Dream Theater - The Astonishing

Review

DREAM THEATER! „The Astonishing“!

Junge, haben es die New Yorker spannend gemacht um ihr neues Album. Hier ist eine Band, die definitiv weiß, wie man die Hype-Maschine anwirft. Stückchenweise haben sie Informationen über Setting, Charaktere und Geschichte preisgegeben. Nun ist es also endlich da, das 13. Album. Mit „The Astonishing“ betreten DREAM THEATER Neuland, dahingehend, dass sie zwar schon Konzeptalben, aber noch nie zuvor eine Rockoper aufgenommen haben. Unterstützung erfuhren sie dabei von den Prager Philharmonikern unter Leitung von David Campbell.

Und was soll ich sagen: Sie machen es ganz gut. In technischer Hinsicht gibt es – wie immer eigentlich bei DREAM THEATER – kaum etwas auszusetzen. Band und Orchester sind hervorragend aufeinander abgestimmt. Die Produktion ist warm und klar, nichts matscht, sämtliche Instrumente und Vocals sind zu jeder Zeit hörbar respektive verständlich.

Inhaltlich dreht sich „The Astonishing“ um einen jungen Mann namens Gabriel, der inmitten einer dystopischen Zukunft, in der ein autoritäres, feudales Regime herrscht und Musik verbannt worden ist, sein Talent für den Gesang entdeckt. Das zieht natürlich umgehend die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf sich, was auch den Kommandanten der Ravenskill Rebel Militia, Arhys, mit einschließt, der in ihm den Heilsbringer sieht. Auch interessiert sich der Herrscher dieser Welt, Lord Nafaryus, für das Talent des Schönlings, um es für seine Zwecke zu nutzen. Gabriel ist damit zunächst heillos überfordert, doch der fulminante Auftritt des Herrschers setzt die Ereignisse schließlich in Bewegung.

„The Astonishing“ zeichnet sich durch eine sehr durchdachte Struktur aus. So werden wiederkehrende Charaktere und Storyelemente durch ebenso wiederkehrende Melodien angekündigt respektive wieder aufgegriffen. Zum Beispiel wird der Marsch des Aufstandes durch eine starke und hoffnungsvolle Melodie dargestellt, während die Auftritte des Regimes sehr sinister und durchtrieben in Szene gesetzt und gerne auch durch fanfarenartige Läufe begleitet werden. Immer wieder treten die NOMACS, die Noise Machines, auf, um wirre, kakofone Sequenzen zu senden, angesichts derer es einem schon mal kalt den Rücken herunterlaufen kann. Großes Lob muss man auch an das überraschend kompakte Songwriting aussprechen, die einzelnen Stücke kommen schnell auf den Punkt, sodass Langeweile kaum aufkommen sollte.

Und doch steckt in allen Songs unverkennbar DREAM THEATER drin. Besonders schön lässt sich das an der instrumentalen „Dystopian Overture“ oder dem vorab veröffentlichten „Moment Of Betrayal“ ausmachen, DREAM THEATER-Songs, wie sie im Buche stehen. Bei „Path That Divides“ scheint es gar, dass Jordan Rudess seinen eigenen Läufen aus „Dance Of Eternity“ („Scenes From A Memory„) Tribut zollt. Der gewohnt furios aufspielende John Petrucci drückt den Songs ebenfalls wieder seinen Stempel auf, auch wenn er sich – dem Orchester zuliebe – vergleichsweise zurückhält. Und das Schlagzeugspiel von Mike Mangini ist kraftvoll und präzise, hätte hier und da aber etwas lockerer sein können – bei „Three Days“ etwa wirkt er dann doch etwas grobschlächtig – Mike Mangini ist eben kein Mike Portnoy.

Mit all dem Wiedererkennungswert geht dann aber auch die große Schwachstelle von „The Astonishing“ einher: der Gesang. Man kann von James LaBrie halten was man möchte, der Mann hat eine der ikonischeren Stimmen des Metal, und er macht auch auf „The Astonishing“ einen soliden Job. Dass er jedoch kein dramatischer Sänger ist, zumindest kein guter, zeigt sich hier: Sein Gesang ist einfach nicht variabel und packend genug, um das komplette Album zu tragen. Dass DREAM THEATER bei all dem Produktionsaufwand nicht daran gedacht haben, mehrere Sänger und Sängerinnen zu engagieren, wie das beispielsweise bei AVANTASIA der Fall ist, ist schon seltsam, denn LaBrie vermag es kaum, den einzelnen Charakteren markante Eigenschaften zu verpassen, geschweige denn seine gewohnte Stimmlage zu verlassen. Das führt dazu, dass der Gesang auf einigen Songs ziemlich flach und gesichtslos wirkt und die gut geschriebenen Charaktere damit einhergehend zu einem Einheitsbrei verkommen. Dagegen läuft LaBrie bei Nafaryus‘ Passagen zur Höchstform auf.

Aber wie bereits erwähnt: DREAM THEATER haben mit „The Astonishing“ Neuland betreten. Da sollte man nicht mit der Erwartung hineingehen, dass sie dies gleich auf Anhieb perfekt machen würden. Tatsächlich fühlt sich das Album gar nicht so progressiv an, wie die früheren Werke der Band, es ist sogar sehr zugänglich ausgefallen. So bleibt das Album unterm Strich eine gute Leistung, die zwar nicht ganz an die Bandklassiker heranreicht, dennoch aber eine Herausforderung darstellt, an der DREAM THEATER sicher (hoffentlich) gewachsen sind. „The Astonishing“ jedenfalls ist eine schöne Rockoper mit all dem Cheese, der dazu gehört, sodass wir gespannt sein können, wie DREAM THEATER das auf die Bühne bringen werden.

28.01.2016

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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