gebotene Geld des Labels Black Mark Production war. Schön ist das nicht, aber zumindest ehrlich. Der endgültige Bruch der Originalbesetzung sollte nur noch eine Frage der Zeit sein.

„Infernal“ ist in sich zerrissen wie EDGE OF SANITY

„Infernal“ ist geprägt von der musikalischen Kontrarietät der beiden Bandlager von EDGE OF SANITY sowie deren fehlenden Kooperation miteinander. Eigentlich wollte jede Seite für sich keine Kompromisse mehr eingehen. Was bei „Purgatory Afterglow“ bei aller Unterschiedlichkeit in ein geniales Resultat führte, konnte mit diesem am wenigsten fokussierten Album in ihrer Diskografie nicht mehr richtig funktionieren. „Infernal“ ist in sich zerrissen wie EDGE OF SANITY und klingt in der Tat wie eine Pflichtübung.

Dabei ist der Anfang sogar richtig gut. „Hell Is Where The Heart Is“ ist ein melodischer, dezent progressiver Song von Swanö, eingängig, wunderbar rockig und mit tollem Solo. Das schwarze „Helter Skelter“ zeugt von der Liebäugelei Axelssons mit dem Black Metal, direkt, rasant, aggressiv, aber nicht überragend. War es in der Vergangenheit die Gemeinschaftsarbeit von Dread, welcher mit seinem Organ insbesondere die Intensität im Refrain von bspw. „Of Darksom Origin“ verstärkte, und Dan, die zusammen Großartiges erschufen, arbeitet nun jeder für sich. Hier fehlt das Korrektiv von Swanö in Form von einprägsamen Melodien. Gleiches lässt sich mit einigen Abstrichen auch über „The Bleakness Of It All“ feststellen, wenngleich das Ergebnis besser gelungen ist. Zwischen diesen beiden brutalen Stücken wurde „15:36“ platziert, in welchem Dan klar und guttural singt, epische Riffs und Soli. Eigentlich ein guter Song, aber die Schnitte zwischen den Stücken sind zu krass, es fehlt der Songfluss, der unterschiedliche Klangwelten miteinander verbindet. Das ist überhaupt ein Merkmal, was „Infernal“ charakterisiert. Das Album wirkt weniger zusammenhängend als sämtliche vorherigen Platten, sondern eher fast schon wie eine Art Compilation. Das Album hat wirklich gute Momente, aber wie das Zusammenspiel der einzelnen Mitglieder von EDGE OF SANITY nicht mehr Vonstattenging, litt auch das teils unzusammenhängend klingende Album als Ganzes.

Wirklich erwähnenswert sind noch das melancholische „Damned (By the Damned)“ und das melodische „Forever Together Forever“, durch die Growls von Dan aggressiv und gleichzeitig tragisch. Ebenso auf der Haben-Seite stehen das fast schon poppig-eingängige „Losing Myself“, das etwas an „Black Tears“ erinnert, ohne aber dessen Intensität zu erreichen. Wahrscheinlich der Song, welchen Dread am meisten hasst. Und die abschließende, vom Piano getragene Ballade „The Last Song“ aus der Feder von Swanö. Der Song schließt nicht nur „Infernal“ ab, sondern markiert auch gleichzeitig den letzten Song der klassischen EDGE OF SANITY-Besetzung. Danach brach die Band endgültig in zwei Lager auseinander und die Truppe machte ohne Dan weiter.

Im Grunde kein schlechtes Album

„Infernal“ beinhaltet einige richtig starke Songs, viel an EDGE OF SANITY-Standard und einige Filler. Fehlende Abwechslung kann man dem Album nicht vorwerfen, da ist es tatsächlich ganz in der Tradition von „Purgatory Afterglow“ und „The Spectral Sorrows“. Die meisten Highlights stammen von Swanö, auch das ist keine Überraschung. Was den eindeutigen Rückschritt markiert ist, dass die ganz großen Übersongs fehlen und der unüberhörbare Mangel und Songfluss, an Konsistenz. Dazu trägt auch der nicht gerade ideale Mix bei. Sicherlich mangelte es allen Beteiligten an der richtigen Motivation, und dann kommt eben ein recht gutes, aber eben für EDGE OF SANITY-Verhältnisse auch etwas enttäuschendes Album raus, dem die besondere Magie der genialen Vorgänger fehlt. Es spricht für die Klasse der Band, dass „Infernal“ gut, aber eben in ihrem Kosmos nicht gut genug ist.

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13.09.2023

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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2 Kommentare zu Edge of Sanity - Infernal

  1. ClutchNixon sagt:

    Ich hab das Album damals eher als so ne Art Pflichtübung aufgefasst und tu es noch heute. Alle Swanö Songs darauf sind prima, wobei Losing myself einfach nur großartig ist. Dieser Drive!!! Davon mal abgesehen singt Dan herausragend und das selbst für seine Verhältnisse. Über die andere Hälfte des Albums sollte man den Mantel des Schweigens breiten.

  2. MetalGerhardt sagt:

    Nach dem Meisterwerk „Crimson“ konnte dieses Album eigentlich nur verlieren! Aber das liegt nicht mal alleine daran, dass hier ein Compilation-Charakter vorliegt. Die Songs mit Swanö sind natürlich mal wieder klasse, aber auch die anderen Tracks sind nicht schlecht. Irgendwie fehlt dem Ganzen aber trotzdem die Raffinesse und einen roten Faden besitzt das Album absolut nicht. Obwohl einzeln betrachtet die besseren Songs, als auf dem kurze Zeit später veröffentlichten „Cryptic“ vorhanden sind, ist dieses Album trotzdem für mich das bessere, weil es als Ganzes deutlich besser funktioniert. Am ehesten sticht hier sicherlich „Losing Myself“ hervor, den Swanö hinterher aber mit seiner Band Nightingale noch deutlich besser gestaltet hat. Und „The Last Song“ passt ebenfalls kaum ins Bild, gehört für mich aber auch nicht zu den stärksten Balladen, die Swanö geschrieben hat. Den Opener und „Forever Together Forever“ finde ich sehr gut, der Rest will bei mir nicht so recht hängenbleiben, obwohl das alles hochwertige Musik ist. Hätte nicht gedacht, dass mir der Nachfolger tatsächlich einen halben Punkt besser gefallen würde!

    6/10