Als Metal-Fan nimmt man sich für gewöhnlich Zeit für die wirklich wichtigen Fragen im Leben. Welches IRON MAIDEN-Album ist das beste? „Piece of Mind“ oder „Powerslave“? Black-Metal-BATHORY oder Viking-Metal-BATHORY? Ozzy oder Dio am Mikro von BLACK SABBATH?
Doch auch für andere Fragen sollte man sich Zeit nehmen. Was treibt Musiker an, Songs zu schreiben? Was fasziniert uns beim Hören von Musik und was reizt uns an bestimmten Musikrichtungen? Sowohl die Musikwissenschaft als auch die Philosophie und die Soziologie haben sich mit diesen Fragen bereits intensiv beschäftigt.
Speziell bezogen auf die Eigenschaften von Rock- und Metal-Fans gibt es zwar ebenfalls eine wachsende Anzahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema, die in den meisten Fällen aber historische Entwicklungen oder soziologische Sachverhalte als Ausgangspunkt wählen. Dominik Feldmann legt hingegen mit „Rock Your Brain“ ein Buch vor, dass sich über grundlegende (musik-)philosophische Fragen und Begriffe der Stromgitarrenmusik nähert.
Die wirklich wichtigen Fragen
Dies ist insofern bemerkenswert, als dass in der Musikphilosophie Rock und Metal bisher nur eine Randerscheinung darstellen. So gibt es zwar eine „Philosophie des Jazz“ (Daniel Martin Feige, 2014), aber keine vergleichbaren Beiträge zur Rockmusik. Kein Wunder, denn im Feld der Musikphilosophie oder -ästhetik tut sich seit den Zeiten von Theodor W. Adorno nicht mehr viel – und der starb ein Jahr vor BLACK SABBATHs Debüt.
Dominik Feldmann betritt also größtenteils unkartographiertes Gebiet und kann sich entsprechend unbekümmert in 13 Essays dem Thema nähern. Nachvollziehbar erklärt er Begriffe wie „Katharsis“ und „dionysische Erfahrung“, um sie in einen Bezug zur Metal- und Rockmusik zu setzen. Gleichermaßen widmet er sich gesellschaftlichen Aspekten wie Sexualität, Religion und Erinnerungskultur, indem er gängige philosophische und soziologische Ansätze auf das Genre und seine Fans anwendet. Dabei reicht die Spannweite von Aristoteles und dessen „Katharsis“-Begriff bis hin zu Jan Assmanns gegenwärtigen Theorien zum kollektiven Gedächtnis.
Ein Buch für Laien und Fortgeschrittene
Wer philosophischer Laie ist, muss sich aber nicht sorgen, bei den vielen Namen und Theorien den Überblick zu verlieren. Dominik Feld schreibt anschaulich und verliert nie seinen Untersuchungsgegenstand aus den Augen. Es gelingt ihm, die wissenschaftlichen Theorien auf einen verständlichen Kern herunterzubrechen und erklärt nachvollziehbar, in welchen Punkten er sie mit der Metal- und Rockmusik verknüpft.
Jedoch geht es nicht um Musiktheorie. Diesen Aspekt streift Feldmann nur gelegentlich. Es geht um die Menschen hinter der Musik, die Fans und Musiker selbst, sowie deren Ansichten zu bestimmten Themen. Entsprechend häufig finden sich Interview-Zitate und Liedtext-Ausschnitte in „Rock Your Brain“, auf die Dominik Feldmann philosophische Theorien anwendet.
Dabei kommt es oft zu interessanten Verbindungen. Was würde Nietzsche wohl zu METALLICA sagen? Würde Derrida seine Theorien in der Musik von FAITH NO MORE erkennen? Lassen sich Walter Benjamins Ansichten zur Authentizität von Kunst nicht auf eine Szene übertragen, in der eben diese Eigenschaft sehr wichtig erscheint?
„Rock Your Brain“ regt zum Denken an
Diese Vergleiche sorgen dafür, dass die musikalischen interessierten Leser*innen nicht nur etwas zum Thema „Rockmusik und Philosophie“ lernen, sondern sich quasi nebenbei auch philosophisches Grundwissen aneignen können. Wer die Beispiele aus den üblichen Philosophie-Einführungen oder dem Schulunterricht zu dröge findet, erhält mit „Rock Your Brain“ eine unterhaltsame Alternative für Rock- und Metalfans, die dank ihrer Unterteilung in 13 Essays bequem zu lesen ist.
Wer also in das weite Feld der Philosophie reinschnuppern, dabei aber nicht auf Bezüge zu Lemmy, Jonathan Davis, Bob Dylan oder Bruce Dickinson verzichten will, wird in „Rock Your Brain“ fündig. Doch auch für eine eigene wissenschaftliche Annährung an Musik und Szene bietet der Band viele Referenzen und Anknüpfungspunkte, um weiter in einzelne Themenfelder vorzustoßen. Denn unterm Strich handelt es sich bei den Essays jeweils um kompakte Übersichten, die nicht in die Tiefe vorstoßen. Als Einführung und Diskussionsgrundlage eignen sie sich dadurch aber sehr gut.
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