Dissection - Storm Of The Lights Bane

Review

Etwas mehr als zehn Jahre ist es nun her, dass DISSECTION mit „Storm Of The Light’s Bane“ den schwedischen Black Metal todesmetallischer Prägung grundlegend definiert haben.

In den Achtzigern war der Metal noch jung und unschuldig, und die Möglichkeit, mit etwas Experimentierfreude aus der noch brodelnden Ursuppe Neues zu schaffen, allgegenwärtig. Viele bahnbrechende Alben markierten damals Meilen- und Grundsteine für die Verästelung der noch jungen Musik, und werden noch heute und wohl bis in alle Ewigkeit zitiert werden.

DISSECTION sind dagegen eine der wenigen Bands, die es in den weitaus kommerzialisierteren und von einer Schwemme gleichartig klingender, zunächst hauptsächlich skandinavischer, Formationen überfluteten Neunzigern geschafft haben, mit nur zwei Alben Geschichte zu schreiben und musikalisch damit schon zu Lebzeiten zur Legende zu werden.

Muss schon das 1993er Debüt „The Somberlain“ als makelloses Kleinod schwarzer, todesmetallischer, schwedischer Tonkunst gelten, markierte jedoch erst dessen Nachfolger „Storm Of The Light’s Bane“ mit seiner weitaus atmosphärischeren Aura und der Hinwendung zu schwarzmetallischeren Tönen, den Schritt zur Unsterblichkeit. Selber am ehesten vielleicht noch beeinflusst von den stets sehr unentschlossenen EUCHARIST, errichteten DISSECTION mit diesem Album einen Schrein, der bis heute unbestritten über allen Nachfahren thront, dessen langer Schatten die Szene bis heute in Düsternis hüllt und dem seither unzählige Bands ähnlicher Ausrichtung huldigen. Und auch in Zukunft werden sich alle Veröffentlichungen in der Schnittmenge aus Black und Death Metal an diesem einen Album messen lassen müssen.

Wie die jüngere Geschichte gezeigt hat, wurde dieser lange Schatten aber auch der Band selbst zum Verhängnis. Dem Höhepunkt der Bandkarriere folgte mit der Inhaftierung Jon Nödtveidts kurze Zeit nach Veröffentlichung des Albums ihr dramatischer Niedergang, der zuletzt im August letzten Jahres sein tragisches Ende nahm. Nicht auszudenken, was anstelle eines „Reinkaos“ hätte folgen können. Zwar ist es ausgeschlossen, ein so prägendes Album wie „Storm Of The Light’s Bane“ noch einmal zu erreichen. Der Stil- und Gesinnungswechsel, dessen Beginn mit Jons Verurteilung zusammen fiel, stellt jedoch sicher nicht nur für mich eine bedauernswerte Entwicklung dar.

Aus dem Knast heraus waren von Jon keine Musik, dafür aber umso radikalere ideologische Ansichten zu vernehmen. Interviews (man erinnere sich an den Schriftwechsel mit dem Legacy), drifteten regelmäßig ins Philosophieren über Chaos und anti-kosm(et)ischen Satanismus ab, oder schafften es erst gar nicht aus diesem kruden Sumpf heraus, der für Jon bald wichtiger war, als die Musik. Seine elitäre Einstellung hatte alsbald martialische, ideologisch dubiose und fragwürdige Äußerungen zufolge, die einen an der Gesinnung DISSECTIONs und am Geisteszustand Jons zweifeln ließen. Genie und Wahnsinn liegen eben nicht nur dicht beieinander, sondern werden von eben solchen kontroversen Charakteren personifiziert. Kontrovers war „Reinkaos“ dann auch – weil enorm anders. Aber in der Rückschau war diese Flucht vor dem eigenen Schatten wohl der einzig gangbare Weg. Denn am Versuch, sich mit Unvergleichlichem zu vergleichen, sind schon viele gescheitert. Und „Storm Of The Light’s Bane“ ist unvergleichlich.

Das Album ist ein finsteres Kunstwerk von so plastischer Dichte, dass man die Dunkelheit beinahe greifen kann. Die apokalyptisch-beschwörende Atmosphäre, verbreitet sich schleichend mit den disharmonischen Klängen und den schicksalhaften Pauken des unheilvollen Intros, um hernach mit dem zügellos tobenden Einstand von „Night’s Blood“ um sich zu greifen und alles zu verschlingen. Bis der letzte Ton des Abschlusstracks verhallt sein wird, wird einem die Platte keinerlei Möglichkeit lassen, sich aus ihrem Bann zu winden. Jeder einzelne Song ist von so einzigartiger, unverwechselbarer Reinheit, wie man sie in dieser Art seither nicht mehr – und ich wage zu behaupten – auch vorher nie gehört hat. Nicht einmal die eifrigsten und besten Bands, seien es SACRAMENTUM, NAGLFAR oder auch SETHERIAL in ihrer frühen Phase haben es je geschafft, die Klasse dieser Ikone zu erreichen. Jeder Song ist gesegnet mit der Essenz der zu makelloser Reinheit destillierten Perfektion begnadeter Musiker.

Dabei ist „Storm Of The Light’s Bane“ alles andere als durchgehend stiltreu. DISSECTION spielen auf der kompletten Klaviatur düsteren musikalischen Ausdrucksvermögens und loten beide ihrer Extreme aus. Von der ungezügelten, manischen Black Metal-Urgewalt mit Blastbeats und sonor flirrenden Gitarren bis hin zum von allem Beiwerk befreiten, schwermütigen Klavier-Outro verstehen es die vier Schweden meisterlich, verschiedenste Ausdrucksformen zu verschmelzen. Am besten verdeutlicht dies der monumentale Titeltrack „Retribution – Storm Of The Light’s Bane“, der wirklich alles in sich vereint. Die Musik groovt nicht nur, sie wogt geradezu! Sie als „Black Metal“ oder gar „Death Metal“ zu bezeichnen, wird ihr in letzter Konsequenz auch nie gerecht. Vielmehr trifft die Bezeichnung, die sich die Band selber gegeben hat, wohl am besten zu: „Metal of Death“.

Anders als viele ihrer Landsmänner haben sie dabei auf die zu der Zeit sehr gern verwendeten ur-schwedischen, folkloristisch geprägten Melodien verzichtet und dagegen auf disharmonische Riffs gebaut, die einem die Gänsehaut gleich im Rudel den Rücken hoch- und runterjagen. Dennoch sind DISSECTION Meister des melodischen Ausdrucks. Denn über die sägenden Riffs streut Jon gänzlich unkitschige Heavy Metal-Leads und klassische Melodiebogen, die im Kontext aber so düster klingen, dass sie nicht weiter von artgerechter Haltung entfernt sein könnten.

Mit dem Versuch, einzelne Songs herausgreifen zu wollen, tut man den anderen Titeln nur Unrecht. Denn auch wenn ein zugegeben sehr poppig geratenes „Where Dead Angels Lie“ den Weg aller Tophits als Single-Auskopplung gehen musste, sind die anderen Tracks doch von mindestens derselben Güte und von nicht abzuschätzender Haltbarkeit. Ebenso zeitlos ist das legendäre Necrolord-Cover Artwork, in dessen Bildsprache man sich nur allzu leicht verliert. „Storm Of The Light’s Bane“ ist ein Album, das wie ein schimmernder, schwarzer Lavabrocken in der tosenden Brandung der Geschichte steht und als Monument des schwedischen Black Metal die Zeiten überdauert. Wahrlich ein Klassiker und eines der besten Alben überhaupt.

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01.03.2007

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5 Kommentare zu Dissection - Storm Of The Lights Bane

  1. Anonymous sagt:

    ha! Ein würdevolles Review zu einem der größten Meisterwerke der Metalgeschichte!
    Episch!
    Tolles Review, unmenschlich, weil nahezu göttliches Album, oder ehr teuflisch?
    Naja egal.
    \m/

    10/10
  2. André sagt:

    „…Dissection inspired thousands of bands and spawned so many imitators but nobody has ever been near of doing what they did. What they did was so unique and great…“ ( Ekeroth, Daniel ; Swedish Death Metal ; 2009)

    10/10
  3. xXx-Oimel-xXx sagt:

    Sehr gutes Review! Selten hat ein Cover besser zur Musik gepasst wie hier. Selten hat man so eine perfekte Symbiose aus Melodie & frostig-kalte & düstere Atmosphäre erlebt.
    Wer so ein Album schreibt muss dem Teufel höchstpersönlich seine Seele verkauft haben.

    10/10
  4. Wigrid sagt:

    Für mich DAS Black-(Death Metal) Album, rangiert unter meinen all time faves des Black Metal noch leicht vor In the Nightside Eclipse von Emperor. Die Magie, die dieses Album auch noch nach so vielen Jahren entfacht, ist schier unbegreiflich, zieht einen jedesmal aufs neue in ihren Bann! Wie viele Bands haben versucht dieses Meisterwerk zu erreichen/toppen und sind nicht annähernd in Ihre Sphären vorgedrungen. Ein Meilenstein für die Ewigkeit! Schade das es so mit dieser Band enden musste..Hätte gerne gesehen/gehört wie der Nachfolger zu Storm ausgefallen wäre, wenn Jon nicht in den Knast gewandert wäre🤘

  5. Wigrid sagt:

    10 Punkte sind das mindeste!!!

    10/10