DRITTE WAHL kommen mit „10“ um die Ecke. Sie erschaffen damit zweierlei. Erstens eine Platte, die direkt in die Blutbahn geht, bei der nicht weitergeskipt wird und die man gleich nochmal durchlaufen lässt. Und zweitens das beruhigende Gefühl, dass es auch gute Konstanten gibt. Denn mal ohne Scheiß, wenn es von den Rostockern tatsächlich keine neue Platte mehr geben würde und keine jährlichen Konzert-Sternstunden, was bliebe dann noch?
Der Abschied von DRITTE WAHL wäre für nicht wenige im besten Alter befindliche Freundinnen und Freunde der unprätentiösen Gitarrenmusik in etwa so erschütternd wie die Katastrophen, verließe Götz K. das Rock Hard, nähme HEINO eine „Rockplatte“ auf, würde in Wacken (neben dem Mittelalter-Markt) gecatcht. Lieber nicht drüber nachdenken. Denn „10“ ist ja da und grandios wie meist.
„10“ trifft im Ganzen und packt im Detail
Die Stücke auf „10“ sind Punk von der Attitüde und der Direktheit her, weisen wie eh und je durch viel Power im Riff auch eine nicht zu leugnende Nähe zu straightem Metal auf. Das ist bewährt und kann durch schlüssige Kompositionen und Bonmots im Detail überzeugen.
Zum Einstieg schicken DRITTE WAHL die Menschheit sowie ihren Planeten in „Scotty“ voll verbleit, doch mit subtilem Western-Flair in die ewigen Jagdgründe, „Der Himmel über uns“ ist Ohrwurm und Sommer-Hymne mit Alkohol-Wortspielen (und Alkohol-Wortspielen gebührt Respekt), „Vor dem Aufprall“ kombiniert fies eine gepfiffene kleine Melodie mit den Gedanken eines Mannes im Angesicht der Unfall-Katastrophe. Und „Schade“ ist eine böse-ironische Beziehungs-Abrechnung inklusive einprägsamer Tastenklänge in der Mitte und Psychopathen-Ende. „25 Cent“ wiederum beeindruckt als eingängiger, treibender Rocker, der in der Melodie der Lead-Gitarre aber genau die ins Herz zielende Melancholie transportiert, die dem Rentner mit seinem runtergeschluckten Stolz auf der Suche nach dem Pfand gerade noch so gerecht wird.
DRITTE WAHL bleiben im Tritt
Dabei ist eines ja nicht nur mit Blick auf auf das, was mit deutschen Texten und ’ner Gitarre in der Hand zuletzt so erfolgreich war, eine nicht von der Hand zu weidnernde Gefahr: Wenn man wie DRITTE WAHL das richtige Leben kritisch in der eigenen Musik thematisiert, ist das immer ein Balance-Akt: Will man es überhaupt über selbstmitleidiges Outlaw-Gewimmer hinweg schaffen, droht immer noch der Absturz in den Napf mit Betroffenheitskitsch oder das Fass mit gern reaktionärem Phrasenbrei. Beides ist unterm Strich ekelhaft und hat mit Lebenserfahrung, Frei- oder Wildheit nichts zu tun. DRITTE WAHL haben, ohne Anspruch auf philosophische Doktorwürden, textlich und musikalisch sozusagen die Humanisten-Ballerinas mit Profil für den sicheren und festen Tritt am Start. Und – das Beste – großartig nachdenken muss man darüber eigentlich nicht. Einfach mal gut finden reicht auch.
30 Jahre mit Haltung, „10“ zum Jubiläum: Cheers!
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