Es ist wirklich seltsam, gefühlt scheint es derzeit in Norwegen so eine Art Hochphase des kreativen Rock zu geben, denn das Land bringt neben progressiven Kapellen wie SUBURBAN SAVAGES, WESERBERGLAND und PIXIE NINJA auch anderweitig experimentierfreudige Bands wie DOBBELTGJENGER hervor. Das Quartett aus Bergen setzt sich wiederum aus Mitgliedern von unter anderem MAJOR PARKINSON und OSSICLES zusammen. Und zumindest das deutet schon einmal auf einen Sound hin, der eine gewisse Verwandtschaft zum Prog hat. Oder wenigstens zu seltsamen Klängen fernab ausgetretener Pfade. Dann noch viele bunte Pillen auf dem Cover des hier vorliegenden Zweitlings „Limbohead“ und es dürfte endgültig klar sein, dass die Herren keine nüchterne Kost bieten. Das klingt natürlich alles sehr nach Psychedelic-Klischee, doch davon ist die Band zum Glück weit entfernt.
Experimente mit Bodenhaftung
Denn trotz des markanten Stoner-Druffie-Einschlages, der sich wie der sprichwörtliche Drogennebel durch das Album zieht und einige seltsame Harmonien zu Tage befördert, kommen DOBBELTGJENGER doch mit amtlicher Rotznase und einem erstaunlichen Maß an Bodenständigkeit daher. Damit erinnern sie öfters eher an die Kollegen aus der punkigen Ecke. In ihren schrägeren Momenten kommen unsereinem dann auch schon mal die TALKING HEADS in den Sinn. Zwar reicht der Gesang in puncto Exzentrik einem David Byrne nicht das Wasser, aber dafür bringen die Norweger ja auch wieder eine Reihe anderer Geschmäcker ins Spiel, die sich wiederum mit ihrem eigenen Süppchen gut vertragen – und letzten Endes zu dessen Eigenständigkeit beitragen. Anders ausgedrückt: So richtig heben die Norweger beim Musizieren eigentlich nicht ab, was hier jedoch kein Problem ist. Denn dank besagter Bodenhaftung bleiben die stilistischen Wendungen innerhalb von „Limbohead“ stets nachvollziehbar und ungezwungen.
Und diese Einflüsse setzen sich neben dem bereits erwähnten Stoner Rock, der gelegentlich sogar die etwas raueren „Era Vulgaris„-Momente wieder aufleben lässt („Swing“), in seinen verkaterteren Passagen aber auch die Hangover-Fahne wehen lässt („Locking My Doors“), und ebenfalls besagter Punk-Rotznase, die für das nötige Maß an Spritzigkeit und Spontanität sorgt, auch aus Elementen von Indie-Rock und New Artrock zusammen. Erstere trägt zur angenehmen Hörbarkeit und der guten Verdaulichkeit der Platte bei. In letzterem zeigen sich DOBBELTGJENGER dann von ihrer atmosphärischen, anspruchsvolleren, ja geradezu musischen Seite und beweisen ein Gespür für mitreißende Melodiebögen, die unter die Haut zu gehen vermögen. Ein bisschen darf man sich in solchen Momenten – bei „In Limbo“ im Speziellen – an die Kollegen von LIZZARD oder auch KLONE erinnert fühlen.
DOBBELTGJENGER hängen mit ihrem „Limbohead“ nicht in den Wolken
Doch letzten Endes ist es die Qualität der Songs per se, die „Limbohead“ so spannend machen. Und hier haben die Norweger den Hit-Faktor eindeutig nach oben geschraubt. Denn trotz der Verschrobenheit, die DOBBELTGJENGER hier und da an den Tag legen, bleiben die Tracks zumeist angenehm bodenständig. Im Mittelpunkt steht der eingängige Song, der mit Energie und Feingefühl dargeboten wird – und irgendwie doch immer einen gewissen Spleen hat. Schöne rhythmische Verzierungen wie die Perkussion in „Calling Tokyo“ spielen dem wuseligen Song wunderbar in die Karten, dessen kernige Lead-Gitarren gegen Ende irgendwie nach dickem Kopf nach durchzechter Nacht klingen. „Like Monroe“ geht da etwas rotziger und geradliniger zu Werke und baut sich aus einem recht rudimentären Independent-Track zum offensiven Rocker mit markiger Hook auf. „Keep ‚Em Coming“ bringt eine dezente, funkige Würze mit ins Spiel, die wiederum mit diesem punkigen Flair daherkommt. Hier treten die erwähnten TALKING HEADS-Verweise besonders prägnant zu Tage und lassen vereinzelt etwa an „Remain In Light“ denken. Unterdessen dreht „Radio“ wieder an der QOTSA-Schraube, bewegt diese jedoch etwas mehr in Richtung deren „Robot Rock“-Anfänge – nicht zu weit allerdings.
Ein bisschen mehr Heaviness hier und da hätte dem Sound der Norweger nicht geschadet und diesem noch etwas mehr Schmackes verliehen. Das könnte aber auch an der Produktion liegen, die einfach größeren Wert auf Details legt. Und diese kommen zum Glück wunderbar zur Geltung, sodass sich dieses vermeintliche Manko wieder ausgleicht. Doch deswegen hängen DOBBELTGJENGER mit ihrem „Limbohead“ noch lange nicht in den Wolken, zumal sich hinter dem leichtfüßig wirkenden Sound dann doch Themen wie Verfolgungswahn und – wenig überraschend – Wahrnehmungstrübung verbergen, die stellenweise mit enormen Ernst ergründet werden. Aber trotz allem steht natürlich der Spaß an der quirligen Musik im Vordergrund, und den bekommt der Hörer en masse geliefert. „Limbohead“ macht mit all seinen mal mehr, mal weniger schrägen Einfällen Spaß – und hält doch immer wieder ein paar düstere Twists parat, sodass die Angelegenheit nie zu sonnig gerät. Wäre ja auch langweilig.
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