Marc Thorbrügge
Soundcheck Januar 2022# 5
EARTHLESS folgen auf ihrem neuen Album den Kreaturen der Nacht. Nachdem „Black Heaven“ verhältnismäßig kurze Songs mit Vocals beinhaltete, widmet sich die Band aus Kalifornien auf „Night Parade Of One Hundred Demons“ wieder ganz den instrumentalen Epen hin, die zuvor auf ihren Alben zu finden waren.
„Je mehr wir jammten, desto mehr wuchs der Song“, erklärt Schlagzeuger Mario Rubalcaba, warum der Titeltrack nicht auf eine Seite einer Vinyl-Schallplatte passt. „Irgendwann entschieden wir uns, den Song einfach atmen zu lassen“. Das Ergebnis sind zwei Tracks mit etwa 20 Minuten Spielzeit, die von einer alten japanischen Legende inspiriert sind.
Eine nächtliche Parade der Schrecken
Die Hyakki Yagyō ist eine nächtliche Prozession von Dämonen, deren Anblick einen Menschen entweder sofort sterben lässt, oder mit sich in die ewige Nacht reißt. Bassist Mike Eginton erklärt, worin für ihn dabei der Reiz liegt: „Ich mag die Vorstellung von Leuten, die sich verstecken, aber trotzdem den Wahnsinn hören, der sie passiert. Es ist die Furcht vor dem Unbekannten.“
Unbekannt ist das Territorium, in das die Band sich begibt, für EARTHLESS allerdings nicht. Lange Jams, die schließlich zu Songs werden, waren lange Zeit das Markenzeichen der Psychedelic Rocker. Dass sie wieder dahin zurückkehrten, ist auch ein Ergebnis der Corona-Pandemie. Einen Tag vor der ersten Ausgangssperre in San Diego zog Gitarrist Isaiah Mitchell zurück in der Stadt, in der die beiden anderen Bandmitglieder leben, wodurch EARTHLESS viel Zeit für gemeinsame Jams blieb.
Abgeschieden von der Außenwelt
Ein Livestream, der vor einem Jahr aus der Wüste übertragen wurde, fing diese Situation gut ein. Intensiv und gleichermaßen entrückt beschallte das Trio die Mojave Desert. „Night Parade Of One Hundred Demons“ gibt diese Stimmung ebenfalls wieder. Es sind keine Menschen, die sich ängstlich unter ihren Betten vor einer Dämonenhorde verstecken, aber drei Musiker, die zumindest scheinbar einen Ausweg aus der beunruhigenden Realität in der Musik suchen und uns dabei mitnehmen.
Dass die Songs lang sind, wurde bereits erwähnt. Sie ließen sich in Abschnitte unterteilen, wandern zwischen sphärischen Parts und gelegentlichen Ausbrüchen vor allem der Gitarre. Was bei anderen Bands als notwendiges Mittel auftaucht, um hin und wieder aus dem Trott zu reißen, fügt sich bei EARTHLESS stimmig in den Gesamtsong ein. Dennoch wirkt die Musik vereinzelt schlafwandelnd, nicht ziellos und beliebig, aber doch selbstgenügsam.
„Night Parade Of One Hundred Demons“ belässt es also weitestgehend bei Standards, arrangiert diese aber auf gekonnte Weise. Auch wenn EARTHLESS nicht mehr so pointiert spielen wie auf „Black Heaven“, kann die Musik trotzdem unterhalten.
EARTHLESS begeben sich auf eine Reise durch die Nacht
Um beim folkloristischen Vorbild zu bleiben: EARTHLESS reißen ihr Publikum mit auf eine Reise durch die Nacht. „Night Parade Of One Hundred Demons“ ist kein entspannter Trip, sondern steckt voller Tücken und Wendungen, die jedoch angenehm überraschen und verzaubern.
„Das Album ist auf jeden Fall düsterer, als die Musik, die wir vorher gemacht haben“, sinniert Schlagzeuger Mario. „Mehr Paranoia, mehr Noise, als würde alles zur Hölle fahren. Aber gleichzeitig macht es auch Spaß.“
„Night Parade Of One Hundred Demons“ macht tatsächlich Spaß. Aber nicht auf die Weise, dass man sich entspannt mit Bier oder Bubatz zurücklehnt und abschaltet, während viel Wah-Wah durch die Gehörgänge rauscht. Es ist die erregende Furcht vor dem Ungewissen, das nicht nur draußen, sondern auch in der Musik lauert.
EARTHLESS blicken mit ihrem fünften Album, geprägt von Lockdown und Unruhe, ins Innere. Ängste und Unsicherheiten lassen uns den Blick abwenden, wecken aber auch unsere Neugier und erzeugen wohligen Schauer. Zwar reizt das Trio diese Stimmung nicht immer perfekt aus, schafft insgesamt aber einen atmosphärischen Trip in unsicheren Zeiten.
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Zum Glück wieder ohne Gesang. Sehr gelungenes, dicht atmosphärisches Album.
Ob das jetzt wirklich 8/10 sind, wenn doch 5/10 einfach Durchschnitt und noch nicht schlecht ist, ist alles darüber über Durchschnitt und das ist dieses Album auf jeden Fall. Von mir gibt es sehr positive 7/10 mit der Tendenz zu einem halben Punkt mehr.