Dystopia - Geen Weg Uit

Review

Das relative Alleinstellungsmerkmal des niederländischen Fünfers DYSTOPIA ist der Einsatz von Blechblasinstrumenten in ihrer grob dem Black Metal zuzuordnenden Musik. Wer allein beim Gedanken an Trompeten- und Posaunenklang fluchtartig den Raum verlässt, oder seinen Black Metal möglichst traditionell mag, sollte also am besten nicht weiterlesen.

DYSTOPIA haben Ahnung von Tuten und Blasen

DYSTOPIA spielen die Art Black Metal, bei der die Gitarren einen relativ breit angelegten Klangteppich weben, aus dem sich dann andere Elemente herausschälen können, die es hoffentlich schaffen, den Songs ihre Eigenständigkeit zu verleihen. Bei DYSTOPIA sind dies vor allem die oben angesprochenen Blechbläser.

Ein Wort vorweg: „Geen Weg Uit“ hat eigentlich nur drei Lieder („Razernij“, „Van de Meute Vervreemd“ und „De Dwaas Komt Voor de Redder“), wobei zwei davon sich über vier bzw. drei Tracks verteilen. Welchen tieferen Hintergrund das hat, weiß ich auch nicht, da zumindest die ersten beiden Lieder mehr oder weniger gut ineinander übergehen, ehe eine etwas unglücklich geratene, abrupt einsetzende Stille das letzte Lied vorbereitet.

Hang zur Ausweglosigkeit

Allen drei Songs gemeinsam ist der Hang zur Melancholie, zum Klagenden, hervorgerufen natürlich vor allem durch die Bläser, denen sehr viel Raum geboten wird, sowohl kompositorisch als auch vom allgemeinen Klangbild her. Auch Akustikgitarren (bei „Van de Meute II“) und Klavier (bei „De Dwaas“ zu Beginn und am Ende) werden genutzt, um die tragische Atmosphäre weiter zu unterstützen. Der Gesang wechselt zwischen verzweifeltem Schreien und einem überraschend gut funktionierenden, klagenden Klargesang (meist in Kombination mit getragenen Posaunentönen).

Amüsanterweise ist „Razernij“ das gesetztere der beiden Langstücke, „Van de Meute Vervreemd“ detoniert im Mittelteil mit Blastbeats, Keifen und Geschrammel, fängt sich dann aber wieder, mit eindringlichem Posaunenklang und klaren, getragenen Worten. Zum Abschluss gibt es dann noch einmal die Formel der beiden Langstücke eingedampft auf knapp sechs Minuten, von denen etwa zwei von dem erwähnten (sehr schönen!) Piano in Anspruch genommen werden.

Ein Album für den Herbst, aber sonst keine Jahreszeit

„Geen Weg Uit“ ist anders, das muss man neidlos anerkennen. Mir fällt spontan keine andere Band ein, die (echte, nicht aus der Konserve kommende) Bläser in dieser Art in ihren Sound einbindet. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, dass hier der Versuch unternommen wird, „symphonisch“ zu werden — die Blechblasinstrumente sind zu keiner Zeit Fremdkörper oder Gimmick, sondern elementarer Bestandteil der hier erzeugten Atmosphäre.

DYSTOPIA schreiben hier ein Album für Herbst-Tage, wenn man mit einer Tasse Tee auf dem Sessel den verrotenden Blättern zuschauen möchte. Aber trotz einiger wirklich schöner Momente und der sehr dichten Atmosphäre rutschen die Lieder auf Albumlänge immer wieder in die Beliebigkeit ab und können nicht genug fesseln, um zwingend mehrere Rotationen zu benötigen.

Ein Album wie ein nebliger Herbstmorgen: Fremdartig schön, aber sehr schnell wieder verflogen.

Review von Bernhard Rübenthal

01.10.2020

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