Dornenreich - Hexenwind

Review

Lange war es still um DORNENREICH. Seit ihrem beeindruckenden letzten Werk „Her von welken Nächten“ und der darauffolgenden noch viel eindrucksvolleren Akustiktour mit den Labelmates von OF THE WAND AND THE MOON und TENHI hat man von dem Duo nichts mehr gehört. Zwar keimten die ersten Gerüchte um das neue Album „Hexenwind“ schon relativ bald auf, und auch der Titel geistert schon einige Jahre durch den Blätterwald. Doch sollte noch viel Zeit ins Land gehen, bis nun endlich das vierte Album der beiden Österreicher veröffentlicht wird. Eine Vertiefung von „Her von welken Nächten“ und dem vom Zweitwerk bekannten „Reime faucht der Märchensarg“ sollte es werden. Doch wer sich seither auf eine nahtlose Fortsetzung des Meisterwerks von 2001 gefreut hat, könnte nun nicht bitterer enttäuscht werden. Von der schwarzen, wahnsinnigen, manischen Atmosphäre und der Aggression von einst ist nichts geblieben. „Hexenwind“ hätte nicht andersartiger ausfallen können. Man könnte fast sagen, DORNENREICH haben sich neu erfunden.
Vielleicht war die Akustiktour schon ein erster Hinweis auf die Richtung, die die Band mit diesem Album einschlagen sollte. Denn „Hexenwind“ ist ruhig geworden. Sehr ruhig. Fast schon meditativ. Mit sehr einfach gehaltenen Riffs und Strukturen, die mit wenig Variation und ganz ohne Bombast auskommen, erzeugen DORNENREICH eine eindringliche, hypnotisierende Atmosphäre, die den Hörer einhüllt und umgibt wie kaum eine zweite. Wenige Themen prägen die überlangen Kompositionen und verleihen ihnen einen monotonen, besänftigenden, beschwörenden Charakter. Halbakustische und akustische Gitarren dominieren jeden einzelnen der Songs und sorgen für eine Nähe zu den naturmystischen Werken früher ULVER (besonders natürlich „Kveldssanger“) und EMPYRIUM, was besonders im komplett akustischen Interlude „Aus längst verhalltem Lied“ deutlich wird. Zwar finden sich auch verzerrte Gitarren, denen mit der Untermalung als rauschender Klangteppich aber eine mehr als subtile Aufgabe zukommt. Zu keinem Zeitpunkt machen sie den viel bedeutenderen akustischen Gitarren den Platz streitig. Selbst der Opener „Der Hexe flammend Blick“, der mit seinem OPETH-Vibe noch das offensivste Stück des Albums darstellt, übt sich durch die stark betonten akustischen Instrumente in behutsamer Vorsicht. Die aggressiven, geisteskranken Vocals, die noch auf „Her von welken Nächten“ wüteten, sind nahezu komplett verschwunden und tauchen lediglich vereinzelt noch ganz versteckt im Hintergrund auf. Mit dieser musikalischen Schlichtheit – jedoch keinesfalls mit der Musik an sich – erinnert das Album stark an KATATONIAs „Brave Murder Day“, das es ebenfalls zur Perfektion versteht, mit sehr wenigen, einfachen Stilmitteln eine unglaublich dichte Atmosphäre zu erzeugen. „Hexenwind“ wirkt wie ein Traum mit seinen schönen Melodien, dem behutsamen aber dennoch eindringlichen Flüstern und dem allgegenwärtigen Windhauch im Hintergrund. Es ist kaum möglich, die Musik in Worten verständlich zu machen. Denn trotz ihrer Einfachheit und Überschaubarkeit fällt es enorm schwer, die transportierte Atmosphäre auch nur annähernd zu beschreiben. Diese Intensität verlangt nicht nur einige Beschäftigung mit dem Material – besonders wenn man begeisterter Anhänger der welken Nächte ist – sondern auch die richtige Herangehensweise. Denn nur über Kopfhörer gehört kann sich das Album richtig entfalten und zu seiner ganzen Größe anwachsen. Wer diesen Rat befolgt und sich ganz auf „Hexenwind“ einlässt, wird dieser Scheibe verfallen. Die Hoffnung auf einen würdigen Nachfolger zu „Her von welken Nächten“ hat sich voll erfüllt. Wenn auch auf unerwartete Weise, mit der DORNENREICH nebenbei jedoch bewiesen haben, dass Reproduktion keine Option ist. Brillant!

14.11.2005
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